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Frankfurt: Die Schrecken der Inflation

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Von: Andreas Hartmann

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Kurator Frank Berger in der neuen Ausstellung über die Inflation von 1923.
Kurator Frank Berger in der neuen Ausstellung über die Inflation von 1923. © boeckheler.com

Krieg, Geld, Trauma: Das Historische Museum Frankfurt zeigt eine deutschlandweit einzigartige Ausstellung zur Inflation von 1923 - und spart auch die aktuelle Geldentwertung nicht aus

Aktuell wird in der Politik mit gewaltigen Summen jongliert, es geht um Zuschüsse, Unterstützungszahlungen, Investitionen, Defizite oder Sondervermögen in Höhe von zig Milliarden – an astronomische Zahlen hat man sich mittlerweile gewöhnt. Aber eine Billion Mark? Das ist so viel, dass es für uns schon unfassbar scheint: 1 000 000000 000 – eine Eins mit zwölf Nullen! Ein 100 Jahre alter Geldschein in dieser Höhe, trotzdem praktisch wertlos, ist in der heute eröffnenden Ausstellung „Inflation 1923. Krieg, Geld, Trauma“ zu sehen.

Mit der Schau treffen Kurator Frank Berger und Co-Kuratorin Nathalie Angersbach ganz offensichtlich einen Nerv. Bei der Vorstellung der Exponate im Historischen Museum am Vortag ist das Medieninteresse groß, selbst die „Tagesschau“ dreht für einen Beitrag in den Abendnachrichten.

Vor genau 100 Jahren, vom Frühjahr bis zum Herbst 1923, erschütterte als Folge des Weltkriegs eine katastrophale Geldentwertung die junge Weimarer Republik. Offenbar ist das Historische Museum die einzige Institution deutschlandweit, die sich des umfassenden Themas aktuell angenommen hat, wie Museumsdirektor Jan Gerchow sagt.

Als Berger, als Kurator für die riesige numismatische Sammlung des Museums zuständig, 2019 mit den Planungen begann, da dachte kaum jemand an Inflation und Geldentwertung, im Gegenteil. „Damals hatte man eher Angst vor einer Deflation und ihrer Auswirkung auf die Wirtschaft“, sagt Gerchow.

Die Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt

„Inflation 1923. Krieg, Geld, Trauma“ ist bis zum 10. September im Historischen Museum am Frankfurter Römerberg zu sehen, dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt in die Sonderausstellung kostet 10 Euro (mit Dauersammlung 12 Euro).

Begleitend gibt es mehrere wissenschaftliche Vorträge zum Thema Inflation, der erste zur Hyperinflation 1923 ist am Dienstag, 9. Mai, 18.30 Uhr von Sebastian Teupe, Uni Bayreuth).

Der langjährige Kurator Frank Berger, dessen letzte Ausstellung dies sein wird, und Co-Kuratorin Nathalie Angerbach führen auch selbst durch die Schau, Angerbach am 7. Mai, 11.30 Uhr, am 16. Juli um 15 Uhr und am 3. September um 12 Uhr, Berger am 7. Mai um 15 Uhr und am 12. Mai um 16 Uhr. Anmelden kann man sich beim Besucherservice unter Tel. 069/21235154. Das ausführliche Programm ist auch zu finden unter www.historisches-museum-frankfurt.de. aph

Ob aber tatsächlich kaum noch jemand die „große Inflation“ von damals mit der aktuell hohen (aber angesichts einer Geldentwertung von rund acht Prozent im Vergleich zu knapp 30 000 (!) Prozent Inflationsrate im Oktober 1923 immer noch sehr moderaten) Teuerung in Verbindung bringt, wie Gerchow meint? Die Bilder davon – Waschkörbe voller Geld, bündelweise Milliarden-Mark-Scheine, erschütternde Fotografien von verzweifelten Sparerinnen und Sparern – haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben.

Berger und Angersbach ist dabei trotz des abstrakten Themas eine herausragende Ausstellung mit faszinierenden Exponaten gelungen, etwa das mit wertlosen Millionen-Mark-Scheinen besetzte Narrenkleid einer Hanauer Fastnachterin aus der Saison 1923/24, die sich als „Inflation“ verkleidet hatte.

Fast zeitgleich zum Beginn der Fastnacht im November 1923 war es der Reichsregierung gelungen, eine neue Währung, die Rentenmark, einzuführen, und praktisch ebenfalls gleichzeitig scheiterte in München der Hitlerputsch – zehn Jahre später begann die NS-Herrschaft. Die endete mit einer Katastrophe, der nächsten Geldentwertung und der Währungsreform.

Schließlich greift die Ausstellung auch die Währungsunion mit der DDR, die Einführung des Euro mit all den damit verbundenen Ängsten, und die aktuelle Besorgnis wegen der anhaltenden Teuerung auf. Allein schon die Galerie apokalyptischer „Spiegel“-Titelbilder dazu ist unbedingt sehenswert.

Geld war 1923 nur noch so wenig wert, dass man es waschkörbeweise ausgeben musste und dafür fast nichts bekam.
Geld war 1923 nur noch so wenig wert, dass man es waschkörbeweise ausgeben musste und dafür fast nichts bekam. © boeckheler.com

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