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Frankfurt: Aufs Auto verzichten

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Von: Judith Köneke

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Die Kampagne wirbt für mehr Fahrräder und weniger Autos.
Die Kampagne wirbt für mehr Fahrräder und weniger Autos. © peter-juelich.com

Die Kampagne Stadtradeln will mehr Menschen zum Radeln bewegen. Unsere Autorin hat es ausprobiert.

Es ist nicht so einfach, wie es sich anhört: einfach losradeln. Jedenfalls nicht, wenn das eigene Fahrrad seit eineinhalb Jahren nicht genutzt wurde und erst mal zur Inspektion muss. Vor drei Wochen sei kein Termin frei, sagt mir der nette Mitarbeiter des Fahrradladens am Telefon. Die platten Reifen des Rads des Freundes aufzupumpen, ist dagegen machbar.

Warum gerade jetzt in die Pedale treten? Grund ist die bundesweite Kampagne Stadtradeln. In Frankfurt dauert sie vom 3. bis zum 23 Juni. Ein Wettbewerb, bei dem es darum geht, 21 Tage lang Alltagswege privat oder beruflich mit dem Rad zurückzulegen statt mit dem Auto. Für mehr Klimaschutz und eine verbesserte Radinfrastruktur. Kommunen, Bürger:innen und Lokalpolitiker:innen sind aufgerufen, in diesem Zeitraum möglichst viele Kilometer zu fahren.

In einer App lässt sich alles festhalten. Nach dem Registrieren gründet man ein Team oder schließt sich einem an. Ein nüchternes Design zeichnet die Strecke, Kilometerzahl und Dauer auf. Ich liege gut in der Zeit und entscheide mich, nicht den direkten und schnellsten Weg zur Gallus-Warte zurückzulegen, sondern einen schönen. Der führt von Bornheim über das Ostend runter an den Main.

Schon nach ein paar Metern sehe ich, dass an einer Schiene der Straßenbahnlinie 14 gebaut wird und die Fahrgäste auf Ersatzbusse ausweichen müssen. Schön, dass ich mich weder damit herumschlagen noch warten muss. Die Kreuzung an der Habsburger/Wittelsbacher Allee nervt dagegen, man muss an vielen roten Ampeln warten, um auf die richtige Seite zu gelangen. Ich wünsche mir Fahrradbrücken wie in Kopenhagen, die über Straßen führen.

Anschließend geht es zum Glück nur bergab Richtung Ostbahnhof, an den Rückweg denke ich erst mal nicht. Immerhin gab es im Grunde durchgehend einen Radweg. Am Danziger Platz ein ähnliches Wirrwarr beim Überqueren. Hier könnte man über die App einen Pin auf die Straßenkarte setzen. Die Meldeplattform „Radar“ informiert die Kommune dann über eine unübersichtliche Verkehrsführung oder Schlaglöcher, diese sollte im Idealfall daraufhin handeln.

Stadtradeln

Unter www.stadradeln.de kann man sich registrieren und noch bis zum 23. Juni mitmachen.

Mit der Meldeplattform RADar! können Radlerinnen und Radler auf radar-online.net die Kommunen über Schlaglöcher und riskante Verkehrsführung informieren. Die Kampagne ist ein Angebot des Klima-Bündnisses, dem größten Städtenetzwerk Europas, das sich zu einem umfassenden und gerechten Klimaschutz verpflichtet.

Vergangenes Jahr legten die Teilnehmer:innen aus 2172 Kommunen aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Rumänien und den USA rund 160 Millionen Kilometer mit dem Fahrrad zurück. Sie vermieden dabei gut 23 000 Tonnen CO2 im Vergleich zur Autofahrt. jkö

Hinter der Hanauer Landstraße wird es ruhiger, im Hafenpark mit Blick auf die EZB saust ein Skater auf der Anlage herum, ein Basketball landet im Korb und zwei Männer stählen ihre Muskeln mit Klimmzügen. Endlich lässt man die Autos für eine Weile hinter sich; eine Stadt mit weniger Autos wäre schön – und sauberer. Schließlich sind sie es, die die klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen verursachen. Rund 7,5 Millionen Tonnen Co2 ließen sich laut Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vermeiden, wenn etwa 30 Prozent der Kurzstrecken bis sechs Kilometer in den Innenstädten mit dem Fahrrad zurückgelegt würden.

Ich schaue auf meine App, 3,2 Kilometer habe ich bereits hinter mir, in 28 Minuten. Die Zeitangabe ist etwas ungenau, da ich einen kurzen Zwischenstopp zum Einkaufen eingelegt und vergessen habe, auf Pause zu drücken.

Am Main macht das Radeln Spaß, die Sonne scheint, der Untergrund ist eben, abgesehen von ein paar Unterbrechungen mit Kopfsteinpflaster, man muss keinen Lieferwagen ausweichen, die auf dem Fahrradweg halten, lediglich einigen Fußgängern und Gänsen. Ich komme mir cool vor mit dem geliehen Rennrad, wirklich bequem ist es allerdings nicht. Vielleicht nutzt es mein Freund deswegen so selten.

Und damit ist er nicht allein. Rund 80 Prozent der Haushalte in Deutschland besitzen nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, ein Fahrrad. Trotzdem liege der Anteil aller Wege, die in Deutschland geradelt würden, durchschnittlich bei nur zehn Prozent.

Am Westhafen hinter dem Apfelweinturm muss ich mir die Straße wieder mit den Autos teilen. Am Güterplatz fahre ich auf die Mainzer Landstraße, hier macht radeln wirklich gar keinen Spaß. Angekommen schaue ich wieder auf meine Handy, acht Kilometer habe ich zurückgelegt in 53 Minuten, aber ich habe mich auch nicht beeilt. Ob nun wegen der Kampagne mehr Menschen das Fahrrad nutzen, die es sonst nicht tun, wage ich zu bezweifeln.

Die App zeigt, welche Gruppe die meisten Kilometer zurückgelegt hat, an erster Stelle steht momentan der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) – keine Überraschung. Aber die Absicht der Kampagne ist gut. Auch Schulen und Firmen haben Teams gegründet, vielleicht gibt ein interner Wettbewerb mehr Anreiz.

Die Gewinne, die die Organisatoren verlosen, sind jedenfalls keiner. Aber natürlich sollte das im besten Fall sowieso der Klimaschutz sein – und der Spaß. Und auch ich nehme mir vor, wieder öfter zu radeln.

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