Angeklagte sieht sich als Opfer von Polizeigewalt: Beamte schildern andere Version vom Einsatz

Am Amtsgericht Frankfurt muss sich Diana W. wegen Widerstands gegen Polizeibeamte sowie Beleidigung verantworten. Sie selbst sieht sich als Opfer von Polizeigewalt.
- In Frankfurt wird die Polizei zu einer Auseinandersetzung von zwei Frauen gerufen
- Eine der beiden soll sich dabei Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet haben
- Vor Gericht sieht sich die Frau als Opfer von Polizeigewalt, die Beamten haben eine andere Version
Frankfurt - Von dieser Geschichte gebe es „unterschiedliche Versionen“, stellt die Amtsrichterin am Ende des ersten Tages des Prozesses fest, in dem sich die 27 Jahre alte Diana W. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung verantworten muss.
Dies ist die erste, von der Staatsanwaltschaft: In der Nacht auf den 9. Juli 2019 machen Passanten eine Polizeistreife auf zwei Frauen aufmerksam, die einander beharken. Als es den Beamten nicht gelingt, die Kontrahentinnen zu trennen, reißen sie die Frauen zu Boden und fesseln sie. Vor allem Diana W. leistet bei ihrer Festnahme erheblichen Widerstand, äußert „lautsark ihren Unmut“ und wehrt sich mit Händen und Füßen.
Frankfurt: Frau wehrt sich gegen Festnahme - Vor Gericht sieht sie sich als Opfer
Auf der Wache verweigert sie den Bluttest und die Unterschrift unter die Erklärung, dass sie über ihre Rechte belehrt wurde. Sie rät den Polizisten, doch besser „zu studieren“, auf dass am Ende „doch noch etwas Anständiges“ aus ihnen werde. Aber erst, als sie die Ordnungshüter „blonde, weiße Rassistenpolizisten“ heißt, ist der Tatbestand der Beleidigung erfüllt.
Die zweite Version stammt von Diana W. Die Angeklagte ist eine PoC (Person of Color), gebürtige Frankfurterin und Dame von Welt, zumindest vor Gericht. Ihre persönlichen Verhältnisse werden am ersten Verhandlungstag nicht erörtert, aber ihre Garderobe ist von schlichter Eleganz und zeigt Stil, ihre Wortwahl zeugt von Bildung, ihr Auftreten ist selbstbewusst, aber höflich – und ihre bis heute andauernde Empörung so glaubwürdig wie nachvollziehbar.
Frankfurt: Widerstands gegen Polizeibeamte - Angeklagte mit anderer Version
Diese Version geht so: In der Julinacht ist sie mit einer Freundin nach einem Kneipenabend auf dem Heimweg. Die betrunkene Freundin wird immer aggressiver, sie streiten, wenn auch hauptsächlich verbal. Plötzlich wird sie von hinten angegriffen und zu Boden geworfen. Sie wehrt sich, weil sie glaubt, überfallen zu werden – die Angreifer hatten sich nicht als Polizei vorgestellt.
Am Boden werden ihr die Hände mit Kabelbindern gefesselt, dann wirft ein Polizist sie „wie einen Sack Kartoffeln“ über die Schulter und schmeißt sie in den hinteren Fußraum des Streifenwagens. Auf der Wache verweigert man ihr den Anruf beim Anwalt sowie ärztliche Hilfe – sie hat Schürfwunden, blaue Flecken und eine Nasenbeinprellung. In der Zelle muss sie sich ausziehen und in einer entwürdigenden Prozedur untersuchen lassen. Am Ende wird sie mit den Worten „Verpiss dich!“ verabschiedet.
Frankfurt: Polizisten sagen über Einsatz aus - „Wie die Kaninchen ineinander verkeilt“
Als sie ein paar Tage später auf der Wache in Frankfurt erscheint, um sich für eine Anzeige die Namen der beteiligten Beamten nennen zu lassen, wird sie selbst von der Polizei angezeigt. Gegen einen Strafbefehl von 70 Tagessätzen à 15 Euro hat sie Einspruch eingelegt.
Die 26-jährige Polizistin und ihr 29-jähriger Kollege schließen sich im Zeugenstand der Version der Staatsanwaltschaft an. Beide sind POK (Polizeioberkommissare) und wirken nicht wie brutale Schläger. Den robusten Einsatz erklärt die Polizistin so: Beide Frauen seien „wie die Kaninchen ineinander verkeilt“ gewesen und hätten auf vernünftige Ansprache ebenso reagiert.
Frankfurt: Verschiedene Versionen im Gericht - Organisation „Copwatch“ bei Prozess dabei
Der Polizist erinnert sich, dass eine Frau ein ganzes Haarbüschel ihrer Gegnerin zwischen den Zähnen gehabt hätte – wessen Haare in wessen Mund, das hat er vergessen. Er habe Diana W. aber weder zum Auto geschleppt noch sie dort hineingeworfen. Auch auf der Wache sei alles mit rechten Dingen zugegangen. Das Ausziehen und Durchsuchen in der Zelle sei für die Polizei Routine und gängige Praxis – für Diana W., die nach eigenen Angaben noch nie zuvor mit der Polizei in Konflikt geraten sei, ist es das nicht.
Es gibt noch eine dritte Version. Sie stammt von der Organisation „Copwatch“, deren Mitglieder im Zuschauersaal den Prozess verfolgen, schon ein Urteil gefällt und der Presse zugesandt haben. Demnach war’s so: Diana W. wird auf dem Heimweg anlasslos und hinterrücks von der Polizei überfallen, zusammengeschlagen, zur Wache geschleppt, rassistisch beleidigt und sexistisch gedemütigt. Der Prozess wird fortgesetzt. (Von Stefan Behr)
Bei einem anderen Fall wirft Derege Wevelsiep aus Frankfurt der Polizei rassistische Gewalt vor. Seine Geschichte beginnt mit einer Fahrkartenkontrolle und endet mit verlorenem Vertrauen. Bei einem weiteren Prozess am Amtsgericht Frankfurt wurde ein Fall verhandelt, bei der der Angeklagte zunächst Mitfahrende filmte und anschließend ein Pfefferspray zückte. Der Täter fühlt sich missverstanden.