Frankfurt: Bahnhofsviertel ist Dauerthema

Eine Podiumsdiskussion im Haus am Dom benennt Rückschritte und Fortschritte. Legalisierung leichter Drogen gewünscht. Bahn wegen Baustelle im Kaisersack gerüffelt.
Gleich zu Beginn der Podiumsdiskussion wies Moderator und FR-Redakteur Georg Leppert darauf hin, dass man in ähnlicher Runde schon sechs Jahre zuvor zusammengesessen habe, um über das Problemviertel Bahnhofsgebiet zu diskutieren. Mittlerweile, das musste Ordnungsdezernentin Annette Rinn (FDP) einräumen, sei es eher schlimmer geworden. Es gelte, „die Zustände zurückzudrehen auf das Jahr 2018“.
Die Pandemie, diese Erkenntnis ist nicht neu, habe vieles verschlimmert, denn, so konstatierte Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne) „während Corona hat es ganz viele Beziehungsabbrüche gegeben“. Majer warf aber auch die Frage auf, was vom Bahnhofsviertel überhaupt erwartet werde. „Wir müssen mit den Menschen umgehen und nicht nur das Straßenbild verschönern“, mahnte der Stadtrat.
Nazim Alemdar, Besitzer des Kiosks Yok Yok in der Münchner Straße und Vorsitzender des Gewerbevereins, findet ohnehin, dass das Bahnhofsviertel in der öffentlichen Darstellung zu schlecht wegkomme. „Wer Angst hat, kann mich anrufen, dann machen wir einen Rundgang“, versprach Alemdar. Auch die Grünen-Stadtverordnete Beatrix Baumann befand, das Bahnhofsviertel habe in den vergangenen 20 Jahren eine gute Entwicklung genommen, was die Bar- und Clubszene angehe oder die Entwicklung zurück zum Wohngebiet. Ihr werde beim Bahnhofsviertel zu viel über Drogenabhängige gesprochen, so Baumann.
Zur Wahrheit gehört aber, dass in der Podiumsdiskussion am Mittwochabend im Haus am Dom in der Folge fast nur noch über die Drogenproblematik in Frankfurt gesprochen wurde. Das lag auch daran, dass Ordnungsdezernentin Rinn bekannte, polizeilich seien „die Kapazitäten im Grunde ausgereizt“. Noch mehr Polizei im Bahnhofsviertel würde höchstens dazu führen, dass die Drogenszene ins Westend oder ins Europaviertel abwandere, was sicherlich auch niemand wolle, gab Rinn zu bedenken und bedauerte ein wenig, dass es mit einer Waffenverbotszone im Viertel nichts werde. Zu einer Entlastung der Polizei würde aber nach Rinns Ansicht auch beitragen, wenn der Konsum von Cannabis legalisiert würde. Dieser Haltung schloss sich Majer an und warb erneut dafür, auch den Handel von Kleinstmengen mit Crack in den Druckräumen zu legalisieren, damit die Abhängigen dafür nicht auf die Straße getrieben würden.
Aus dem gut besuchten Zuschauerraum wurde die Sorge geäußert, die Kaiserstraße sei kein schön Anblick für Menschen auf Sightseeing-Tour. Majer konterte im Hinblick auf Drogenabhängige: „Sollen die sich in Luft auflösen? Meine Vorstellung von einer sozialen Stadt funktioniert anders.“ Einig waren sich aber alle auf dem Podium, dass die mit Stacheldraht eingehauste Dauer-Baustelle der Bahn im Kaisersack kein schöner Anblick ist. Majer, gleichzeitig ja auch Verkehrsdezernent, wies darauf hin, dass die Deutsche Bahn versprochen habe, die Bauzäune aufzuhübschen. Geschehen sei in dieser Hinsicht aber noch nichts.
Klar ist aber auch, dass ein aufgehübschter Bauzaun das Bahnhofsviertel nicht nachhaltig voranbringt. Und so stellte Moderator Leppert die Frage, welchen Fortschritt sich das Podium bei einer Diskussionsrunde in weiteren sechs Jahren wünsche. Lokalmatador Alemdar will einfach, dass alles „noch schöner“ wird. Majer, der dann schon lange kein Gesundheitsdezernent mehr sein wird, wünschte sich erneut die Legalisierung des Kleinsthandels.
