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Frankfurt: Ein fast koscheres Leben

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Von: Andreas Hartmann

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Die Frankfurter Autorin Barbara Bisicky-Ehrlich stellt ihr neues Buch „Der Rabbiner ohne Schuh“ vor. Bild: Peter Jülich
Die Frankfurter Autorin Barbara Bišický-Ehrlich stellt ihr neues Buch „Der Rabbiner ohne Schuh“ vor. © Peter Jülich

Die Frankfurter Autorin Barbara Bišický-Ehrlich begeistert mit ihrer charmanten Autobiografie voller verrückter und seltsamer Anekdoten aus der jüdischen Welt.

Als die 14 Jahre alte Barbara mit ihrer Freundin Judith im Juli 1988 allein von Frankfurt nach England in ein jüdisches Ferienlager reisen sollte, war sie sehr aufgeregt – bis sich zehn weitere junge Frankfurterinnen und Frankfurter anmeldeten. Nun war es Barbaras Mutter, die aufgeregt war. Denn, so dachte sie sich, eine deutschsprachige Kindergruppe werde ja wohl eher untereinander plaudern, die teure Reise werde wohl eine Fehlinvestition sein.

Der Ausflug hat 2022 den Weg in das neue autobiografische Buch der Autorin Barbara Bišický-Ehrlich gefunden, und das ist einer erwähnenswerten Begebenheit zu verdanken. Die jüdischen Kinder aus England begrüßten nämlich die deutschen Gleichaltrigen mit „Heil Hitler!“ und erhobenem Arm. „Fremd im eigenen Land und fremd im Ausland“, formuliert die Autorin dazu lapidar.

Die erwähnte Geschichte klingt düster - Bišický-Ehrlich schreibt ihr Buch „Der Rabbiner ohne Schuh. Kuriositäten aus meinem fast koscheren Leben“ aber mit leichter Hand, fröhlich und dennoch nachdenklich, charmant und selbstironisch. Da erfährt man beispielsweise so nebenbei, warum manche jüdischen Autofahrer:innen ein Faible für bestimmte Nummernschilder haben, und was das mit Zahlenmystik zu tun hat, oder warum man das Wort „Schmock“ nur mit Vorsicht gebrauchen sollte . . .

Buchpremiere am 26. April

„Der Rabbiner ohne Schuh. Kuriositäten aus meinem fast koscheren Leben“ heißt das neue Buch der Frankfurter Autorin Barbara Bišický-Ehrlich. Es wird am kommenden Dienstag, 26. April, 19.30 Uhr, im Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum Frankfurt, Savignystraße 66, vorgestellt und erscheint an diesem Tag auch offiziell im Gütersloher Verlagshaus. Der Eintritt zur Lesung kostet im Vorverkauf zehn Euro (zzgl. VVK-Gebühren) oder zwölf Euro an der Abendkasse, das Buch 16 Euro im Buchhandel. Tickets gibt es unter jg-ffm.de/karten. Weitere Lesungen sind im Rhein-Main-Gebiet und deutschlandweit geplant, Details dazu unter www.barbara-bisicky-ehrlich.de.

Barbara Bišický-Ehrlich wurde 1974 als Kind tschechischer Eltern in Frankfurt geboren, wo sie auch in die Schule ging. Tschechisch blieb ihre „Herzenssprache“, wie sie sagt. Nach einem Studium Anfang der 1990er Jahre in Prag volontierte sie beim Südwestrundfunk. Heute arbeitet sie selbstständig als Werbe- und Synchronsprecherin und leitet Kinder-Theatergruppen in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Ihr erstes Buch „Sag‘, dass es dir gut geht“ erschien 2018 im Größenwahn-Verlag. Sie lebt mit ihren drei Kindern in Frankfurt. aph

Fulminant beschreibt sie etwa den Auftritt von Karel Gott (ja, dem echten!), der unbedingt bei der ersten großen jüdischen Hochzeit in Prag nach dem Krieg auftreten will und natürlich die „Biene Maja“ singt. Ja, Bišický-Ehrlich, als Kind tschechischer Dissidenten in Frankfurt geboren und aufgewachsen, hat tatsächlich in Prag geheiratet, wo sie nach der Wende auch studierte. „Tschechisch ist meine Herzenssprache“, sagt sie. „Als ich in den Kindergarten kam, konnte ich gar kein Deutsch. Tschechisch konnte ich hingegen lange Zeit nur sprechen, aber nicht lesen und schreiben.“

Heute arbeitet die 47-Jährige mit ihrer schönen Stimme nach einem Volontariat beim Südwestrundfunk unter anderem als professionelle Sprecherin für Hörbücher oder Werbung, und sie unterrichtet Kinder an der Jüdischen Gemeinde im Theaterspielen.

Es ist ihr zweites Buch, das am heutigen Dienstag erscheint, und das sie am selben Abend in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt vorstellt. Es steckt voller Schnurren und Erinnerungen. „Das erste Buch war meine Familiengeschichte, handelte vom Holocaust und vom Kommunismus. Das war regelrecht therapeutisches Schreiben für mich“, erzählt die Autorin. „Und plötzlich war da Luft für heitere Dinge!“

Eine Idee des Buches: „Alle Menschen haben irgendein Bild von Juden im Kopf, aber das beruht fast niemals auf echten Begegnungen, sondern auf Vorurteilen, altem Schulstoff und so weiter.“ Aus eigener Erfahrung, etwa von Lesungen in Schulen, weiß sie leider nur zu gut, dass es da noch viel zu korrigieren gibt. „Antisemitismus hat heute eine ganz andere Qualität als vor einigen Jahren, sehr hemmungslos. Solche Sprüche, wie ich sie heute höre, hätte in meiner Schulzeit keiner gemacht. Ich wollte ein anderes Judentum zeigen und die Vielfalt jüdischen Lebens.“ Man darf wohl sagen: Das ist ihr mit diesem Buch wunderbar gelungen.

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