Frankfurt: Denkmalpflege findet Ledertapeten und Bahnhofskacheln

Das Denkmalamt präsentiert erstaunliche historische Funde aus dem vergangenen Jahr. Mehrzweckbau in der Nordweststatt als Denkmal des Jahres ausgezeichnet.
Es ist wirklich erstaunlich, was in Frankfurt noch immer an historischen Überresten ausgegraben wird, auch im Jahr 2022. Da ging schon ein kurzes Raunen durch den gut gefüllten Großen Saal der Evangelischen Akademie, als Andrea Hampel am Donnerstagabend auf einem Foto präsentierte, was die Denkmalpflege bei der Sanierung des Bolongaropalasts so alles gefunden hat. Neben vielen farbigen Scherben auch ein Stück Wandschmuck, den die Leiterin des Denkmalamts als „wirklich seltenes Fundstück“ einstufte: Eine hochwertig bemalte barocke Ledertapete aus dem 18. Jahrhundert. „Wir Archäologen werden oft mit Schlamm in Verbindung gebracht, aber wir finden auch solche Sachen“, freute sie sich.
Präsentiert wurden die schönsten Fundstücke des vergangenen Jahres. Dass es auch anno 2022 noch so viele historische Funde gibt, wundert die Konservatorin nicht, angesichts von jährlich rund 4000 Baustellen in Frankfurt, auf denen gebuddelt und gebaggert wird. Die Funde sehen für Laien auf Fotos zunächst meist unspektakulär aus, entpuppen sich unter der Anleitung der Fachfrau aber als bronzezeitliches Urnengrab in Nieder-Eschbach, das auf das Jahr 1200 v. Chr. datiert wird, ein bisher unbekanntes römisches Lager auf dem Schönhofgelände in Bockenheim oder römische Gräber im Nieder Kirchweg. „Die Römer waren überall in Frankfurt“, entfährt es Hampel ohne jeden Vorwurf.
Als denkmalpflegerische Großbaustelle gilt dabei noch immer die Römerstadt, wie der Name schon verrät. Zu den zwölf bekannten Militärlagern sei im vergangenen Jahr noch ein weiteres dazu gekommen. Dazu konnten 21 Gräber dokumentiert werden, darunter auch ein römisches Brandgrab mit Beigaben. Die Überreste in der Römerstadt sind so reichhaltig, dass sie auch Privatleuten in die Hände fallen. Dabei muss manchmal nicht mal gegraben werden. So staunte das Denkmalamt nicht schlecht, als eine Privatperson nach dem heimischen Ausmisten eine ganze Kofferraumladung voller Fundstücke aus den 60er Jahren übergab. Die Freude bei den Fachleuten war dennoch etwas getrübt, denn nebst römischen Funden habe die Person auch viel „Gerümpel“ übergeben, verriet Hampel und nannte die Übergabe denkmalpflegerisch „ein Desaster“.
Aus der Seilerstraße meldete sich jemand und gab an, er habe in seinem Haus wohl ein Stück Stadtmauer entdeckt. Die anfängliche Skepsis des Amts wich nach einem Laserscan. Auf der Südseite der Seilerstraße ist tatsächlich ein Stück der mittelalterlichen Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert erhalten. Das Denkmalamt freut sich aber auch über neuzeitliche Funde. So waren bei Ausgrabungen in der unweit der Seilerstraße gelegenen Allerheiligenstraße historische Keller einer Brauerei gefunden worden, die dort Mitte des 19. Jahrhunderts ansässig war.
Im zweiten Teil des Jahresrückblicks gab Hampels Kollege Marco Popp einen Überblick über die im vergangenen Jahr fertig restaurierten historischen Gebäude. Als Denkmal des Jahres war dabei zuvor schon das Tassilo-Sittmann-Haus in der Nordweststadt ausgezeichnet worden. In dem ehemaligen Kirchenbau im Gerhart-Hauptmann-Ring gibt es mittlerweile eine Kita, ein Bürgercafé und weitere Räume, die von der Nachbarschaft genutzt werden können. Es gibt sicherlich stattlichere historische Bauten in Frankfurt, aber bei dem gekürten Gebäude, das jahrelang leerstand und in dem es gleich mehrfach gebrannt hat, gab wohl der große Vorher-Nachher-Effekt den Ausschlag, wie Hampel verriet: „Es war zu Beginn der Sanierung ein Drama.“
Bei anderen Gebäuden gab es vielleicht weniger Arbeit, dafür aber durchaus auch werthaltige, wie etwa auf dem Höchster Schloßplatz 14, wo ein barockes Fenster aus dem späten 17. Jahrhundert mit historischer Bleiverglasung restauriert werden konnte. Ohnehin ist Höchst mit seiner großen historischen Bausubstanz ein Schwerpunktgebiet des Frankfurter Denkmalamts, wie Denkmalpfleger Popp betonte. Nicht nur wegen des Bolongaropalasts, der Bolongarostraße oder dem Neuen Schloss, sondern auch wegen weiterer Schmuckstücke wie etwa dem ebenfalls sanierten Höchster Markt 3. Auch die Villa Henninger im Wendelsweg, ein Gründerzeithaus in der Wilhelm-Leuschner-Straße, das Haus Große Bockenheimer Straße 31 und eine große Villa in der Arndtstraße wurden behutsam und liebevoll restauriert.
Kleinode gibt es in ganz Frankfurt, auch dort wo man sie vielleicht gar nicht vermutet. Im völlig verrotteten Ostbahnhof gelang es, ein Wandmosaik der Künstlerin Lina von Schauroth in der ehemaligen Bahnhofsgaststätte aus dem Jahr 1961 zu konservieren und für die Zeit nach dem Umbau zu erhalten. Nicht weit entfernt am Osthafenplatz gibt es jetzt einen ganz besonderen Brunnen zu bestaunen. Eine Pferdetränke aus dem Jahr 1912. „Das ist einmalig im Stadtgebiet“, freute sich Popp. Die Wiederinbetriebnahme dieser „Kostbarkeit“ sei für dieses Frühjahr vorgesehen.

