Evangelische Akademie Frankfurt unter neuer Führung

Die Politik- und Erziehungswissenschaftlerin Hanna-Lena Neuser leitet die Evangelische Akademie Frankfurt nicht mehr nur kommissarisch.
Wenige Tage vor Aschermittwoch überlegen viele, auf was sie in der danach beginnenden Fastenzeit verzichten wollen. Für Hanna-Lena Neuser greift in Zeiten des Klimawandels die Frage nach dem zeitweiligen Verzicht bis Ostern zu kurz. „Bei unserem Konsumverhalten müssen wir uns das ganze Jahr über fragen, was eigentlich normal ist“, sagt die neue Direktorin der Evangelischen Akademie Frankfurt, die am 12. Mai bei einem Gottesdienst festlich in ihr Amt eingeführt werden wird.
Wobei die 42 Jahre alte Politik- und Erziehungswissenschaftlerin in ihrer Leitungsfunktion nicht neu ist. Nachdem ihr Vorgänger Thorsten Latzel im März 2021 die Evangelische Akademie verließ, um Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland zu werden, hat sie das Haus auf dem Römerberg kommissarisch geleitet. Ihre jetzige Berufung ist trotzdem in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Einmal, weil sie eine Frau ist, nur drei der insgesamt 17 Evangelischen Akademien in Deutschland werden von Direktorinnen geleitet. Und sie hat, anders als für diese Führungskräfte üblich, nicht Theologie studiert.
Die Evangelische Akademie, in der jährlich 150 Veranstaltungen und bis zu 350 Gastveranstaltungen abgehalten werden, ist der 42-Jährigen bestens vertraut. Sie ist seit November 2015 dort beschäftigt und hat das Nachwuchsprogramm „Junge Akademie“ für 18- bis 30-Jährige aufgebaut. Davor war sie Studienleiterin an der Evangelischen Akademie in Tutzing. Der Umzug nach Frankfurt war für sie und ihren Ehemann eine Heimkehr.
Hanna-Lena Neuser ist gebürtige Frankfurterin. Sie wuchs in Sossenheim auf. Die starken sozialen Unterschiede in dem Stadtteil prägten ihr Politikbewusstsein. Kontraste bot in puncto Religion auch ihr Elternhaus. Ihr Vater war ein „strenggläubiger Atheist“. So habe er sich selbst bezeichnet, erzählt sie schmunzelnd. Ihre Mutter war in der Dekanatssynode aktiv. Sie selbst engagierte sich als Jugendliche in der Kirche. Ihren Ehemann lernte sie in einer Jugendgruppe kennen. Sie studierte Politikwissenschaft und öffentliches Recht, zunächst an der Goethe-Universität, nach zwei Semestern wechselte sie an die Universität in Trier. „Ich wollte in einer klassischen Universitätsstadt studieren“, erzählt sie. Später, als ihr klar wurde, dass sie in die Erwachsenenbildung gehen wollte, machte sie an der TU Kaiserslautern noch einen Magister in Erwachsenenbildung.
Hanna-Lena Neuser ist Mutter dreier Kinder, acht, zwölf und 14 Jahre alt. Wie bringt sie Familie und Führungsaufgabe in Einklang? „Meine Kinder sind sehr selbstständig. Und ich habe nicht den Anspruch, alles allein schaffen zu müssen. Da dürfen auch andere mithelfen. Familie ist für mich immer ein Gemeinschaftskunstwerk“, sagt sie.
Kampfgeist gefragt
Kooperation ist auch in der Evangelischen Akademie gefragt, die von einem eigenen Verein getragen und über diesen hauptsächlich von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und dem Evangelischen Regionalverband finanziert wird. Viele Veranstaltungen werden mit Kooperationspartnern wie beispielsweise dem Museum für Kommunikation gestaltet. Als Themenschwerpunkte sieht Hanna-Lena Neuser für die Zukunft die Frage nach der Zukunft der Demokratie, der Bedeutung Europas und der Transformation der Wirtschaft, alles Themen, die in Frankfurt als Europa- und Bankenstadt gut angesiedelt seien.
„Kampfgeist“ lautet der Titel des aktuellen Programmhefts der Akademie. Gerade angesichts der zahlreichen Kriegs- und Krisenherde in der Welt, so die neue Direktorin, lohne es sich, diesen genauer in den Blick zu nehmen. In der Ukraine zeige sich, was es für einen Unterschied mache, mit welchem Geist, mit welcher Haltung, mit welcher Überzeugung jemand für seine Sache eintrete.