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Frankfurt: „Die Tierliebe sollte ein Tierleben lang halten“

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Von: Thomas Stillbauer

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Seit 35 Jahren kümmert sich Simone Faust im Tierheim um ihre Schützlinge, besonders Katzen.
Seit 35 Jahren kümmert sich Simone Faust im Tierheim um ihre Schützlinge, besonders Katzen. © Rolf Oeser

Menschen wollen ihre kleinen Corona-Gefährten wieder loswerden – und das Tierheim muss die Folgen ausbaden, sagt die stellvertretende Leiterin Simone Faust im Interview.

Aufnahmestopp im Tierheim, hieß es jüngst auf dem Boulevard, das Quartier des Frankfurter Tierschutzvereins platze aus allen Nähten. Gar so dramatisch sei es nicht, sagt Simone Faust, die stellvertretende Tierheimleiterin. Für Fundtiere und „Soziale“, also Tiere, die etwa wegen Krankheit oder Tod ihrer Besitzer:innen obdachlos werden, sei noch Platz. Andere, die ein Tier abgeben wollen, kommen auf eine Warteliste.

Frau Faust, müssen Sie Tiere in Ihrem Büro unterbringen?

Nein, ich habe ja mein Büro in der Küche. (lacht) Frau Urbainsky, die Tierheimleiterin, hat in ihrem Büro jetzt viele Aquarien und Terrarien mit Reptilien, weil sonst kein Platz mehr war.

Von einer zwei Meter langen Madagaskar-Boa im Büro der Chefin war zu lesen. Wie geht es ihr?

Der Boa geht’s gut, das dicke Ding kommt zurecht.

Die Versorgung der Tiere ist also noch gewährleistet?

Klar. Alle artgerecht unterzubringen, ist für uns das Wichtigste.

Mit den Arbeitskräften sind Sie am Limit. Wie schlimm ist es ?

Es ging im Herbst los. Zuerst sehr viele Kleintiere, von denen einige auch ausgesetzt worden waren. Die allerersten waren zwölf ausgesetzte Meerschweinchen. Dann ging es weiter mit Kaninchen, mit vielen Katzen. Hunde auch. Sehr viele Anfragen von außerhalb Frankfurts. Besitzer, die mit den Hunden nicht mehr klarkamen, Probleme mit den Tieren bekamen und sie nicht mehr behalten wollten.

Wie erklären Sie sich, dass so viele Tiere in einem kurzen Zeitraum abgegeben wurden?

Es hängt mit Corona zusammen. Da haben viele Menschen sich ein Tier angeschafft, als sie plötzlich zu Hause waren, einsam waren, keinen Besuch mehr hatten.

Und dann mit dem Tier nicht zurechtkamen?

Manche haben sich einfach nicht schlaugemacht. Die finden es süß, sich ein Katzenbaby zu holen für zu Hause, aber auch das Katzenbaby hat seine Ansprüche, wird halbstark, kommt ins Flegelalter. Und es ist eben nicht artgerecht, so ein junges Tier allein in der Wohnung zu halten. Wir vermitteln Jungtiere für die Wohnung generell zu zweit, damit die sich miteinander beschäftigen können. Auch Kaninchen sind keine Einzeltiere – die können aggressiv werden, wenn sie sich langweilen. Und dann gibt es Familien, die sich für eine Hunderasse entscheiden, die gar nicht zu ihrem Alltag passt.

Wer hilft Ihnen?

Wir haben, ganz lieb, von anderen Tierschutzvereinen Unterstützung bekommen, gerade bei den Kleintieren, was super ist. Wir tauschen uns regelmäßig mit den Tierheimen aus. Und wir haben auch viel Nachfrage.

Es gehen auch Tiere raus?

Es ist nicht so, dass wir nur überschwemmt werden, es gehen auch Tiere raus. Weil wir wegen Corona ja keinen offenen Zugang mehr haben, schicken die Interessenten unheimlich viele E-Mails. Die beantworten wir und machen Termine mit den Leuten. Bei der Gelegenheit, wenn du mit Interessenten redest, kannst du auch viel Aufklärungsarbeit leisten. Es sind halt immer wieder welche dabei, die sagen: Wir sind jetzt im Homeoffice, aber wir wissen nicht, was danach wird. Das geht natürlich nicht.

Wie viele Tiere haben Sie zurzeit?

500 bis 600. Das ist unsere Obergrenze. Es ist schon enorm voll, gerade bei den Kleintieren.

Ihr Vorsitzender Michael Hallstein war im Ortsbeirat, um die Lage zu schildern, auch bauliche Mängel. Gibt es nun Unterstützung, über den jährlichen Zuschuss hinaus, von der Stadt?

Das hoffen wir. Die Situation ist bekannt, wir haben große Bereiche voll mit Terrarien und Aquarien. Es war zuletzt extrem, dass die Leute sich Exoten von den Reptilienbörsen geholt haben. Wahnsinn. Die Tiere werden größer, brauchen viel Wärme, die steigenden Strompreise tun ihr Übriges. Und dann ist das Interesse ganz schnell erloschen.

Ihr Wunsch an die tierliebe Bevölkerung?

Einfach darüber nachdenken, was es für eine Verantwortung ist, ein Tier zu halten. Dass die Tierliebe nicht ein halbes Jahr hält, sondern ein Tierleben lang. Dass man daran denkt, was wird.

Interview: Thomas Stillbauer

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