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Frankfurt: Ackermann-Reliefs sollen erhalten bleiben

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Von: Andreas Hartmann

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Gisela Behr (Mitte) und ihre Mitstreiter:innen hoffen darauf, dass die Reliefs von Max Ackermann am alten FAZ-Gebäude erhalten bleiben, von links: Sibille Emmenegger, Magda Berheide, Gisela Behr, Rosmarie Ries, Lilli Fleck. Bild: Christoph Boeckheler
Gisela Behr (Mitte) und ihre Mitstreiter:innen hoffen darauf, dass die Reliefs von Max Ackermann am alten FAZ-Gebäude erhalten bleiben, von links: Sibille Emmenegger, Magda Berheide, Gisela Behr, Rosmarie Ries, Lilli Fleck. Bild: Christoph Boeckheler © christoph boeckheler*

Eines der bedeutendsten Beispiele für Kunst am Bau in Frankfurt ist momentan noch eingemauert im Sockel des alten FAZ-Gebäudes in der Mainzer Landstraße, das abgerissen wird.

Die Frankfurterin Gisela Behr macht sich große Sorgen um ein im wahren Sinne des Wortes gewichtiges Stück Kunst am Bau, das eine kuriose Geschichte hat und dessen Entstehung sie 1968 aus nächster Nähe beobachten durfte. Es sind große abstrakte Betonreliefs des international bedeutenden Künstlers Max Ackermann (1887 – 1975), mutmaßlich tonnenschwer und fest eingelassen im Sockel des Gebäudes der ehemaligen Frankfurter Societäts-Druckerei an der Mainzer Landstraße. Mehrere sind frei zugänglich, weitere schmücken heute den Innenhof des früheren FAZ-Verlagsgebäudes.

Der Standort soll abgerissen und mit Wohnungen und Büros neu bebaut werden, FAZ, Frankfurter Neue Presse und Frankfurter Rundschau haben das ehemalige Zeitungsviertel verlassen. Die Abbrucharbeiten dürften demnächst beginnen. Die Reliefs, fürchtet Behr, könnten dabei unter die Räder beziehungsweise die Planierraupen kommen. Mehrere Versuche, bei dem Verlag jemanden für eine Rettung der Kunst am Bau zu interessieren, seien leider gescheitert, berichtet die 78-Jährige. „Immer hieß es: Wir wissen es nicht.“

Dass die Ackermann-Reliefs für diesen Ort bestellt wurden, hat eine interessante Geschichte, die Behr erzählen kann. Sie begann 1962 bei der Societät eine Lehre zur Verlagsbuchhändlerin und erinnert sich noch gut an die Ereignisse, die zum Auftrag führten. 1968 tobten Studentenproteste auch in Frankfurt, im Fokus der Wut: die „Bild“-Zeitung, die damals im Auftrag von Springer in der Societäts-Druckerei gedruckt wurde. Am Osterwochenende wurde der Hof belagert, die Menge, darunter auch der spätere Grünen-Außenminister Joschka Fischer, versuchte, eine Auslieferung des Springer-Blatts zu verhindern. Ein riesiges Polizeiaufgebot war im Einsatz.

Nach den Krawallen riet die Polizei, den Hof der Druckerei mit einer hohen Mauer zu sichern, berichtet Behr. Dem kunstsinnigen Verleger Werner Wirthle war dieser Betonwall offenbar zu kahl und schmucklos, er beauftragte den damals sehr populären Ackermann, der gut befreundet war mit dem Feuilleton-Redakteur Dieter Hoffmann, mit einer künstlerischen Gestaltung der Wand. Wohl über Hoffmann kam der Kontakt zum Künstler zustande.

Später wurden einige Reliefs in den Innenhof versetzt, sie sind von der Straße aus nicht mehr zu sehen. Angeblich sollen die abstrakten Darstellungen Druckprozesse zeigen, gut zu dem Ort passen würde das jedenfalls.

Wie viele Reliefs ursprünglich vorhanden waren und ob alle noch erhalten sind, kann Behr nicht mehr sagen. „Ich glaube, es waren schon etwa ein Dutzend“, vermutet sie. Vom Verlag selbst kam keine Antwort auf die Anfrage.

Hoffmann hatte in dem Frankfurter Verlag in den 1960er Jahren Kataloge und Bücher über den Künstler herausgebracht, und Gisela Behr half ihm dabei. So lernte sie Max Ackermann auch persönlich kennen und schätzen. „Er war ein sehr zugänglicher Mensch, gar nicht eitel oder abgehoben“, erinnert sie sich. „Ich war ja kein großes Licht beim Verlag, aber Max Ackermann hat mich trotzdem stets auf Augenhöhe behandelt.“

Nichts erinnert heute am ehemaligen Gebäude des Societäts-Verlags an den prominenten Künstler oder die mit dem Haus so eng verbundene Geschichte – von wem Kunst am Bau stammt, wird häufig schon nach wenigen Jahren vergessen (siehe nebenstehendes Interview). Gisela Behr und ihre Mitlehrlinge von damals allerdings schätzen die Reliefs und haben immer wieder nachgefragt, was damit bei einem Abriss geschehen soll.

