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FR-Städtevergleich - 7:6 für die Eintracht

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Von: Thomas Stillbauer, Georg Leppert

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Cannstatter Wasen. Ganz schön groß.
Cannstatter Wasen. Ganz schön groß.  © Imago

Der total objektive Städtevergleich vor dem Pokal-Halbfinale VfB Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt.

Schon möglich, dass die Schwaben eine tolle Seilbahn haben – dafür können wir Hochdeutsch. Aber es wird verdammt knapp diesmal.

Essen

Es liegen einem beim Gedanken an Stuttgart bereits die Spätzle auf der Zunge. Kann man mögen, muss man aber nicht. Spätzle aus der Packung sind nicht so gut wie Nudeln aus der Packung; selbstgemachte können besser sein. Man muss den Schwaben auch ihre Seelen zugutehalten, also jene, die es beim Bäcker zu kaufen gibt, mit Kümmel. Auf die unrühmliche Spitze treibt es jedoch ein Gericht namens Gaisburger Marsch. Nicht nur, dass der Name mehr an eine unangenehme Zu-Fuß-Aufgabe erinnert als an eine Speise und vom Militärischen herrührt – es werden darin auch sowohl Spätzle als auch Kartoffeln mit Ochsenfleisch, Suppengrün und Zwiebeln vermengt. Nichts gegen exotische Gerichte, es gibt da tolle Sachen aus Asien oder Italien, aber statt Gaisburger Marsch kann man ja auch gleich ein Brötchen mit Reis, Nudeln und Pommes füllen. Machen wir nicht. Wir essen Handkäs, Rippche und Grie Soß. Punkt für Frankfurt. 1:0

Gaisburger Marsch, traditioneller schwäbischer Rindereintopf, Deutschland
Gaisburger Marsch. Wer’s mag... © PantherMedia / mathes

Jugendpolitik

In Frankfurt reden und reden und reden sie über ein Jugendparlament. Im Koalitionsvertrag steht, dass es so ein Gremium geben soll. Junge Leute sollen sich einbringen und Vorschläge machen, wie sich Frankfurt für sie schöner gestalten lässt. Diese könnten sie dann in der Stadtverordnetenversammlung einbringen. Das Problem ist nur: Längst nicht alles, was im viel zu dicken Koalitionsvertrag steht, wird auch umgesetzt (nein, dieser Satz ist keine bezahlte Anzeige der CDU-geführten Opposition). In Stuttgart ist man da schon sehr viel weiter. In allen 23 Stadtbezirken können sich Jugendräte gründen – in 15 Bezirken ist das auch geschehen. Die Räte entsenden wiederum Delegierte in den Stuttgarter Jugendrat, der für die Belange der gesamten Stadt zuständig ist. Gewählt werden können Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren. Das Stuttgarter Modell gilt als Vorbild für Frankfurt, deshalb geht dieser Punkt ohne Diskussion an Stuttgart. 1:1

Städtepartnerschaften

Der Klassiker. Kein Städtevergleich ohne ein Blick auf die Partnerschaften. Wir hatten ja schon Angst, dass das Thema langweilig wird. Aber bisher hat sich niemand bei uns beschwert. Partnerschaften und Freundschaften sind halt auch extrem wichtig, gerade in Zeiten wie diesen. Also schauen wir, was Stuttgart zu bieten hat: 13 Partner- und Freundschaften. Darunter eine mit einer Stadt in Russland (Samara), an der Stuttgart auch festhält – zum Ärger des ukrainischen Generalkonsuls. Außerdem ist eine Stadt dabei, die bei Stadt-Land-Fluss zehn Punkte bringt (Stadt, die niemand sonst nennt): Menzel Bourguiba. Hat knapp 50 000 Einwohner:innen und liegt im Norden von Tunesien. Frankfurt bringt es auf 16 Partner- und Freundschaften. Plus die Verbindung – regelmäßige Leserinnen und Leser dieser Rubrik wissen Bescheid – zwischen dem Stadtteil Nieder-Eschbach und der französischen Kommune Deuil-la-Barre (auch ein Zehner bei Stadt-Land-Fluss). Und wir verärgern auch niemanden mit Partnerschaften in Putins Reich. Insofern geht dieser Punkt an Frankfurt. 2:1

Zum Spiel

An diesem Mittwoch um 20.45 Uhr spielt Eintracht Frankfurt beim VfB Stuttgart um den Einzug ins Finale des DFB-Vereinspokals. Die Begegnung im Stuttgarter Neckarstadion ist ausverkauft.

Die ARD überträgt die Partie live im Ersten mit Vorberichten ab 20.15 Uhr. Auch im Bezahlfernsehsender Sky ist das Spiel zu sehen.

