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Frankfurt: Auf und hinter den Barrikaden

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Von: Meike Kolodziejczyk

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48 Frauen, wo sonst 52 Kaiser und Könige die Wände zieren.
48 Frauen, wo sonst 52 Kaiser und Könige die Wände zieren. © Monika Müller

Die Schau „Revolutionär:innen“ würdigt im Kaisersaal des Römers den Beitrag von Frauen für die Geschichte der Demokratie und den Kampf um politische Teilhabe.

Wo sonst Kaiser und Könige in Öl verewigt sind, haben Frauen das Regiment übernommen. Auf langen Stoffbannern überdecken ihre Konterfeis die Monarchen-Gemälde in den Nischen des Kaisersaals im Frankfurter Römer. 48 „Revolutionär:innen“ drängen 52 gekrönte Herren in die zweite Reihe und rücken ihren Einfluss auf die Demokratie ins Licht – das in der Ausstellung des Frankfurter Frauendezernats und Frauenreferats in flammendem Gelb, Orange und Lila erscheint.

Die Geschichten der Streiterinnen für Gleichberechtigung und politische Teilhabe im 19. Jahrhundert seien „nahezu unbekannt“, sagt Frauendezernentin Rosemarie Heilig (Grüne), „ihre Herkunft, ihre Beweggründe, ihre Forderungen, ihre Form des Protests“ seien unterschiedlich. „Aber was sie und uns eint, ist der Kampf um Anerkennung dieser Verschiedenheit.“ Sie waren Arbeiterinnen, Bürgerinnen, Landwirtinnen, Journalistinnen. Sie kamen aus Deutschland, Polen, Frankreich oder den USA, acht Frankfurterinnen sind dabei: Marie d’Agoult zum Beispiel, die für ihre schriftstellerische Arbeit das Pseudonym Daniel Stern wählte. Oder Annette Margaretha Stoltze, Schwester des Lokal-Poeten Friedrich Stoltze, die am Wachensturm 1833 beteiligt war. Oder die Haushaltshilfe Henriette Zobel, die nach Krawallen 1848 bezichtigt wurde, den General Hans von Auerswald mit ihrem Regenschirm gemeuchelt zu haben.

Revolutionärinnen

Die „Revolutionär:innen“ können von heute an bis zum 26. Juni täglich von 10 bis 17 Uhr im Kaisersaal im Römer (Zugang über die Limpurgergasse) besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.

Es gibt einen Katalog sowie ein Begleitprogramm, zum Beispiel ein Theaterstück am 18. und 19. Mai oder drei Dialogführungen am 19. und 22. Juni). myk

Weitere Informationen unter:

www.klischeefreie-zone-ffm.de

Der zerbrochene Schirm steht als Symbol für die Ausstellung und ersetzt das Porträt von Henriette Zobel, von der kein Bild überliefert ist. Revolutionäres Potenzial offenbarte auch der ebenfalls mit einem Banner bedachte Frankfurter Turnverein von 1848/49, der sich etwa gegen das Korsett zur Wehr setzte und in seiner Satzung erklärte: „Wir ergreifen muthig die Waffen gegen die Erzfeinde unseres Geschlechts.“ Kämpferinnen um 1848 ging es noch um weitere Ziele, etwa um die Abschaffung der Sklaverei. So finden sich im Kaisersaal die Schwarzen Aktivistinnen Sojourner Truth und Harriet Tubman. Annette von Droste-Hülshoff ist mit von der Partie, Bettina von Arnim, Fanny Mendelssohn oder Louise Otto-Peters. Und viele, deren Namen weniger bis gar nicht bekannt sind.

Die Auswahl sei natürlich „nicht vollständig“, betont Projektleiterin und Kuratorin Linda Kagerbauer vom Frauenreferat, sondern solle „anregen, weiter zu forschen“. Ähnliches fordert Deborah Schnabel, Direktorin der Bildungstätte Anne Frank, eine der Kooperationspartner:innen der Ausstellung. „Wenn unsere Geschichtsbücher oder Rathäuser nur an das Wirken mächtiger weißer Männer erinnern, sind sie lückenhaft.“ Diese Lücken müssten sichtbar gemacht werden. „Die Kontinuität der Themen von damals ist bis heute erkennbar“, sagt Frauenreferats-Leiterin Gabriele Wenner. Frauen kämpften auch aktuell noch in vielen Teilen der Welt um Wahlrecht und Selbstbestimmung. Und so verweisen mehrere Rednerinnen bei der Ausstellungseröffnung am Donnerstag auf den Kampf der Frauen im Iran sowie auf ihre Lage in der Ukraine oder im Sudan.

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