Frankfurt: Ein Festival für die ganze Familie

Vor der Jahrhunderthalle sind am Sonntag so manche Eltern an ihre Grenzen gegangen.
Papa, eincremen!“ kräht die vielleicht Vierjährige und hält ihrem Vater die Sonnenmilch-Tube hin. Sie steht mit Papa, Mama und dem kleinen Bruder im Buggy auf dem großen Platz vor der Jahrhunderthalle in einer fast 300 Meter langen Warteschlange unter knatternden Skydancern – so heißen die mit einem Luftstrom aufgerichteten Zappelfiguren. Die Schlange scheint endlos, aber es geht zügig voran – Sonnenmilch, etwas auf dem Kopf und eine Flasche Wasser können trotzdem nicht schaden.
Die Autokennzeichen reichen weit übers Rhein-Main-Gebiet hinaus, die ersten Parkplätze laufen schon gegen 11 Uhr voll, und von überall strömen weiter Menschen mit Kinderwagen oder Kindertransport-Fahrrädern heran: Das Spektakel „festival4family“ zieht am Sonntag mehrere Tausend Besucher:innen an. Geboten wird eine Mischung aus Freizeitpark, Musikfestival und Werbeveranstaltung.
„Hallo, schön, dass Ihr da seid, Gude“, singt Kinderliedermacher Oliver Mager auf der Hauptbühne. Noch ist Platz, denn viele stehen direkt hinterm Eingang in der nächsten Schlange – Globus Eschborn verteilt Geschenke. Auch an den großen Plastikbällen, mit denen Kinder wie Wasserläufer über den Löschteich der Jahrhunderthalle krabbeln können, wird die Schlange länger, und beim Bobbycar-Parcours der Verkehrswacht gibt es schon eine Stauwarnung. Wer schlau ist, sichert sich unter den Weiden am Löschteich einen Platz im Schatten, denn die Sonne brennt. Picknickdecken werden ausgebreitet, und einige Aussteller haben Liegestühle aufgestellt. Vom Taco-Stand ziehen Düfte übers Gelände, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, und die ersten kurzbehosten Papas holen sich ein Bier – Ruhe ist erste Bürgerpflicht.
„Nochmaaaal!“ kreischt inzwischen die Vierjährige, die wir in der Einlassschlange getroffen haben, denn sie hat gerade den „Gladiator Run“ gemeistert, einen Hindernis-Parcours in Hüpfburg-Form. Am Eingang stapeln sich die Schuhe, denn hinein geht’s nur in Socken oder barfuß. Auch auf den traditionellen Hüpfburgen herrscht Hochbetrieb.
„Na, der Herr schon Kunde bei der Telekom?“, kobert ein pomadisierter Jüngling vor magentafarbenen Werbestand, und auch anderswo versuchen die Ausstellenden, neue Kund:innen zu gewinnen. An gefühlt jedem zweiten Stand klackert ein Glücksrad, und der Luftballon-Modelleur im Kasino der Jahrhunderthalle arbeitet auf den ersten Fingerkrampf hin. Neben dem Kasino-Eingang stehen Oldtimer und US-Jeeps samt einigen „Elvis-en“. Gerald Dinis aus Seligenstadt, besser bekannt als „Gerry the Voice of Elvis“, steht mit Schmalztolle für Fotos bereit. „Elvis ist etwas für Groß und Klein“, sagt er, „die Hits wirken auch auf Kinder.“ Beim Graffiti-Workshop in der Ecke des Festivalgeländes klackern die Spraydosen, von vielen Kinderhänden geschüttelt, während die mehr an Technik interessierten Jungbesucher:innen vor dem Rettungshubschrauber des ADAC oder dem Notarztwagen stehen und Bauklötze staunen.
Familienhotels werben neben Versicherungen, Privatschulen neben Tiernahrungsfabrikanten, und an den Baller-Buden von Eintracht Frankfurt, Mainz 05 und Wehen Wiesbaden können die jungen Kicker:innen ihr Können zeigen. Im Süwag-Energiegarten wird Geld für die Fördergemeinschaft der Kinderklinik Höchst erwirtschaftet; von der großen Bühne tönt HR-Moderator Tobi Kämmerer herüber. Papa stopft die letzte Dinkelwaffel ins erschöpfte Töchterlein, und die grunzt nur noch mit flatternden Augenlidern: „Will heim …“.