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Frankfurt: Andere Jury für Paulskirchenpreis

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Von: Florian Leclerc

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Die altehrwürdige Paulskirche, Ort der deutschen Demokratiegeschichte. Foto: Renate Hoyer
Die altehrwürdige Paulskirche, Ort der deutschen Demokratiegeschichte. Foto: Renate Hoyer © Renate Hoyer

Das Kuratorium für den Europäischen Paulskirchenpreis ist momentan in Teilen fehlbesetzt. Das muss sich vor der ersten Verleihung ändern. Eine Analyse von Florian Leclerc

Die Stadt Frankfurt will im Rahmen der Paulskirchen-Feierlichkeiten im Mai erstmals den „Europäischen Paulskirchenpreis für Demokratie“ an einen Menschen verleihen, der sich besonders für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat eingesetzt hat - es können auch zwei Personen, Organisationen oder Institutionen sein.

Der Anspruch ist hoch: Die Stadt will Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Schirmherrn anfragen. Wie der Goethepreis, der Theodor-W.-Adorno-Preis, der Max-Beckmann-Preis, der Ignatz-Bubis-Preis und der Binding-Kulturpreis ist der Europäische Paulskirchenpreis mit 50 000 Euro dotiert. Das Wort Europa im Titel weist auf die grenzüberschreitende Ausrichtung hin.

Kuratorium ist lokal und parteilich besetzt

Tatsächlich sollen sich nicht nur Menschen aus Europa, sondern aus der ganzen Welt mit Vorschlägen bei der Stadt Frankfurt melden können. Insofern ist bereits der Titel zu überdenken. Internationaler Paulskirchenpreis wäre angemessener und treffender. Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat müssen schließlich auf der ganzen Welt verteidigt werden.

Der Auslobung haben in der Stadtverordnetenversammlung die Fraktionen von Grünen, SPD, FDP und Volt (Koalition) sowie CDU und Linke (Opposition) zugestimmt. An der Zusammensetzung des vom Magistrat nachgereichten Personaltableaus für das Kuratorium, das Preisträger:innen bestimmt, äußern Oppositionsfraktionen nun Kritik.

Aus Sicht von CDU, Linke und Ökolinx ist das Kuratorium zu lokal besetzt und besteht aus zu vielen Parteimitgliedern der Römer-Koalition. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Nils Kößler hat bereits seinen Rückzug aus dem Kuratorium angekündigt.

Bäppler-Wolf hat sich mit rassistischem Video selbst disqualifiziert

Das Kuratorium soll sich laut Magistrat aus vier Gruppen zusammensetzen: den „natürlichen Mitgliedern“, Stadtverordneten, Vertreter:innen der Stadtgesellschaft und Expert:innen.

„Natürliche Mitglieder“ sind laut Magistrat die Stadtverordnetenvorsteherin, der Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin, die Bürgermeisterin sowie zwei Stadträt:innen. Benannt wurden Hilime Arslaner (Grüne), Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne), Ina Hartwig (SPD), Eileen O’Sullivan (Volt). Diese Zusammensetzung ist unstrittig.

Als Stadtverordnete wurden Nils Kößler (CDU), Dominike Pauli (Linke) und Isabel Schnitzler (FDP) benannt; Schnitzler, weil keine FDP-Stadträtin als „natürliches Mitglied“ bestimmt wurde. Das ist nachvollziehbar. Die AfD wurde außen vorgelassen.

Die Vertreter:innen der Stadtgesellschaft sind demnach die Frauenrechtlerinnen Virginia Wangare Greiner und Eleonore Wiedenroth-Coulibaly, die sich für Schwarze Menschen einsetzen. Außerdem der FDP-Bundestagsabgeordnete Thorsten Lieb und der SPD-Stadtverordnete Thomas Bäppler-Wolf.

Bäppler-Wolf ist zum Jahresbeginn mit einem rassistischen Video negativ aufgefallen, in dem er Menschen mit migrantischem Hintergrund, die Einsatzkräfte in der Berliner Silvesternacht angegriffen hatten, mit Affen verglich. Trotz seiner Entschuldigung: Er hat sich damit für die Kuratoriumsarbeit disqualifiziert. Sein Einsatz für die Schwulenbewegung, die Kleinkunstszene, den Stadttourismus sind ihm hingegen unbenommen.

Auch die Benennung von Thorsten Lieb (FDP) macht nur mit Blick auf sein Parteibuch Sinn. Zwar war Lieb als Wirtschaftsanwalt in Frankfurt tätig. Sein Wirkungsort ist nun aber in Berlin. Ein genuiner Vertreter der Stadtgesellschaft ist er momentan nicht.

Eine „Expertin“ macht Wahlkampf für die SPD

Die vierte Kategorie sind die Expert:innen. Hier zeigt sich ein lokaler Bezug, der eigentlich mit den Vertreter:innen der Stadtgesellschaft hätte abgedeckt sein sollen.

Benannt wurden der Philosoph Rainer Forst (Goethe-Universität), die Politikwissenschaftlerin Nicole Deitelhoff (Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung), die Politikwissenschaftlerin Ulrike Ackermann (Frankfurt/Heidelberg) sowie die Frankfurter Kulturschaffende Paula Macedo Weiß. Forst, Deitelhoff und Ackermann sind unstrittig.

Für Macedo Weiß spricht, dass sie sich im Netzwerk Paulskirche für Demokratie einsetzt und über Demokratiebewegung in Brasilien publiziert hat. Auf Plakaten wirbt sie derzeit für den SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Mike Josef (SPD). Das gibt der Benennung ein parteipolitisches Geschmäckle.

Das Viererbündnis im Römer hat dem Paulskirchenpreis durch die einseitige Benennung des Kuratoriums einen Bärendienst erwiesen. Der Vorschlag von Nils Kößler, die Preisverleihung auf 2024 zu verschieben, wenn die Paulskirchenverfassung ihren 175. Geburtstag feiert, ist richtig. Das ist genug Zeit für die Koalition, größer zu denken.

Wenn die Stadt Frankfurt einen Preis ins Leben rufen will, renommiert wie der Goethepreis oder gar der Internationale Karlspreis zu Aachen, sollte sie das Kuratorium entsprechend hochrangig besetzen. Ein Blick nach Aachen könnte dabei helfen.

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