Die Hellerhöfe

Die in die Jahre gekommenen Gebäude der FAZ und der Frankfurter Societät sollen abgerissen werden. Nach Angaben des Frankfurter Planungsdezernats stehen sie nicht unter Denkmalschutz. Hier entsteht bis 2027 ein Quartier namens „Hellerhöfe“ mit 650 Mietwohnungen, Grundschule und Kindertagesstätten.

Dazu haben FAZ und Societät mit der Kölner Unternehmensgruppe Bauwens und dem Family Office Daniel Hopp ein Joint Venture gegründet, das das etwa 2,4 Hektar große Areal zwischen Mainzer Landstraße und Frankenallee entwickeln soll. cm

Der Stuttgarter Professor gilt als einer der großen Künstler der klassischen Moderne. Berühmt ist er für seine farbsatten abstrakten Ölbilder und Grafiken, die grauen Frankfurter Reliefs sind da eher untypisch. Ackermanns Werke sind heute immer noch begehrt bei Auktionen und in vielen großen Sammlungen vertreten. Sie hängen etwa im Frankfurter Städel, der Staatsgalerie Stuttgart oder auch dem kleinen, feinen Zeppelin-Museum in Friedrichshafen am Bodensee.

Dorthin ist FR-Leserin Behr eigens einmal gefahren, um sich die große Ackermann-Ausstellung anzusehen – und war so begeistert von der schönen Präsentation direkt am Bodenseeufer, dass sie dem Museum ein Paket mit Katalogen und privaten Fotos des Künstlers schickte, die sie vor mehr als 50 Jahren gemacht hatte. Auch ein Gemälde Ackermanns, das ihr der Künstler anlässlich einer Ausstellung in den USA schenkte und das heute in ihrem Zuhause in Frankfurt hängt, will sie dem Zeppelin-Museum hinterlassen.

Für Ina Neddermeyer, Ackermann-Expertin aus Friedrichshafen, sind solche Geschenke mit persönlichem Bezug besonders wertvoll. „Wir bekommen tatsächlich viele Anfragen, müssen aber immer prüfen, ob das in unsere Sammlung passt“, sagt die Kunsthistorikerin. „Die Stiftung von Frau Behr ist aber sehr, sehr schön und selten.“

Neddermeyer hält Ackermann heute für unterschätzt, „er war schon mal berühmter“, meint sie. In Südwestdeutschland sei er allerdings immer noch bekannt. „Als wir damals die Ausstellung in Friedrichshafen vorbereitet haben, bekamen wir viel Zustimmung zu dem Projekt“, sagt sie. Der Künstler habe einige Jahre am Bodensee gelebt und sei wie Otto Dix ein Sammlungsschwerpunkt des Zeppelin-Museums, 127 Werke besitzt das Haus allein von ihm.

Die Frankfurter Reliefs kannte sie noch nicht. „Ich habe für die Ausstellung recherchiert, aber skulpturale Arbeiten Ackermanns sind mir bei der Vorbereitung nicht untergekommen“, sagt Neddermeyer. „Es gibt Glasfensterentwürfe von ihm, aber Kunst am Bau war nicht sein großes Thema.“

Die FAZ hat sich nun aber doch schriftlich auf FR-Anfrage zu den weiteren Plänen geäußert, und es sind gute Nachrichten für alle Ackermann-Begeisterten. Etwas schmallippig heißt es im Statement der FAZ: „Es ist geplant, die Ackermann-Plastiken im Rahmen des Neubauprojekts wiederzuverwenden. Näheres können wir Ihnen zum aktuellen Zeitpunkt allerdings nicht sagen, da das Gestaltungskonzept derzeit noch in Abstimmung ist.“

Gisela Behr ist jedenfalls ganz enthusiastisch. Auch ein früherer Kollege habe nun endlich Antwort auf seine Anfragen bekommen. „Sollten wir wirklich erfolgreich gewesen sein? Ich wage kaum, das zu hoffen.“

Meister der Abstraktion: Der bekannte Künstler Max Ackermann (links) vor seinen Werken, um 1968 fotografiert von FR-Leserin Gisela Behr
Meister der Abstraktion: Der bekannte Künstler Max Ackermann (links) vor seinen Werken, um 1968 fotografiert von FR-Leserin Gisela Behr © Gisela Behr
Eines der wichtigsten Beispiele für Kunst am Bau in Frankfurt ist die Serie von Reliefs, die der Künstler Max Ackermann 1968 für den Societäts-Verlag schuf.
Eines der wichtigsten Beispiele für Kunst am Bau in Frankfurt ist die Serie von Reliefs, die der Künstler Max Ackermann 1968 für den Societäts-Verlag schuf. © Monika Müller

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