Frankfurt: Ein Lastwagen voller Hilfsgüter für die Türkei

Der Frankfurter Logistiker und Spediteur Sedat Tuygar sammelt Spenden für die Erdbebenopfer in der Türkei und wird sie selbst hinbringen. Die Türkische Gemeinde wartet noch mit Hilfsaktionen ab, da nur Neuware vom Zoll akzeptiert wird.
Am Dienstagvormittag kommen in immer kürzeren Abständen Menschen auf den Parkplatz des Speditions- und Logistikunternehmens Tuygar im Fechenheimer Gewerbegebiet. „Kann man hier die Spenden für die Türkei abgeben?“, wird Sedat Tuygar gefragt. „Ja, aber nur Neuware. Alles andere kann ich nicht mitnehmen.“ Seit sein Bruder und andere Freunde und Familienmitglieder über Instagram einen Aufruf zum Spenden geteilt haben, stehen Tuygars Telefone nicht mehr still. Das Gespräch am Handy endet, dann klingelt sein Bürotelefon.
Der 44-Jährige hat sich am Montag entschlossen, mit einem Lkw in die vom Erdbeben erschütterte Region in den Südosten der Türkei zu fahren. Nach Gesprächen, unter anderem direkt mit der türkischen Katastrophenschutzbehörde Afad, hat er auch die entsprechenden Papiere und Genehmigungen erhalten. Die einzige Bedingung: Es dürfen keine gebrauchten Dinge ins Land eingeführt werden. Seit Montagabend ist er damit beschäftigt, das den Leuten zu erklären.
„Ich bin um 5 Uhr gegangen und bin seit 8.30 Uhr wieder hier“, erzählt er. Bereits am Morgen seien Leute gekommen und wollten alte Klamotten und Schuhe abgeben, die eigentlich in den Müll gehörten. Am Abend davor kamen Mitglieder türkischer Vereine, die bei sich Spenden gesammelt hatten und sie bei Tuygar abgeben wollten. „Ich konnte die nicht annehmen“, sagt er. Die Hilfsbereitschaft sei riesig, aber es sei nicht immer alles zielgerichtet.
Ümit Yaman steht am Dienstagmorgen bei seinem Freund Sedat Tuygar im Büro und will mit anpacken. Er arbeitet bei einer Bank und hat in der Nacht eine Mail an die Belegschaft geschrieben, dass er heute nicht komme. „Ich hatte zwar zwölf Termine, aber das ist jetzt wichtiger“, findet Yaman.
Chris bringt zwei Schlafsäcke, zwei Isomatten und ein Zelt vorbei. „Alles neu“, sagt er. Chris arbeitet im Außendienst bei einem großen Bierhersteller. Er will auch Kolleginnen und Kollegen Bescheid sagen, die helfen wollen – mit dem Zusatz, dass nur Neuware gebraucht wird. Zwei Frauen bringen Windeln, Hygieneartikel und Kinderklamotten in Kartons vorbei, die auch alle beschriftet sind. Zwei weitere Frauen bringen unter anderem Arbeitshandschuhe, Decken, Windeln und warme Kleidung wie Jacken vorbei. Sie haben Familie und Freunde im Erdbebengebiet.
Hilfsmöglichkeiten
Der Malteser Hilfsdienst sammelt Geld unter IBAN: DE10 3706 0120 1201 2000 12,
Stichwort: „Erdbeben Türkei/Syrien“
Die Alevitische Gemeinde und Cemevi Darmstadt – DAAKM hat auf Facebook einen Spendenaufruf gestartet: IBAN: DE46 3806 0186 6401 4060 32
Die Fethiye-Vereinigung in Ober-Ramstadt sammelt Spenden, Kontakt unter
Telefon: 0 61 54 / 63 86 520
An die Katastrophenschutzbehörde Afad in der Türkei kann man auch direkt spenden über die Ziraat-Bank International mit Sitz in Frankfurt, IBAN: DE26 5122 0700 1080 0000 01
Caritas International ruft ebenfalls zum Spenden auf, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe
IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02
Stichwort: Nothilfe nach Erdbeben in Türkei/Syrien. Eine Onlinespende an die Caritas ist möglich unter
www.bit.ly/erdbeben-hilfe
Die Kurdische Gemeinde Deutschland sammelt Spenden unter IBAN DE64370502990000416652, Stichwort „Erdbeben Soforthilfe“ FR
Derya Kullaksiz hilft am Dienstag dabei, die Sachen zu sortieren und umzupacken. Am Montagabend war sie bereits in Hanau, wo unter anderem der Fußballverein Türkgücü Hanau Spenden gesammelt hat. „Die Gemeinschaftlichkeit war toll“, fand sie. Allerdings sei es auch ein Unding gewesen, was die Leute da zum Teil angeschleppt hätten. Unter anderem waren in den Tüten Tischdecken dabei. „Wir haben stundenlang in der Kälte aussortiert“, erzählt Kulaksiz.
50 Frauen seien damit beschäftigt gewesen. Nicht nur in Hanau wurde bereits am Montagabend für die Erdbebenopfer in der Türkei gesammelt. An der Frankfurter Eissporthalle, in Höchst, in Hattersheim, in Dietzenbach, wo viele Menschen aus der betroffenen Stadt Kahramanmaras leben, wurde gesammelt. Ob die Sachen durch den Zoll kommen, ist eine andere Frage.
Die Türkische Gemeinde Hessen (TGH) ist deshalb auch zurückhaltend was größere Hilfsaktionen betrifft. „Wichtig ist jetzt zunächst, dass genügend Rettungskräfte ankommen und so viele Leben wie möglich retten“, sagt Atila Karabörklü, Vorsitzender der TGH. Am Dienstagabend ist ein Zoom-Meeting mit mehreren türkischen Vereinen und dem türkischen Generalkonsul in Frankfurt, Erdem Tunçer, geplant. „Wir wollen über Strategien sprechen und uns koordinieren“, sagt Karabörklü.
Das türkische Generalkonsulat ruft derzeit alle Landsleute dazu auf, zunächst nur Geld zu spenden. Geteilt werden in den sozialen Medien außerdem die Seiten vom „Roten Halbmond“, der Listen veröffentlicht hat, mit dem, was benötigt wird. Die Türkisch-Deutsche Gesundheitsstiftung in Gießen hat begonnen, über ihre Verbindungen zu Apotheken und anderen Einrichtungen Medikamente zu sammeln.
Sedat Tuygar hat bei größeren Erdbeben in der Türkei immer konkrete Hilfe geleistet. 2011 ist er schon mit einem großen Lkw in die osttürkische Stadt Van gefahren, um Hilfsgüter zu bringen. Gegen 16 Uhr muss Tuygar einen Schlussstrich unter die Spendenaktion ziehen, obwohl sie eigentlich bis 20 Uhr angekündigt war. „Jetzt müssen wir alles sortieren und deklarieren. Das wird noch rund zwei Stunden dauern“, erklärt der Spediteur und Logistiker. Wenn das erledigt ist, will er sich sofort auf den Weg in die Türkei machen. Sein Plan ist es, die Sachen direkt nach Gaziantep, Sanliurfa und Kahramanmaras zu bringen. Und dann zumindest einem Teil der betroffenen Menschen eine kleine Freude zu machen.