Falls die Eintracht gewinnt, steht sie zum dritten Mal seit 2017 im Finale in Berlin. 2018 gewann sie den Pokal.

Sprache

Man kann eigentlich nicht sagen, dass Stuttgart allein daran schuld sei. Auch eine Reise an den wunderbaren Bodensee leidet darunter, dass viele Menschen dort dieses erstaunliche Problem haben: Schwäbisch. Dies als Sprache oder Dialekt zu bezeichnen, führt in eine falsche Richtung – es ist eher ... ja, wie gesagt, ein Problem. Du fragst jemanden nach dem Weg oder nach einem Brot oder nach einem bestimmten Roman und erhältst zur Antwort eine bunte Auswahl von Ä-Lauten, wo E-Laute angebracht wären, ein Überangebot an Sch statt S, und an ausnahmslos jedem Wort hängt ein -le hintendranle. Bardo, wie der Stuttgarter sagt, wenn er Pardon, meint, aber so nicht! Da lobe mer uns des scheene Frankforderisch, was jeder verstehe duht. Punkt für Frankfurt. 3:1

Lage

Stuttgart liegt bekanntlich in einem Kessel, wie ihn sonst nur Hexen (Hicksi, Gundel Gaukeley) verwenden, die bei Onkel Dagobert kostenlos fernsehen oder seinen ersten selbstverdienten Taler stibitzen wollen, was ihnen aber nicht gelingt, weil Onkel Dagobert gut aufpasst. Wo waren wir? Ach so – Kessel. Da unten drin wird die Luft so ... wie soll man sagen ... dick, dass der normale Mensch nicht mehr atmen und kaum noch Fußball spielen kann. Schwaben sind dagegen immun, weil sie mit Spätzle gedopt sind. Hessen haben aber ein Gegenmittel: Grüne Soße, die sie im Frühling stärkt. Gut, dass Frühling ist. Trotzdem: Unentschieden. 4:2

Volksfeste

In Stuttgart locken das Cannstatter Frühlingsfest und das Cannstatter Volksfest (Herbst) die feierlustigen Menschen an. Um sie zu verwirren, heißen Volksfeste in Stuttgart nicht Stuttgarter Frühlingsfest (oder Volksfest), sondern sind nach einem Stadtbezirk benannt, der Bad (seltsam genug) Cannstatt heißt. Das Festgelände wird als Wasen bezeichnet. Noch seltsamer: „Der indirekte Anlass des ersten Volksfestes liegt in Asien, wo 1815 der indonesische Vulkan Tambora explodierte.“ (Wikipedia) Außerdem muss befürchtet werden, dass auf dem Fest sehr viel Schwäbisch gesprochen wird. In Frankfurt gibt es zweimal im Jahr die Frankfurter (sic!) Dippemess. Anlass war der Verkauf von Dippe, und zwar schon im 14. Jahrhundert. Dippe gibt es aber heute keine mehr, und auf den Wasen gehen zehn Mal so viele Leute. Also Remis. 5:3

Viel zu harte Polizeieinsätze

Eine neue Rubrik in der langen Geschichte des Städtevergleichs der FR. Vermutlich werden wir sie auf der nächsten Doppelseite dieser Art (die mit ziemlicher Sicherheit am Tag des Pokalfinales erscheint) nicht wiederholen, denn wir wollen keine Stimmung gegen die Polizei schüren. Die macht einen guten Job. Also fast immer. Nur nicht am 29. September 2010, als ein Einsatz gegen die Gegner:innen des Bauprojekts Stuttgart 21 eskalierte. Das Bild von Dietrich Wagner, dem Wasserwerfer die Augen ausgeschossen hatten, ging um die Welt. Frankfurt hingegen hat einen Einsatz vor dem Europacupspiel der Eintracht gegen Donezk zu bieten. Um ein geschmackloses Transparent sicherzustellen, rückten übermotivierte Beamt:innen aus. Zwei von ihnen stießen einen Fan ohne Not über eine Werbebande. Das Opfer lag sechs Tage im Krankenhaus. Und die Wertung? Entfällt. Für so etwas gibt es keine Punkte. 5:3

