1. Startseite
  2. Frankfurt

Fechenheimer Wald: Suche nach Heldbock, Eremit und Hirschkäfer

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Florian Leclerc

Kommentare

Bis 18. Januar 2023 standen hier noch Büsche und Bäume. Nun ist die Sicht auf die A66 in Richtung Hanau frei.
Bis 18. Januar 2023 standen hier noch Büsche und Bäume. Nun ist die Sicht auf die A66 in Richtung Hanau frei. © Renate Hoyer

Die Autobahn-GmbH bereitet den Bau des Riederwaldtunnels vor. Im Fechenheimer Wald wird nach mehreren Käferarten gesucht.

Sieben Wochen nach der Rodung im Fechenheimer Wald in Frankfurt hat die Autobahn-GmbH des Bundes zu einem Rundgang eingeladen. Journalist:innen und Autobahn-Mitarbeiter:innen liefen am Dienstagnachmittag an der Ausfahrt der A66 nach Hanau entlang zum gerodeten Waldstück, das eingezäunt ist. Jemand schloss eine Tür im Zaun auf. Schon standen alle im abgegrenzten Bereich.

Die Erinnerung flackerte auf an drei ereignisreiche Tage: Merkwürdigerweise wachten zwei Reporter der Frankfurter Rundschau am Mittwoch, 18. Januar, schon weit vor sechs Uhr morgens auf. Unabhängig voneinander schalteten sie ihre Radios ein, sichteten die Nachrichtenkanäle auf ihren Handys, schauten in ihre Arbeits-E-Mails. Beide merkten schnell: Die Räumung im Fechenheimer Wald hatte vor Sonnenaufgang begonnen.

Die Baumstümpfe werden noch entfernt.
Die Baumstümpfe werden noch entfernt. © Renate Hoyer

Um kurz nach sieben stand einer der beiden Reporter am Rande des Fechenheimer Walds, umringt von Polizei. Im Wald bereiteten sich die Aktivist:innen auf die Räumung vor. Erste Baumhäuser fielen an diesem Tag.

1800 Polizist:innen waren im Einsatz

Völlig durchgefroren wurde der Reporter gegen Mittag vom anderen Frühaufsteher-Kollegen abgelöst; so ging das auch an den beiden folgenden Tagen. 1800 Polizist:innen waren während der dreitägigen Räumung im Einsatz. 20 Barrikaden, Baumhäuser und Strukturen, die Aktivist:innen seit September 2021 gebaut hatten, wurden geräumt.

22 Menschen wurden unverletzt aus den Bäumen geholt. Die Polizei stellte 25 Straftaten und 65 Ordnungswidrigkeiten fest. Die Autobahn-GmbH ließ 2,2 Hektar Wald roden und zwei Baustraßen schottern. Eine kleine Insel mit Eichen blieb in der Mitte der Baustraßen stehen.

Zu dieser kleinen Insel laufen die Reporter:innen am Dienstagnachmittag. Noch sind die Baustraßen nicht asphaltiert, der Schotter knirscht unter den Sohlen. Die Eichen zwischen den Baustraßen sind teilweise mit „K“ markiert. In diesen Bäumen werden Heldbockkäfer vermutet. Zwei Banner der Besetzer:innen flattern noch im Wind. Von manchen Bäumen hängen Seile herab, an denen die Baumhäuser befestigt waren.

Käfer-Gutachten im Herbst

Vor dem Rundgang ins Rodungsgebiet hatte die Autobahn-GmbH in ihrer Außenstelle in der Röntgenstraße über die nächsten Schritte in diesem Jahr informiert.

Im Dezember hatte ein Gutachten ergeben, dass der Heldbock in mehr als 1200 Eichen im Fechenheimer Wald leben könnte. 47 dieser Eichen stehen im Rodungsgebiet. Von April an sollen Fachleute mit Hilfe eines Spürhunds nach Eiern, Larven und Imagines – voll entwickelten Heldbockkäfern - suchen. Die Ergebnisse werden im Herbst in einem Gutachten zusammengefasst.

Aufgabe des neuen Gutachtens ist es nicht, die Bäume auf der Insel dauerhaft zu schützen. Vielmehr will die Autobahn-Gesellschaft eine „artenschutzrechtliche Ausnahme“ erarbeiten.

Im Fechenheimer Wald soll eine „CEF-Fläche“ eingerichtet werden, CEF („continuous ecological functionality“) ist Englisch für „dauerhafte ökologische Funktionalität“. Also ein geschütztes Waldstück für den Heldbock. Das neue Gutachten soll in eine Änderung des planfestgestellten Fällbereichs einfließen.

