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Shop für Apfelweinkultur eröffnet: Den Bembel neu entdecken

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Von: George Grodensky

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Jürgen Schreiter und Mirja Burkard freuen sich auf die Eröffnung des neuen Bembel Shops am Römer.
Jürgen Schreiter und Mirja Burkard freuen sich auf die Eröffnung des neuen Bembel Shops am Römer. © christoph boeckheler*

Jürgen Schreiter eröffnet einen Showroom am Römer. Neben Tonkrügen gibt es Dippe, Klamotten und Stöffche.

Tradition ist so eine Sache. Man kann an ihr ersticken, an den immergleichen Regeln und Konventionen. Man kann sie aber auch umarmen und auflockern, etwas daraus machen, das gleichermaßen Wurzeln wie Flügel hat. Jürgen Schreiter kennt sich damit aus. Der gelernte Grafiker bereichert die Stadt schon lange mit aufgepeppter Tradition rund um die Apfelweinkultur. Am heutigen Freitag (und morgigen Samstag) eröffnet er im Herzen der Stadt, am Römerberg, einen Bembel Shop. Ein Ableger seines Geschäfts am Industriehof in bester Lage, ein Showroom.

Bembel, das sind Tonkrüge für Apfelwein, kennt man ja. Heinz Schenk hat die im Blauen Bock immer verschenkt. Aber der eigenen Verwandtschaft mitbringen? Immerhin gibt es moderne Variationen. Schreiter bietet etwa eine Rosa-Kollektion und deren Steigerung, die Diva-Kollektion. Die ist rosa mit Krone. Als Gegenstück gibt’s den Echten-Kerle-Bembel. Der ist schwarz mit schwarzem Totenkopf drauf.

Schreiter hat auch mehr als Krüge im Laden. Es ist ein Fest für Dippe-Gucker. Es gibt Senfdippe, Grüne-Soße-Dippe, Handkäsdippe, Butterdosen, einfach „alles, was man töpfern kann“, sagt Schreiter: Eierbecher, Bierkrüge, Weinkühler, Beetstecker. „Die sind fürs Apfelweinbeet“, scherzt Mitarbeiterin Mirja Burkard. Und dann noch Spezialitäten, „die es nicht in jedem Supermarkt gibt“, wie Schreiter sagt. Alle möglichen Craft-Cider etwa, Apfelseccos, Schnäpse. In einer Ecke ist der „Shop im Shop“, wie Burkard sagt. Dort bietet Michaela Vay ihre Kreationen im Bembel-Stil an. Unter dem Label „Heart of Main“ vertreibt sie Bembel-Batik, also Hemden oder Blusen, Hosen, Kimonos, Kissen, Tücher im Steinzeug-Muster.

Der irische Bembel mit St.-Patricks-Day-Beschriftung zeugt von Schreiters Aufgeschlossenheit anderen Kulturen gegenüber. Immerhin hat der Anfang der 90er den Slogan „United Colors of Bembeltown“ geprägt. Frankfurt ist offen für alle Menschen, egal welcher Herkunft oder Hautfarbe, sollte der signalisieren. Ein italienischer Textilhersteller untersagte den Einsatz aber wegen zu großer Ähnlichkeit zum eigenen Claim. Ein paar Jahre später hat Schreiter den Slogan noch einmal genutzt, diesmal zur Hälfte verfremdet und so ohne Copyright-Verletzung. „Ich provoziere schon ganz gerne Mal“, feixt er. Den Claim „United Condoms of Bembeltown“ samt buntem Gummi-Motiv hat er seinerzeit der Aidshilfe zur Verfügung gestellt.

Halb Krug, halb Kanne

Ein Bembel ist eine dickbauchige Kanne aus Westerwälder Steinzeug. Vor allem in südhessischen Gaststätten fließt Apfelwein daraus. Traditionell werden Bembel im Westerwald im Kannenbäckerland in Handarbeit hergestellt. Sie haben eine Salzglasur in grauer Farbe, zumeist mit blauen Mustern, gewisse Unregelmäßigkeiten in Form und Glasur sind gewollt, sie sind Zeichen der Handwerkskunst.

Entwickelt hat sich das dickbauchige Gefäß aus der Frankfurter Kanne, einem traditionellen Gefäß in Weinwirtschaften, und aus dem klassischen Krug. Vom Krug hat der Bembel seine dickbauchige Form übernommen, von der Frankfurter Kanne die Halsform, den Ausguss und den Henkel. Der Übergang von Bauch zu Hals ist sanft, damit der Inhalt beim Gießen nicht so nachschwappt.

Ihren Namen erhielt die Kanne, weil sie im Lokal oder zu Hause am Haken baumelt, also bembelt, wie Hessen so sagen. So wie ein Glockenklöppel in der Glocke bembelt.