Verlage

Es gab eine Zeit, da konntest du in Frankfurt keinen Fuß vor den anderen setzen, ohne vor dem Prachtgebäude eines der hier ansässigen Buchverlage zu stehen. Na gut, es gibt immer noch um die 75 davon in der Stadt, aber Suhrkamp ist abgewandert, Eichborn verkauft, das große Buchmessefest bei S.Fischer mit seinem hervorragenden Wein und seinen leckeren Häppchen und all den illustren Autorinnen und Autoren ist traurig-schöne Vergangenheit. Und Stuttgart? Festhalten: Stuttgart hat den Kosmos-Verlag. Die drei Fragezeichen! Experimentierkästen! Kristalle wachsen lassen! Mikroskopieren! Chemie! Wissenspuzzle „Dinosaurier entdecken“! Gesellschaftsspiele! „Jeder Mensch verschluckt im Schlaf acht Spinnen pro Jahr“ (nein – das ist nur ein Vorurteil). Stuttgart hat angeblich 200 Verlage. Dabei hätte dieser eine schon gereicht. Punkt für Stuttgart. 5:4

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Stuttgart geht die Verkehrswende mit der Standseilbahn an. © imago/Westend61

Verkehrsmittel

In Stuttgart gibt es eine Standseilbahn. Und bevor jetzt alle so tun, als wüssten sie, was das genau ist: Bei einer Standseilbahn laufen die Wagen auf Schienen am Boden. So etwas gibt es durchaus in einigen Städten, zumeist aber nur zum Vergnügen von Touristinnen und Touristen. In Stuttgart ist das anders. Die Seilbahn ist dort ein ganz normales Verkehrsmittel im Stadtteil Heslach und fährt zwischen dem Südheimer Platz und dem Waldfriedhof hin und her. Das ist eigentlich eine sehr schöne Sache. Weniger schön sind die Spitznamen, die der Volksmund, dieser Schuft, der Bahn gegeben hat. Als da wären „Erbschleicher-Express“, „Lustige-Witwen-Bahn“ oder „Witwen-Express“. Also geht der Punkt wegen Altersdiskriminierung an Frankfurt... wobei: Frankfurt hat die berühmte Straßenbahnlinie 11, die eine geschlagene Stunde quer durch die ganze Stadt fährt (falls nicht gerade wieder ein Auto auf den Schienen steht, was bei der Stuttgarter Seilbahn nicht passieren kann). Und es gibt immer noch Menschen, die die Linie 11 als „Junkie-Express“ bezeichnen. Der Begriff ist noch blöder als die Witze mit den Witwen und den Erbschleichern – und deshalb geht dieser Punkt an Stuttgart. 5:5

Tiere

Stutengarten sagt man gern scherzhaft zu Stuttgart. Und wer dann nachliest, was der Name eigentlich bedeutet, stößt auf den Hinweis, dass dort, wo heute Stuttgart liegt, im 10. Jahrhundert ein Gestüt sein Domizil hatte. Mittelhochdeutsch nannte es sich stuotgarte, und das heißt: Stutengarten. Zum Wiehern. Liegt übrigens einen knappen Stundenritt entfernt vom Esslinger Gurkenhersteller Hengstenberg. Mehr Tiere beherbergt Stuttgart in seinem Zoo namens Wilhelma, benannt nach dem König Wilhelm I. von Württemberg, den es wohl nicht störte, dass Wilhelma eher den Gedanken an eine weiblich gelesene Person aufkeimen lässt. Frankfurt hat ebenfalls einen Zoo, in dem es eine Menge Tiere beherbergt. Der heißt Frankfurter Zoo und nicht etwa Karla. Apropos: Seinen Namen hat Frankfurt von den Franken, deren König Karl der Große mit seinem Gefolge von einer Hirschkuh über den Main geführt wurde. Immer wieder wunderbar, die Geschichte. Aber wieso eigentlich nicht Hirschfurt? Unentschieden. 6:6

Treppen

Kennen Sie die Stäffele? Nein, nicht Spätzele. Die Stäffele sind Treppen. Also ganze Treppenanlagen. Davon gibt es mehr als 400 in Stuttgart. Gesamtlänge: mehr als 20 Kilometer. Der Hintergrund ist historischer Natur. Die Weinbauern nämlich, die an den Hängen bis Anfang des 19. Jahrhunderts ihrem Handwerk nachgingen, nutzen die Treppen, um die steilen Terrassen zu erreichen. Jedenfalls gibt es für Menschen aus Stuttgart auch den Spitznamen Stäffelesrutscher. Wir sparen uns jetzt einmal das Gendern, das Wort liest sich ohnehin recht sperrig. Frankfurt kann derartige Anlagen nicht vorweisen. Aber: Wir haben den Messeturm, in dem es jedes Jahr einen Treppenlauf gibt. 1202 Stufen sind zu bewältigen. Der Sieger brauchte zuletzt sechseinhalb Minuten, aber manche Teilnehmende waren auch eine knappe Stunde unterwegs. Mit dabei ist auch immer die Feuerwehr. Für die Jungs ist das ein gutes Training. Die Frankfurter Treppen dienen also dem Brandschutz. Punkt für Frankfurt. Endstand 7:6

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