Frankfurt: Drama um den Satyrtragopan

Der Diktatwettbewerb „Frankfurt schreibt!“, ein lustiger und lehrreicher Abend fast wie im Zoo.
Bisher hieß es, die Lehrerinnen und Lehrer hätten vormittags recht und nachmittags frei. Spätestens seit Mittwochabend wissen wir: Sie haben auch abends recht. Wenn man sie herausfordert. Den Wettbewerb, wer die wenigsten Fehler im Diktat macht, haben sie jedenfalls klar gewonnen.
Gewusel in der Aula der Liebigschule. „Wer richtig schreibt, gewinnt!“, steht auf der Leinwand. Es winkt das Deutschland-Finale, denn wer heute bei „Frankfurt schreibt!“ ganz vorne landet, sahnt nicht nur hübsche Sachpreise ab, sondern kommt noch eine Runde weiter. Moderator Mathis Eckert von der Musterschule freut sich, nach zwei Jahren Corona-Onlinewettbewerb wieder echte Menschen zum Rechtschreiben begrüßen zu dürfen: Schülerinnen, Schüler, Eltern und Lehrkräfte aus 14 Frankfurter Schulen sind im Liebig-Gymnasium dabei.
Ein Marder im Ärmel
Oder doch nicht dort? „Wir gehen in den Frankfurter Zoo“, sagt Eckert. Das Bühnenbild beweist es. Das nachfolgende Diktat auch. „Public Relations mit lustigen Vögeln“ lautet die Überschrift, es geht um den legendären Zoodirektor Bernhard Grzimek, und dann solche Sätze: „Während ein Karnivore stattlichen Kalibers rohes Fleisch wegfutterte, ein treuherzig dreinschauendes Orang-Utan-Weibchen sich an ihm festklammerte oder ein behände herumwuselnder Marder“ (kicherige Stille im Saal) „ihm von innen den Sakkoärmel hochkroch, dozierte er so unprätentiös wie wortgewandt über Tiere aus nah und fern.“
Oder der hier: „Man will Jung und Alt das vielgestaltige Leben in Dschungel, Savanne und sonst wo nahebringen, das Exoten wie den Satyrtragopan“ (kicherige Entrüstung) „hervorgebracht hat.“ Auch eine Mangrovenlandschaft, eine Win-win-Situation und die Humboldtpinguine sind möglichst ohne Rechtschreibunfall aufs Papier zu bringen. Ein Spektakel. Ein knisternd leises, aber in seiner Konzentriertheit enorm energiegeladenes Spektakel.
Wie ein Fisch in der Sprache schwimmen
Wieso muss man das eigentlich können – richtig schreiben? Liebig-Schulleiterin Sabine Brieske: „Weil die Auseinandersetzung mit Sprache so etwas Elementares ist.“ Im korrekt Geschriebenen stecke auch die Wertschätzung für das Gegenüber. Frank Dievernich, Vorstandsvorsitzender der wettbewerbsausrichtenden Stiftung Polytechnische Gesellschaft: „Ohne Sprache ist kein Herz zu erreichen.“ Wie ein Fisch im Wasser schwimme der Mensch in der Sprache. Allein für solch schöne Sätze hat sich der ganze Wettbewerb doch schon gelohnt.
Suzanne Cadiou, einst Stadtteilbotschafterin der Polytechnischen, jetzt Lehrerin, liest das Diktat einfühlsam vor, droht aber auch mit harschen Konsequenzen. Wer beim Abschreiben erwischt wird, muss auf die Bühne – und neben dem Krokodil sitzen.
15 Fehler? Setzen
Dann die öffentliche Bekanntgabe der richtigen Schreibweisen. Nicht enden wollende Nervenzusammenbrüche vor allem auf der Saalseite der Schülerinnen und Schüler. Dann das öffentliche Gericht: Alle aufstehen – und wer in den 210 Diktatwörtern 15 Fehler oder mehr gemacht hat, wieder hinsetzen. Da bleiben bei den Eltern anfangs noch einige stehen, aber selbst bei den Lehrkräften gibt es manche, die schon bei 15 Fehlern wieder sitzen, natürlich unter dem Getöse der Schülerschaft, die ihrerseits fast geschlossen wieder Platz nimmt, als die 15 aufgerufen wird. „Ich dachte, ich wäre ganz gut“, sagt einer, „bis die Auflösung kam.“
Zoodirektorin Christina Geiger erläutert noch, dass der Satyrtragopan (ein Vogel übrigens) auf der zweiten Silbe betont wird, die Duden-Fachfrau Nicole Weiffen, warum genau man „gutgeheißen“ zusammenschreibt. Jan Cönig legt einen sensationellen Poetry-Slam hin, und dann das Resultat: Die Schülerinnen und Schüler haben im Durchschnitt 21,6 Fehler gemacht, die Eltern 12,5 und die Lehrkräfte 10,3.
Musterschule, Adorno, Gagern vorn
Die besten Einzelkönnerinnen und -könner sind: Lehrer Sebastian Gettler von der Musterschule (zwei Fehler, Gesamtsieger des Abends, Erfolgsrezept: „Gut trainiert“, Expertenrat: „Üben, üben, üben!“), bei den Eltern Simone Hock (Adorno-Gymnasium, vier Fehler) und als beste Schülerin Paula Burggraf, frenetisch gefeiert (Gagern-Gymnasium, neun Fehler).
Keine Medaille gab es für den außer Konkurrenz angetretenen FR-Reporter, der es aber in allen drei Gruppen locker aufs Podium geschafft hätte. Na gut, der kennt sich halt aus im Zoo.
