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Frankfurt: Es gibt kein Recht auf Bratwurst

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Von: George Grodensky

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Tierschutzaktivisten und -aktivistinnen demonstrieren in der Innenstadt.
Tierschutzaktivisten und -aktivistinnen demonstrieren in der Innenstadt. Renate Hoyer © Renate Hoyer

Demo für das Ende der Tierausbeutung und die Schließung aller Schlachthäuser.

Der 14-jährige Keanu präsentiert eine so einfache, wie nachdenklich machende Rechnung. „Der Preis für ein Steak ist höher, als man es sich vorstellen kann“, spricht er das Publikum an. „Es kostet ein Leben.“ Keanu ist das zu teuer, so wie etwa 300 anderen Menschen auch, die am Samstagmittag durch Frankfurt gezogen sind, um für Tierrechte und gegen Schlachthöfe zu protestieren.

Ausgangspunkt ist der Römerberg, wo der Verein „Animal Rights Watch“ (Ariwa) und die „Ärzte gegen Tierversuche“ Infostände aufgebaut haben. Die Demo ist Auftakt einer deutschlandweiten Reihe. „Wir hören erst auf, wenn alle Schlachthäuser geschlossen sind und nur noch ihre Ruinen an dieses dunkle Kapitel in der Geschichte der Menschheit erinnern!“, ruft Melanie von Ariwa. Der Verein protestiert jedes Jahr, immer mit einem anderen Symboltier. Diesmal ist es das Kaninchen.

Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 30 Millionen Kaninchen geschlachtet. 41 000 Tonnen Kaninchenfleisch kommen auf den Tisch. Die Zuchttiere leben in Einzelhaft. Die Mastkaninchen in großen Gruppen auf kleinen Flächen, in übereinandergestapelten Käfigen. Geschlachtet werden sie noch vor der Pubertät. Die Zuchthäsinnen gebären elfmal im Jahr, eine Woche nach dem Werfen werden sie wieder befruchtet. Nach einem Jahr werden sie getötet, weil die Gebärleistung, ein Wort, das das ganze Grauen ganz gut illustriert, zurückgeht.

Auch unschön: Kaninchen müssen für Tierversuche herhalten oder werden für Kleidung ausgebeutet. Für Angorawolle etwa werden sie alle drei Monate brutal geschoren oder lebendig gerupft. „Die Tiere schreien laut vor Schmerzen“, sagt Melanie.

Schwere Kost. Dabei hatte kurz zuvor noch der nette Sprecher des Vereins versichert, man wolle bei dem Protest „etwas Positives“ vermitteln. Deswegen gibt es auch einen Partyblock im Demozug. Wer da mitläuft, tanzt beschwingt und lächelt immerzu, ist womöglich noch lustig verkleidet. So lassen sich die Flyer des Vereins besser verteilen. Wer könnte einer tanzenden Kuh ernsthaft grimmig entgegentreten und sein Recht auf Bratwurst verteidigen? „Jedes Lebewesen hat ein Recht auf Leben“, sagt dazu der Ariwa-Sprecher.

Kleine Kundgebungen gibt es am Römer und am Willy-Brandt-Platz, am Freßgass-Brunnen führen die Aktivistinnen und Aktivisten ein „Die in“ auf, eine Art gemeinsames Sterben, um gegen das „millionenfache und sinnlose Sterben“ der Tiere in den Schlachthöfen aufmerksam zu machen. „Sinnlos“, da ist es wieder, das Stichwort, das es kurz zu hinterfragen gilt. Ist nicht Fleisch ein super sinnvolles Nahrungsmittel? „Nein“, sagt Keanu. Es gebe genügend Ersatz. „Warum sollten wir für ein paar Sekunden Genuss Tiere quälen?“, fragt er. Das seien fühlende Lebewesen. Er hat noch ein paar andere Fragen im Köcher: „Warum sollten wir Müttern die Kinder wegnehmen?“ „Warum sollten wir Babys misshandeln?“ Sein Erweckungserlebnis? Bei einer Wanderung sei er mit seiner Familie an einer Weide mit einer „ganz süßen“ grasenden Kuh vorbeigekommen. Sein Vater: „Das ist dein Schnitzel von gestern.“ Er hat es nicht böse gemeint, der Vater, ist selber Vegetarier. Und doch ist Keanu schockiert. Dieses friedliche Wesen hat er gegessen? Es war das letzte. Seither lebe er vegan. „Ich will nicht mehr, dass Tiere leiden und sterben.“

Ein eindrucksvolles Testimonial. „Es müssen ja nicht immer alte Säcke in der ersten Reihe stehen“, sagt Heiko Weber verschmitzt. Er ist ein Urgestein in der Bewegung, seit 30 Jahren dabei, seit 18 Jahren im Ariwa-Verein. Die Akzeptanz sei heute größer, sagt Weber. Die Menschen gingen entspannter mit den Demonstrierenden um. „Vor 20 Jahren wurde man noch als Spinner und Exot bezeichnet.“

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