Bemalt werden Bembel mit stilisierten Apfelzweigen oder Kränzen. Es gibt aber auch Bembel mit den Namen von Keltereien oder Apfelweinlokalen. Oder von Eintracht Frankfurt. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. sky

Die Frankfurter Traditionstöpferei Bembel Maurer bietet handgefertigte Kannenkrüge in vielen Größen und mit verschiedenen Motiven und Glasuren. Alt-Sachsenhausen, Wallstraße 5. Mo. bis Fr. 10-18 Uhr, Sa. 10 bis 13 Uhr. www.keramik-maurer.de

Gleich fünf Läden unterhält der Hessen Shop in Frankfurt. Dort gibt es Krüge ebenso wie Bembel-Hawaiihemden und Socken. Berger Straße 148, Telefon 069 / 480 053 55, Mo-Freitag 10-19 Uhr, Samstag 10-18 Uhr; Leipziger Straße 49, Bockenheim, Telefon 069 / 913 181 49, Mo-Freitag 10-19 Uhr, Samstag 10-18 Uhr; Sachsenhausen, Diesterwegstraße 22, Telefon 069 / 962 331 10, Montag Ruhetag, Dienstag -Donnerstag 10-14.30 Uhr und 15.30 -19 Uhr, Samstag 10-16 Uhr; Kleinmarkthalle, An der Kleinmarkthalle (Eingang Liebfrauenberg), Telefon 069 / 219 379 50, Montag Ruhetag, Dienstag-Freitag 10-18 Uhr, Samstag 10-16 Uhr; Rödelheim, Lorscher Straße 7, Telefon 069 / 707 764 9, Montag-Freitag 10-18.30 Uhr, Samstag 10-14 Uhr. www.hessen-shop.com

Die Bembel Liebe betreibt Daniel Hendrich am Sandweg 105, Nordend. Zu finden dort: Krüge, „Klamodde, Hessen Gedöns“. Geöffnet Mo. und Mi., 10 bis 13.00 Uhr, Do., 10 bis 17 Uhr, Sa., 10 bis 14 Uhr. Telefon: 069 / 241 410 01.

www.bembelliebe.de

Lokalkolorit , also Bembel und Wasserhäuschenquartett gibt’s auch bei Meder in Bornheim, Berger Straße 198, Telefon 069 / 459 832. Montag bis Freitag: 10 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 17 Uhr.

www.meder-frankfurt.de

Bei Bembel Lampe an der Großen Rittergasse 112 in Sachsenhausen gibt es Lampen, Ohrringe, Schlüsselanhänger, alles aus Bembeln. Oder in Bembel-Anmutung. Telefon: 0177 / 762 359 9. www.bembel-lampe.de

Fremde Kulturen möchte Schreiter auch im Urlaub erkunden. Eine Mallorca-Pauschalreise wäre nichts für ihn. So sehr reizt ihn „das Ursprüngliche“, dass er vor einiger Zeit seinen Grafiker-Beruf an den Nagel hängte und Abenteuerreisen organisierte. „Bevorzugt in Regionen, in die keiner freiwillig reist“, sagt er und gluckst. Also Zentralasien, unbekannte ehemalige Sowjetrepubliken, auch Russland und die Ukraine. Nur ist seine Frau nicht so begeistert davon gewesen, dass er 100 bis 130 Tage im Jahr unterwegs gewesen sei. Ihr zuliebe habe er vor etwa sechs Jahren das Geschäft mit dem modernen Bembel zum Hauptberuf gemacht. Sein größter Erfolg: Seine Frau, eine Philippina, zum Apfelweintrinken gebracht zu haben, scherzt er. „Apfelweinkultur gehört einfach dazu“, sagt er dann ernster. Trotz aller Reisen, trotz der fremdartigen Kulturen, die er so ergründet hat, trotz der 73 Marathonläufe, die er bestritten hat und der unzähligen Ultraläufe. Schunkeln ist ihm immer als Ankerpunkt im Leben geblieben. „Ich bin ein Frankfurter Bub.“

Eingeklemmt ist sein neues Lädchen zwischen einer Metzgerei mit Imbiss und einem Gasthof. Man kann sagen: Es ist die deftige Ecke vor dem Römerberg. Mit dem Interieur hat Schreiter Glück gehabt. Vorher ist dort ein Schmuck- und Uhrengeschäft gewesen, das im Dekor seiner Vitrinen vor allem auf Bembelgrau gesetzt hat. „Wir mussten gar nicht viel verändern.“ Noch ein glücklicher Zufall: An der Hauswand neben der Tür ist eine Banane aufgesprüht. „In den 90ern hat die Banane auf künstlerisch wertvolle Geschäfte hingewiesen“, sagt Schreiter.

Bembel Shop am Römer , Eröffnungsfeier mit Ausschank am 10. und 11. März, Braubachstraße 37, geöffnet Mo. – Sa., 10 bis 19 Uhr, Telefon 069 / 979 440 33, www.best-of-hessen.de

Bembel, Bembel, Bembel.
Bembel, Bembel, Bembel. © christoph boeckheler*
Fürs Mispelchen gibt es auch Gläser zu kaufen.
Fürs Mispelchen gibt es auch Gläser zu kaufen. © christoph boeckheler*

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