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Frankfurt: Digital fit für den Arbeitsmarkt

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Von: Judith Köneke

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Training im Verein zur beruflichen Förderung von Frauen. Monika Müller
Training im Verein zur beruflichen Förderung von Frauen. Monika Müller © Monika Müller

Ein Verein hat bereits 200 benachteiligte Frauen unterstützt und weitergebildet. Manche nachen hier ihre erste Erfahrungen mit dem Computer.

Von der Leinwand schauen drei Frauen in den Unterrichtsraum, zwei Frauen an ihren Laptops und Dozentin Jutta Johannis gucken zurück. So sieht digitales Lernen aus. Die Teilnehmerinnen absolvieren ihre Ausbildung, angeboten vom Verein zur beruflichen Förderung von Frauen (VbFF). Aysun Öztürk ist eine von ihnen und berichtet, sie sei mehr als zehn Jahre nicht in der Schule gewesen. Dabei hat die 30-Jährige bereits vor Jahren eine Ausbildung in der Gastronomie abgeschlossen, aber einen festen Arbeitgeber hatte sie noch nie. Außerdem seien die Arbeitszeiten mit der Betreuung ihres Sohnes nicht vereinbar.

Beim VbFF klappe die Ausbildung zur Bürokauffrau dank der Teilzeitausbildung, sagt Öztürk. Und sie hoffe natürlich, auch einen Job zu finden, in dem das genauso möglich sei. Die Teilnehmerinnen lernen Mathe, Deutsch und andere wichtige Skills, daneben werden sie für das digitale Arbeiten und Kommunizieren fit gemacht.

Mit dem Projekt Wandlung durch digitale Anpassung (Wanda) unterstützt der Verein, der in Sachsenhausen sitzt, seit zweieinhalb Jahren Frauen nachhaltig im Prozess der Digitalisierung. Rund 200 Teilnehmerinnen seien nun in dieser Hinsicht fitter aufgestellt, sagt Bereichsleiterin Tatjana Leichsering am Donnerstag. Nun endet das Projekt. Doch das bedeute natürlich nicht, dass auch die Arbeit aufhöre, betont Geschäftsführerin Kerstin Einecke. Das Feld werde weiter ausgebaut.

Bereits vor Corona erarbeitete der VbFF Möglichkeiten für digitalen Unterricht, Module und Lernplattformen und half beim Equipment aus. Auch dafür wurden die Mitarbeiterinnen geschult; sie setzten sich mit der Technik auseinander und lernten, Geräte zu bedienen. Wegen Corona musste dann alles viel schneller umgesetzt werden als gedacht.

„Frauen verfügen aktuell noch über geringere digitale Kompetenzen als Männer“, sagt Einecke. Diese sogenannte Digital Gender Gap belegten mehrere Studien. Vor allem Frauen in schwierigeren Lebenssituationen fänden deutlich schwerer Zugang zu digitaler Bildung. Und dabei seien digitale Kompetenzen so wichtig auf dem Arbeitsmarkt, aber auch im Alltag, sagt Susanne Herold, die die Digitalisierung im Verein maßgeblich mitgestaltete. Sei es, um Verträge abzuschließen, Bahntickets zu kaufen oder mit dem Jobcenter zu kommunizieren.

Berufliche Chancen

Der Verein zur beruflichen Förderung von Frauen (VbFF) verfolgt seit 1978 das Ziel, die Chancen von Mädchen und Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Rund 50 Mitarbeiterinnen arbeiten hier.

Die Einrichtung unterstützt in der Berufsvorbereitung, gibt persönliche Beratung, bietet (Teilzeit-)Ausbildung bis hin zum Wiedereinstieg in den Beruf an. Hauptzielgruppe sind Frauen mit Migrationshintergrund und (alleinerziehende) Mütter.

Das Projekt Wanda wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Hessen gefördert, kofinanziert hat es die Vinci-Stiftung. Wanda begann im März 2020 und endet nun Ende Juni.

Informationen über den Verein, der in der Walter-Kolb-Straße 1-7 sitzt, gibt es unter vbff-ffm.de, 069/795 09 90.

Bei der Arbeit wurde je nach Vorkenntnissen unterschieden. Es gab sehr niedrigschwellige Angebote, aber auch für Fortgeschrittene wurde gelehrt. Und man habe auf die jeweiligen Voraussetzungen der Frauen achten müssen, berichtet Leichsering. Einige hätten zu Hause gar kein Internet, andere keinen Laptop. Oder nur einen Computer in der Familie, den auch die Kinder fürs Homeschooling oder der Mann im Homeoffice brauchen.

Das erschwere selbstverständlich den digitalen Unterricht. Teilweise seien die Aufgaben dann per Post geschickt worden oder man habe sich mit dem Telefon beholfen. „Hier konnten wir dann mit Leihlaptops aushelfen“, sagt Leichsering. Der Verein versuche nun, auch Internetsticks zu bekommen, damit alle Frauen online gehen könnten. Zahlreichen Frauen fehlten Basics, die man im Job benötige. „Viele kennen sich mit dem Smartphone aus, nicht aber mit dem Laptop.“

So geht es auch Aysun Öztürk. „Ich besitze gar keinen Laptop und kann mir ihn auch nicht leisten.“ Deshalb bekam sie ebenfalls ein Leihgerät des Vereins. Jetzt lerne sie gemeinsam mit den anderen Auszubildenden, wie sie online bei einem Bewerbungsgespräch punkten könne, wie sie überhaupt an einer Videokonferenz teilnehme, vor der Kamera sicher auftrete, den Hintergrund einstelle, erklärt Dozentin Jutta Johannis.

Hier sei auch die Hemmschwelle geringer als zu Hause, Fragen zu stellen, selbst wenn sich etwa der Sohn auskenne. Je nachdem, ob Kinder betreut werden, aber auch um beide Seiten zu erfahren, wechseln die Frauen sich ab, wer daheim und wer im Klassenraum ist.

„Corona hat verdeutlicht, wie wichtig digitale Kenntnisse für alle Berufe sind“, betont Einecke. Der Verein habe das Projekt so genutzt, dass sie für die Zukunft gut aufgestellt seien. Inzwischen seien die digitalen Inhalte und virtuellen Formate im regulären Angebot des Vereins etabliert. Im Unterricht und der Beratung.

Die städtische Dezernentin für Digitalisierung, Eileen O‘ Sullivan (Volt), hat dem Verein ebenfalls einen Besuch abgestattet und ist begeistert von dessen Arbeit. „Hier liegt viel Potenzial.“ Sie schlägt vor, dass sich der VbFF mit der Stadt vernetze. Zum einen könne diese vielleicht etwas lernen, zum anderen biete sie schließlich auch Jobs an.

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