Autobahn-Ausbau

In Frankfurt will die Autobahn-GmbH des Bundes die A66 im Osten der Stadt ausbauen. Der Bauabschnitt ist 2,2 Kilometer lang. Davon verlaufen 1,1 Kilometer Autobahn im Riederwaldtunnel. Die ersten Autos sollen Ende 2031 über den neuen Abschnitt fahren, der eine Lücke im Autobahnnetz rund um Frankfurt schließt.

Die bisherige Anschlussstelle Bergen-Enkheim im Osten der Neubaustrecke wird aufgegeben. Dafür wird eine Anschlussstelle Borsigallee leicht westlich neu gebaut. Im Westen der Neubaustrecke gibt es das dreigeschossige Autobahndreieck Erlenbruch bereits, über das Fahrzeuge auf der A661 fahren.

Laut Verkehrsprognose entlastet der A66-Ausbau Straßen aus Frankfurt hinaus, bringt aber Mehrverkehr in die Stadt hinein. fle

Auch nach zwei weiteren Arten, Eremit und Hirschkäfer, will die Autobahn-GmbH suchen lassen. Damit nicht etwas Ähnliches passiert wie im Sommer 2022: Plötzlich tauchte der Heldbock im Fechenheimer Wald auf, wurde gefilmt. 2015 war er laut Gutachten noch nicht dort gewesen.

Planänderung bei Anschlussstelle

Eine weitere Planänderung betrifft die Anschlussstelle Borsigallee. Hier hatte die Autobahn-GmbH nach eigenen Angaben zuletzt eine drei Etagen hohe „Rautenanschlussstelle“ geplant. Die brauche aber lange und teure Kreuzungsbauwerke, erklärte die Behörde nun. Das Park-and-Ride-Parkhaus Borsigallee wäre nur von Osten über die A66 erreichbar gewesen.

Stattdessen plant die Autobahn-GmbH nun eine Anschlussstelle in Form einer Trompete, um die aufwendigen Kreuzungsbauwerke zu vermeiden; zudem sei das Parkhaus dadurch aus beiden Richtungen über die Autobahn erreichbar. Der Nachteil: Etwa 0,2 Hektar müssen zusätzlich gerodet werden. Das betrifft auch mehrere Kleingärten südlich der Borsigallee. Weil an anderer Stelle aufs Roden verzichtet wird, fallen in Summe etwa zusätzlich 50 Quadratmeter Natur.

Besonders heben die Mitarbeiter:innen die neu gestaltete Straße Am Erlenbruch hervor. Viele große und grüne Bäume schmücken eine Illustration, die sie den Medienleuten präsentieren. Die Bäume sollen im Boden bis zu vier Meter tief wurzeln können, bis sie auf die Decke des Riederwaldtunnels treffen.

Der Bauwagen bleibt Treffpunkt für Sonntagsspaziergänge.
Der Bauwagen bleibt Treffpunkt für Sonntagsspaziergänge. © Renate Hoyer

Autos sind auf der Illustration nicht zu sehen, was verwundert. Denn der Autoverkehr nimmt laut Verkehrsprognose am Erlenbruch nur um ein Drittel ab, nicht um 100 Prozent. Dafür nutzen auf der Illustration Radfahrer:innen den neuen Radweg auf der Straße, die keine Schlaglöcher mehr hat. Fußgänger:innen warten geduldig an einer Ampel.

Für dieses vermeintliche Idyll sind allerdings noch jahrelange Arbeiten mit teilweise außerordentlichem Lärm nötig. Die U-Bahn-Trasse wird verlegt, was zu Schienenersatzverkehr führt. Die Haltestelle Schäfflestraße bekommt einen Mittelbahnsteig, ein Ringverkehr wird für mehrere Jahre durch den Stadtteil Riederwald führen.

2024 sollen den Angaben zufolge die Hauptarbeiten für den Riederwaldtunnel beginnen, und zwar von außen nach innen. Gebaut werden soll bis 2031. Die Baukosten werden nach wie vor mit 477 Millionen Euro angegeben. Allerdings werden derzeit die Kosten neu berechnet; die Ergebnisse sollen ab Sommer vorgestellt werden.

Die bereits geräumten Flächen der Kleingärten nahe der Straße Am Erlenbruch werden ab 2031 der Stadt zurückgegeben. Die Stadt kann dann entscheiden, ob dort wieder Kleingärten hinkommen sollen.

Noch in diesem Jahr wird der Kampfmittelräumdienst im Rodungsgebiet nach Munition und Weltkriegsbomben suchen, danach werden die Baumstümpfe entfernt. Von der A66-Ausfahrt Hanau wird eine Rampe zu den Baustraßen gebaut, die asphaltiert werden. Bis Jahresende soll die Ausschreibung für den Riederwaldtunnel erfolgen.

Auch interessant

Kommentare