1. Startseite
  2. Frankfurt

Frankfurt: Den „Fecher“ vom Müll befreien

Erstellt:

Von: Florian Leclerc

Kommentare

Die Barrikaden sollen in Erinnerung an die Waldbesetzung von September 2021 bis Januar 2023 stehen bleiben.
Die Barrikaden sollen in Erinnerung an die Waldbesetzung von September 2021 bis Januar 2023 stehen bleiben. © Rolf Oeser

Aktivistinnen und Aktivisten haben am Samstag die Reste der Baumhäuser aus dem Fechenheimer Wald geräumt. Dabei kam einiges zusammen.

Angelika Seidler steht am Samstagmorgen um halb elf Uhr am Bauwagen der Waldaktivist:innen nahe der Station Kruppstraße. Handschuhe und Müllsäcke, die die Stadtreinigung FFR mitgebracht hat, liegen auf einer Bank. Drei Menschen, die gerade ankommen, bedienen sich und ziehen weiter in den Wald, wo schon etwa ein Dutzend Menschen am Aufräumen sind.

Angelika Seidler von „Sundays for Fecher“, der ehemalige AG Waldspaziergang, bleibt erstmal am Baucontainer. „Ich räume jetzt hier auf“, sagt sie, während sie im Innenraum steht. Der Bollerofen ist noch da, zahlreiche Bücher, Infomaterial und Flyer. Aber auch viel Zeug, das niemand braucht. „In der Hektik bei der Räumung wurde das hier vergessen“, sagt sie.

Weil der Baucontainer ein Infozentrum werden soll, das über Flora, Fauna und den Autobahnbau informiert, macht sie ihn sauber. Es gibt auch einen anderen Grund, warum sie zunächst am Bauwagen bleibt. „Nach der Rodung konnte ich einfach noch nicht in den Wald zurück.“

Diese Seile sicherten einst Baumhäusern.
Diese Seile sicherten einst Baumhäusern. © Rolf Oeser

Durch den Fechenheimer Wald ziehen sich seit Januar zwei Schneisen, von einem Zaun umgrenzt. Die Autobahn-GmbH des Bundes hat vom 18. bis 20. Januar zahlreiche Bäume für zwei Baustraßen fällen lassen. Eine kleine Insel inmitten der Baustraßen, wo der geschützte Heldbock-Käfer vermutet wird, blieb zunächst stehen.

Waldbrände durch Gleisscheiben?

„Es ist traurig“, sagt Willi Loose vom Aktionsbündnis unmenschliche Autobahn. Er blickt auf die Baumstümpfe neben den Schotterstraßen. Er hat die Aufräumaktion koordiniert, die von morgens 9 Uhr bis nachmittags 2.30 Uhr dauert. Etwa 20 Menschen helfen mit. Der Müll füllt fünf FFR-Transporter.

Mehr als ein Dutzend Menschen räumen vormittags die Reste von einem Baumhaus weg. Die Polizei ließ das Baumhaus im Januar aus etwa zehn Metern Höhe herunterkrachen. Im Auftrag der Autobahn-GmbH wurde dann grob der „Sperrmüll“ entfernt. Aber eben nicht alles. Loose hält eine Art Plattform fest, wo mehrere Bretter vernagelt worden sind. Mit Muskelkraft zerren die Aktivist:innen das Konstrukt auseinander, tragen es zu den Müllwagen der FFR.

Nach der Räumung hat die Autobahn-GmbH Reste von Baumhäusern wegbringen lassen, aber längst nicht alle.
Nach der Räumung hat die Autobahn-GmbH Reste von Baumhäusern wegbringen lassen, aber längst nicht alle. © Rolf Oeser

Die FFR hilft am Samstag mit vier Mitarbeitern beim Aufräumen. Was die Aktivist:innen vorbeibringen, werfen die Mitarbeiter auf die Ladeflächen der Wagen. Sperrholz, Radkappen, Glasscherben sind dabei.

Eine junge Frau, die Handschuhe trägt, wühlt im Laub nach Scherben. Es sind die Reste der Fensterscheiben, die in dem Baumhaus waren. Damit im Sommer kein Waldbrand ausbricht? Die Frage beantwortet Simone Kühn vom Aktionsbündnis unmenschliche Autobahn. Dass Waldbrände durch Glasscheiben entstünden, werde zwar oft kolportiert. Es stimme aber nicht.

