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Frankfurt: Digitale Entschwörungstheorie

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Von: Hanning Voigts

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Wirr ist das Volk: Verschwörungserzählungen sind gerade in Krisenzeiten so beliebt wie gefährlich. Foto: Michael Schick
Wirr ist das Volk: Verschwörungserzählungen sind gerade in Krisenzeiten so beliebt wie gefährlich. © Michael Schick

Die Bildungsstätte Anne Frank präsentiert mit „Matter of Fact“ eine neue Ausstellung gegen Verschwörungsdenken. Sie wollen dazu beitragen, wirre Theorien als Gefahr für die Demokratie ernstzunehmen.

Die Pandemie gibt es eigentlich gar nicht, das Corona-Virus stammt aus einem Labor, hinter allem stecken Bill Gates und George Soros, es droht eine globale Impfdiktatur: Zwei Jahre nach Beginn der Pandemie haben Erzählungen über eine geheime Verschwörung hinter dem Geschehen Hochkonjunktur. Und immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, wie gefährlich sie für eine demokratische Gesellschaft sind – nicht erst, seit radikalisierte Impfgegner:innen vor den Privathäusern von Politiker:innen aufmarschieren.

Um über die Funktionsweise von Verschwörungstheorien aufzuklären und ihnen etwas entgegenzusetzen, hat die Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank eine digitale Ausstellung über die Geschichte und Funktionsweise von Verschwörungserzählungen konzipiert, die zugleich auch die Frage aufwirft, wie man gegen diese Theorien vorgehen kann. Gearbeitet wird an der Ausstellung mit dem Titel „Matter of fact“ schon lange, ursprünglich sollte sie in physischer Form in der Bildungsstätte zu sehen sein. Letztlich entschieden die Macher:innen sich dazu, die Schau ins Netz zu verlagern – aus Gründen des Infektionsschutzes, aber auch, um eine breitere Öffentlichkeit erreichen zu können.

Man arbeite an dem Thema seit dem 20. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001, sagte Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte, bei der Vorstellung von „Matter of fact“. „Damals wussten wir nicht, dass es so aktuell wird.“ Mittlerweile sei klar, dass der Glaube an Verschwörungstheorien sich „durch alle gesellschaftlichen Schichten“ ziehe und auch zu Gewalt führen könne, so Mendel mit Verweis auf den Mord an einem Tankstellen-Mitarbeiter in Idar-Oberstein durch einen Maskengegner, aber auch auf die Manifeste der Attentäter von Halle und Hanau.

Die Ausstellung

Die Ausstellung „Matter of Fact“ mit allen Expert:innen-Interviews ist ab sofort im Netz zu sehen auf www.bsaf.info/matteroffact

Alle Informationen zu den begleitenden Veranstaltungen findet man ebenfalls auf der Webseite.

Man habe die Ausstellung erarbeitet, so Mendel, „weil wir an den Diskurs glauben und an den Austausch und an die Aufklärung, die damit verbunden ist“. Zum Schutz der Demokratie müsse wesentlich mehr zur Aufklärung über Verschwörungstheorien getan werden. Dabei seien auch Bund und Länder gefragt, die eine eigene nationale Aufklärungskampagne starten sollten, sagte Mendel.

„Matter of fact“ arbeite mit dem Grundsatz, dass bei Rassismus und Antisemitismus klare Grenzen gesetzt werden müssten, Anhänger:innen von Verschwörungsmythen aber nur zu erreichen seien, wenn man mit ihnen im Gespräch bleibe. „Es wäre gut, wenn wir mehr auf Diskurs setzen und weniger auf Ausschluss“, sagte Mendel. Die digitale Ausstellung, die sich primär an Erwachsene und dabei besonders an Lehrer:innen und Angehörige von Betroffenen richtet, ist in mehrere Kapitel gegliedert. Sie beleuchten etwa die Geschichte des Verschwörungsdenkens, rhetorische Muster ihrer Ideolog:innen oder die Psychologie hinter dem Verschwörungsglauben. Dazu gibt es jeweils Texte, Bilder und Videointerviews mit Expert:innen wie etwa der Publizistin Katharina Nocun oder der Sozialpsychologin Pia Lamberty.

Verschwörungsdenken und Impfskepsis seien schon im 19. Jahrhundert ein Problem gewesen, sagte Jadwiga Kamola, die Kuratorin der Schau. „Es ist keine einzigartige Situation, in der wir uns befinden.“ Wissen über derartige Mythen helfe, ihnen nicht auf den Leim zu gehen.

Zur Ausstellung gehört eine Veranstaltungsreihe, die am heutigen Dienstag startet. Ab 19 Uhr diskutieren digital etwa Stefan J. Kramer, Präsident des Verfassungsschutzes in Thüringen, und der Journalist Khesrau Berosz.

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