Frankfurt: Ein Herz für Altbauten

Zwei Jungunternehmer sanieren sich erfolgreich durch Frankfurt. Co-working für Firmen und neuer Wihnraum in altem Bestand. Kritik an Milieschutzsatzung.
Wer den Eingangsbereich der Arndtstraße 15 betritt, gerät schnell ins Staunen. Marmorwände, reich verzierte Stuckdecken und sündhaft teure Lampen im Treppenhaus machen das Gründerzeithaus aus dem Jahr 1896 zu einem besonderen Blickfang. Verantwortlich für die denkmalgerechte Sanierung sind die jungen Unternehmer Philipp Jurisch und Colin Schulze. Die beiden Frankfurter demonstrieren, dass die Sanierung denkmalgeschützter Häuser kein Jahrhundertprojekt sein muss.
Nicht mal zwei Jahre ist es her, da war das Objekt in der Arndstraße nur eines von vielen sanierungsbedürftigen Häusern der Stadt. Jurisch zückt sein Handy und zeigt Fotos von Raufasertapeten, einem Milchglastresen und abgehängten Decken. „Das Haus war aktiv zerstört worden“, findet der 32-Jährige.
Mit ihrem Unternehmen „Aedus“, lateinisch für Gebäude, haben die beiden das zuvor leerstehende Haus aber nicht nur denkmalgerecht saniert, sondern auch fit gemacht für die Zukunft. „Wir haben zwölf Kilometer Kabel verlegt, alles ist hochmodern“, sagt Jurisch.
Im Eingang ist ein Flachbildschirm in die Marmorwand eingelassen, auf dem CNN flimmert. Der Mix aus altertümlicher Eleganz und hochmodernem Bürokomfort kommt an, die knapp 800 Quadratmeter Bürofläche waren sehr schnell vermietet. „Die Leute kamen von der Straße rein und wollten sich einmieten“, erzählt Jurisch, der als studierter Betriebswirtschaftler für die kaufmännischen Belange zuständig ist.
Die große Resonanz hat Schwung in das junge Unternehmen gebracht. Das zweite Aedus-Projekt befindet sich mitten in der Altstadt: Das Wohnhaus Ecke Braubachstraße/Neue Kräme, in dem derzeit Dachdeckerarbeiten laufen. „Es ist eines der wenigen Häuser in der Altstadt, die vom Krieg verschont blieben“, sagt Bauingenieur Schulze. Allerdings nagt an dem Haus der Zahn der Zeit. Da der Braubach unter ihm verläuft, waren die Keller immer feucht. „Eine Spezialfirma hat die Böden nun dicht bekommen“, sagt Schulze, der für die technische Umsetzung der Projekte zuständig ist.
Innerhalb kurzer Zeit hat das Unternehmen weitere denkmalgeschützte Häuser in Nordend, Westend und Sachsenhausen erworben. „Wir sanieren uns so durch Frankfurt und schaffen Wohnraum“, frohlockt Jurisch. Wer einen solch markigen Ausspruch in Frankfurt hört, wird schnell stutzig. Zu viele Miethaie geben sich ähnlich altruistisch. Doch Jurisch und Schulze geben Entwarnung: Das Haus in der Braubachstraße sei immer noch voll vermietet, eine Mieterhöhung für die Bestandsparteien nicht vorgesehen. Eine Motivation der beiden ist nicht zuletzt ihr Herz für Altbauten. In ebensolchen wohnen sie selbst im Nordend und im Westend. „Wir würden nie mit einem Neubau tauschen wollen“, betont Schulze.
Das Faible der Jungunternehmer kommt auch im Denkmalschutzamt gut an. „Diese Investoren sind Freunde der Denkmalpflege, das ist schon ein Glücksfall“, freut sich Amtsleiterin Andrea Hampel.
Die Sanierungen von Aedus bezeichnet sie als „Königsweg“. Denn es gehe hier nicht nur darum, die Außenfassaden hübschzumachen, sondern auch das Innere so weit wie möglich originalgetreu zu restaurieren. Dafür studierte Schulze mit dem zuständigen Konservator des Denkmalamts alte Fotos und stöberte für die Innenanstriche in England eine Spezialfirma für historische Wandfarben auf.
Über das Lob des Denkmalamts freut sich Schulze, auch wenn er die Zusammenarbeit mit der Stadt nicht uneingeschränkt als Glücksfall bezeichnen würde. „Die Milieuschutzsatzung könnte man besser machen, es gibt ja sehr viel Leerstand in Frankfurt.“ Für die Sanierung des baufälligen Objekts in der Rohrbachstraße etwa musste Schulze ein Dutzend Genehmigungen beantragen, ein Jahr warten und viel Überzeugungsarbeit leisten.
Der „Glücksfall“ für die Frankfurter Denkmalpflege ist ein bisschen aus der Not heraus entstanden, wie Firmengründer Jurisch verrät. Sein erstes Objekt als Projektentwickler war ein Neubau in Mainz, der sich jedoch nicht realisieren ließ. Mit dem ursprünglichen Geschäftspartner kam er schnell überein, dass eine Zusammenarbeit wenig Sinn ergebe. „Das erste Jahr in der Selbstständigkeit war eine Katastrophe“, gesteht Jurisch, der bis dahin außer Schulden noch nicht viel erreicht hatte. Bis er über einen Freund Colin Schulze kennenlernte, den Jurisch als Glücksfall bezeichnet. Als beiden das Objekt in der Arndtstraße angeboten wurde, war ihnen schnell klar, dass sie es nun zunächst mal mit einer Altbausanierung probieren würden. Zum seinem Glück konnte Jurisch für dieses Projekt Investoren aus dem familiären Umfeld gewinnen, andernfalls wäre eine kostspielige Altbausanierung zum Auftakt gar nicht möglich gewesen. Allein die Restaurierung hat etwa 2,3 Millionen Euro gekostet.
Dafür ist die Arndtstraße 15 jetzt ein Vorzeigeprojekt, das zeigt, was die beiden Unternehmer können. „Wir bekommen inzwischen fast täglich Häuser angeboten“, sagt Jurisch. Ein ähnliches Projekt des Co-Working in denkmalgerecht sanierten Räumen soll nun auch in der Oberlindau entstehen. „Wir haben schon fast alles vermietet, dabei haben wir mit den Arbeiten noch gar nicht angefangen“, sagt Schulze erfreut. Vom Konzept, nicht nur privat, sondern auch beruflich auf Altbauten zu setzen, ist Firmengründer Jurisch vollauf überzeugt: „Es gibt kaum Neubauten. In den Bestand zu investieren, wird immer wichtiger.“

