Familiengericht Frankfurt: Im Namen der Kinder - Gesichter der Justiz

Heidi Fendler hat im Familiengericht viel mit zerrütteten Verhältnissen zu tun. Und dennoch glaubt die Richterin weiter an die Ehe.
Die gute Nachricht vorweg: Heidi Fendler glaubt immer noch an die Ehe. Trotz 1648 Scheidungen, die das Familiengericht in Frankfurt im vergangenen Jahr regeln musste. Dazu kommen rund 5000 weitere Verfahren um strittige Themen wie Unterhalt, Besuchsrechte, Vormundschaften oder Kinderschutzverfahren. „Das sind die schwierigsten Verfahren“, konstatiert Familienrichterin Fendler. Denn zu entscheiden, ob ein misshandeltes Kind bei den Eltern bleiben kann oder nicht, sei „der schwerste Eingriff von allen“.
Bei solchen Verfahren muss Fendler auch immer mit dem betroffenen Kind sprechen. In ihrem Dienstzimmer im Justizgebäude B sieht es daher auch deutlich fröhlicher und bunter aus als in vielen anderen Zimmern auf den langen Fluren. An den Wänden hängen Kinderzeichnungen, auf einem Regal thront Peppa Wutz. Auch einige Spielutensilien hat die Richterin in ihrem Fundus. „Für Kinder bedeutet so eine Anhörung Stress, daher gibt es immer eine Warm-up-Phase“.
Das Familiengericht Frankfurt hat ein eigenes Kinderzimmer
Für dieses Beschnuppern gibt es im Amtsgericht sogar eigens ein Kinderspielzimmer. Es seien immer „gescheiterte persönliche Verhältnisse“, mit dem sich Fendler und ihre gut 30 Kolleginnen und Kollegen beim Familiengericht befassen müssen.
Fendler stammt aus der österreichischen Bodenseeregion und kam als Jugendliche nach Frankfurt. Hier hat sie auch Jura studiert und danach zunächst für ein halbes Jahr in Paris in einer großen Kanzlei gearbeitet, bevor es sie zum Amtsgericht Frankfurt zog. An das Familiengericht hat sie damals noch nicht gedacht. „Ich wollte eigentlich Strafrichterin werden“, erzählt Fendler. Als sie nach einer kurzen Phase beim Zivilgericht 2002 gefragt wurde, ob sie Familienrichterin werden wolle, habe sie „spontan Nein gesagt“ mit der Begründung: „Ich weiß schon bei meinen Zeugen nicht, ob sie lügen, wie soll ich wissen, was gut für die Kinder ist?“
Familiengericht Frankfurt: „Kinder ertragen den Stress nicht“
Kinder nehmen bei den Anhörungen gelegentlich ihre Eltern in Schutz, weil die Wahrheit unbequem ist. „Die Kinder ertragen den Stress nicht“, sagt Fendler und berichtet von Achtjährigen, die ihren Alltag weitgehend selbst organisieren müssen, weil Elternteile überfordert sind.
Als Fendler 2002 dennoch beim Familiengericht anfing, sei vieles noch „learning by doing“ gewesen. Heute gibt es verpflichtende Fortbildungen etwa dazu, wie viel man ein traumatisiertes Kind überhaupt fragen darf und kann. Zudem unterstützen die Erfahrenen im Kollegium die neuen Familienrichter:innen bei der Einarbeitung. Fendler, seit 2010 auch sogenannte weitere aufsichtsführende Richterin, gehört definitiv zu den Erfahrenen und ist von ihrem Faible für das Strafrecht schon lange abgekommen. „Das Strafrecht beleuchtet immer ein Ereignis in der Vergangenheit, wir leisten mehr eine zukunftsbezogene Arbeit, etwa: Wie geht es mit den Kindern weiter?“
Familiengericht Frankfurt: Akten mit Rotdeckel zeigen, es eilt
Wie alle anderen Abteilungen des Amtsgerichts kann sich auch das Familiengericht über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Wenn Fendler morgens in ihr Büro kommt, hat sie stapelweise neue Akten zur Bearbeitung auf ihrem Sideboard. Ist eine Akte im „Rotdeckel“ dabei, weiß die 53-Jährige: Es eilt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Eilsachen gibt es relativ viele, was bei so sensiblen Themen wie der Anhörung von Kindern naheliegt.
Zugenommen haben auch Gewaltschutzverfahren, was aber nicht an zunehmender Gewalt innerhalb der Familie liegt. Seit 2009 bearbeitet das Familiengericht generell alle Gewaltschutzverfahren. „Da sind leider auch viele Nachbarschaftsstreitigkeiten dabei“, sagt Fendler. Teilweise seien diese Verfahren ein bisschen „absurd“. Einmal habe sie sogar festlegen müssen, welcher Hundebesitzer wann auf die Hundewiese darf, damit sich die Nachbarn dort nicht mehr begegnen.
Familiengericht Frankfurt: weniger Unterhaltsverfahren, dafür mehr Kampf um Besuchsrechte
Wer so lange wie Heidi Fendler im Familiengericht arbeitet, bekommt den gesellschaftlichen Wandel ganz gut mit. Verfahren um Unterhaltszahlungen haben im Laufe der Jahre abgenommen, weil die Frauen generell früher wieder arbeiten gehen. Hingegen sind Umgangsverfahren, in denen es um Besuchsrechte der Elternteile geht, schwieriger geworden. „Diese Verfahren werden mit viel größerer Vehemenz geführt als früher“, sagt Fendler. Vätern reiche es heute nicht mehr, die Kinder nur mal an den Wochenenden zu sehen.
In ihrer Freizeit geht die Richterin gerne in Ausstellungen oder schwimmen. „Am liebsten in offenen Gewässern“, sagt sie, auch wenn Frankfurt in dieser Hinsicht wesentlich weniger zu bieten habe als ihre ursprüngliche Heimat im Süden.
Dafür liest Heidi Fendler zum Ausgleich Bodensee-Krimis, in denen sie dann doch noch einen Zugang zum einst favorisierten Strafrecht bekommt.
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