Tatsächlich: Der Deutsche Wetterdienst hat schon 2006 ein Experiment mit Glasscheiben gemacht. Er brachte Flaschenböden in 20 bis 30 Zentimeter Höhe an Halterungen an, in einem perfekten Winkel zur Sonne. Das gebündelte Licht traf auf trockene Fichtennadeln, Kiefernnadeln und Buchenlaub. Aber nichts brannte. Anders wäre das gewesen mit einer Lupe, Zigarettenglut, Grillfeuer oder dem heißen Unterbau eines Wagens.

Käfersuche

Die Autobahn-GmbH lässt von April an im Fechenheimer Wald in Frankfurt nach den Käferarten Eremit und Hirschkäfer suchen. Von Mai an sucht ein Spürhund nach dem Heldbock. Das Gutachten über das Vorkommen der Käfer soll im Herbst vorliegen. Es wird mit der Oberen Naturschutzbehörde und der Planfeststellungsbehörde, dem Hessischen Wirtschaftsministerium, abgestimmt.

Im Gutachten will die Autobahn-GmbH eine „artenschutzrechtliche Ausnahme“ erarbeiten lassen. Grundlage ist das Bundesnaturschutzgesetz, Paragraph 45, Absatz 7. Es schränkt den Schutz von geschützten Tier- und Pflanzenarten ein, unter anderem aus „anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art“.

Der Riederwaldtunnel mit sechsspurigen Ausbau der A66 im Riederwald zur A661 soll bis 2031 fertig sein. fle

„Uns tun die Tiere leid“, sagt die junge Frau, die die Scherben in einen Schubkarren räumt. Die Polizei hätte die Baumhäuser auch sanfter herunterlassen können, meint sie. Der Einsatz im Januar mit 1800 Polizist:innen sei völlig übertrieben gewesen, sagt Friedhelm Ardelt-Theeck vom Aktionsbündnis. „Das war eine reine Machtdemonstration.“

Monika Peukert vom Aktionsbündnis hat einen Korb mit Erde dabei. Darin liegen keimende Eicheln. „Die nehmen wir mit und vielleicht ziehen wir daraus neue Bäume“, sagt sie. Eine Pflanze, die frisch aus dem Boden sprießt, erkennt die Biologin sofort. „Ein Feldahorn mit kleinen Keimblättern.“ Sie habe auch schon Ahornstab grünen gesehen.

Die Natur, sie kommt im Frühjahr mit aller Kraft zurück. Forsythien blühen schon gelb, Kirschen rosarot. Auch der Fechenheimer Wald, der viele Arten beheimatet, wird sich in den nächsten Wochen stark verändern.

FRR-Mitarbeiter packen mit an.
FRR-Mitarbeiter packen mit an. © Rolf Oeser

Im Sommer werden voraussichtlich wieder Heldbock-Käfer unterwegs sein. Die geschützte Art wurde im vergangenen Sommer entdeckt. In diesem Jahr setzt die Autobahn-GmbH einen Spürhund ein, um die Käfer zu finden. Falls eine Population ausfindig gemacht wird, will die Autobahn-GmbH im Wald eine Ausgleichsfläche anlegen lassen. Dort sollen voraussichtlich Eichen von der noch ungerodeten Insel hinkommen.

Polizei lässt Einwegflaschen liegen

Aus Sicht von Willi Loose ist das grundverkehrt. Die Heldbock-Käfer entwickelten sich vom Ei über die Larve zum Käfer über drei bis fünf Jahre. So lange behalte ein Baum, wenn er einmal gefällt ist, keinen Saft. „Wenn überhaupt, werden nur die Larven überleben, die schon einige Jahre alt sind“, glaubt er. Am Mittwoch hat er, nachdem er Wochen darauf wartete, einen Termin zur Besichtigung der Rodungsfläche bekommen. Dann will er die Baumstümpfe vermessen und die übrig gebliebenen Bäume zählen.

Christine Börstler vom Aktionsbündnis und „Sundays for Fecher“ hat in der Zwischenzeit den Waldweg entlang der Borsigallee aufgeräumt. „Was da für ein Müll herumlag!“, sagt sie. Viel mehr als das, was hier im Wald liege. Das komme von Menschen, die dort spazieren gingen oder ihre Sachen aus dem Auto werfen würden, glaubt sie. Die Waldbesetzer:innen hätten ihren Müll regelmäßig aus dem Wald gebracht.

Was beim Aufräumen immer wieder auftaucht, sind Plastikflaschen. Keine Pfandflaschen, sondern Einwegflaschen der Marke „Julimond“. „Das sind die Flaschen, die die Polizei während ihres Einsatzes bekommen hat“, weiß Angelika Seidler. „Wir sammeln sie. Und dann bringen wir sie der Polizei wieder zurück.“

Auch interessant

Kommentare