Aggressive Stimmung auf Corona-Demo

Die Polizei zählt 4000 Personen beim Umzug gegen die Impfpflicht. Abends zieht sie den Stecker.
Frankfurt – Am Ende des Oeder Wegs, dort, wo die Demonstration der Impfgegnerinnen und -gegner am Abend schon fast am Ziel ist, steht die größte Gegendemo des Samstags in Frankfurt. Nicht, dass es besonders viele wären. Vielleicht 20 Leute sind es, unter ihnen alte Leute und Teenagerinnen. Sie halten Schilder in die Höhe wie „Impfen statt schimpfen“.
Was sie in den folgenden Minuten durchmachen müssen, ist schwer zu ertragen. Fast eine halbe Stunde lang marschiert der Zug der „Querdenkerbewegung“ vorbei, fast alle brüllen die Gruppe an: „Nazis raus! Nazis raus!“ Immer wieder bleiben einzelne oder mehrere Impfgegner:innen stehen und versuchen zu provozieren.
Frankfurt: Beleidigungen aus Demonstrationszug
Es folgen weitere Beleidigungen. „Nutte!“ und nicht Zitierfähiges brüllt ein Mann aus dem Demonstrationszug den Leuten am Straßenrand entgegen, die bang warten, bis der Horror vorbeigeht. Für kurze Zeit stellt sich die Polizei zwischen Aggressor:innen und Anwohner:innen. Danach geht das „Nazis raus!“-Gebrüll weiter, bis das Zugende vorbeigelaufen ist.
Auch jene, die Fahnen mit einer Schlange und dem Slogan „Don’t tread on me“ tragen – Rechte nutzen sie häufig –, brüllen ihren „Nazi“-Spruch. Die kleine Gruppe am Straßenrand schüttelt sich anschließend. Ein Mann sagt tapfer: „Das nächste Mal stehen wir wieder hier.“
Die Demonstration hatte sich schon am Samstagnachmittag im Holzhausenpark formiert. Motto: „Mein Körper gehört mir – Freie Entscheidung über medizinische Präventionsmaßnahmen“. Die Polizei wird im Verlauf etwa 4000 Personen zählen. Sie haben Deutschlandfahnen und Friedenstauben, Luftballons, „Freiheit oder Tod“-Plakate. Ein Mann trägt Sträflingskleidung und eine Armbinde „Ungeimpft“. Auf Twitter löst das Assoziationen mit Antisemitismus und NS-Verharmlosung aus.
Corona-Maßnahmen-Kritiker demonstrieren in Frankfurt: Ähnlichkeit mit Fastnachtszug
„Wir sind hier, um aufzustehen“, ruft eine Frau ins Mikrofon. Man wolle Kinder vor der „Qual sinnloser Maßnahmen“ schützen. Ein „panikgesteuerter Teil der deutschen Bevölkerung“ schlucke „jeden medizinischen Unsinn“ kritiklos. Sämtliche Corona-Maßnahmen müssten sofort aufgehoben werden. Manche Demonstrierenden haben Kinder dabei. Andere tragen Hasenohren, was eine kleine Gruppe Gegendemonstrant:innen an der Ecke Fürstenberger Straße/Eschersheimer Landstraße zu Helau-Rufen und Konfettiwürfen veranlasst. Die Nähe zum Fastnachtszug ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Im Nordend sind Plakate zu sehen: Viele Leute ärgert es, dass ständig im kleinen Stadtteilpark Impfgegner:innen auflaufen. Am Eschenheimer Tor eine weitere kleine Gegendemo: „Mehrdenken“ steht auf ihren Schildern und „The walking Blöd“. Am Rathenauplatz hat der Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten eine Ausstellung zu Rassismus und Neofaschismus aufgebaut.
Abends wollen mehrere Hundert Demoteilnehmer:innen im Holzhausenpark mit lauter Musik weiterfeiern. Die Polizei will das nicht. Sie habe „im wahrsten Sinne des Wortes den Stecker gezogen“, berichtet sie tags darauf. (Thomas Stillbauer)
Anwohner ärgern sich über die Demos der Maßnahmenkritiker im Holzhausenpark. Der Frankfurter Ortsbeirat 3 fordert ein Versammlungsverbot.