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Es droht Stillstand auf den Baustellen

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Einsam ruht dieses Treppenhaus an der Friedberger Landstraße.
Einsam ruht dieses Treppenhaus an der Friedberger Landstraße. © Rainer Rüffer

Bauherren rutschen wegen der steigenden Inflation und Materialengpässen in die Krise. Die städtische Baugesellschaft ABG muss neue Projekte wegen nicht kalkulierbarer Preise schieben.

Der Holzmodulbau der Wohnbaugenossenschaft Frankfurt in der Friedberger Landstraße wächst nicht weiter. Einsam steht die Treppe, aus Brandschutzgründen in Beton ausgefertigt, auf der Baustelle. Das Problem: Die Fenster können nicht geliefert werden. „Die Wände werden komplett im Werk gefertigt, und weil die Fenster fehlen, können sie nicht produziert werden“, sagt die Architektin Cora Lehnert, Vorstandsmitglied der Genossenschaft. Die Verzögerung beträgt voraussichtlich vier Monate. Im Juli soll es weitergehen. „Die Pandemie hatten wir im Griff, den Ukrainekrieg konnten wir nicht voraussehen“, sagt Lehnert. „Aber wir lassen uns nicht ins Bockshorn jagen.“

Die Situation ist überall ähnlich. Material verteuert sich und wird teilweise nur mit Monaten Verspätung geliefert. Der Prokurist der Eugen Hoffmann GmbH, einer Baufirma aus Höchst, hat es „in 29 Jahren Bauleitung“ noch nicht erlebt: Drei Monate müsse man auf Nägel warten. Und ohne Nägel keine Verschalung für Betonarbeiten. Dazu die Preisentwicklung: „Eine Tonne Betonstahl kostete vor einem Jahr 520 Euro, im Mai 1700 Euro.“

Bauen wird zum Finanzrisiko, auch für die Unternehmen. Und Bauherren müssen umplanen. Die dramatische Lage wirkt sich ebenfalls auf den städtischen Wohnungsbau aus. Frank Junker, Geschäftsführer der ABG Holding, sagt: „Wir müssen neue Projekte schieben. Die Preise sind einfach nicht mehr kalkulierbar. Es gibt keine Festpreise mehr. Wir müssen Preisgleitklauseln akzeptieren, was ein Risiko ist.“ Bestehende Baustellen werden noch fertiggestellt – auch, weil die ABG beziehungsweise ihre Baufirmen das Material gelagert haben, was natürlich eine finanzielle Vorleistung ist, die zusätzliche Kosten verursacht.

Apropos Kosten: Bankkredite werden teurer, die Zinsen steigen. „In der KfW-Förderung gibt es ein Loch, dieses Geld fehlt auch“, sagt Junker. „Und unabhängig von der aktuellen Kostensteigerung sind die Fördermittel durch Stadt und Land festgeschrieben, also nicht dynamisiert.“ Dies müsse sich schnell ändern, sonst sei sozialer Wohnungsbau nicht länger bezahlbar. „Die Inflation im Baugeschäft war binnen Jahresfrist sicher zweistellig“, schätzt Junker.

Markus Geiser, Leiter Betriebswirtschaft beim Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen, glaubt, dass stillstehende Baustellen die Ausnahme seien. „Aber das Problem droht.“ Beispiel Stahl: Die Ukraine könne, Russland und Belarus dürften nicht liefern. Beispiel Steine: Ziegelsteine müssen gebrannt werden und Gas ist enorm teuer geworden. „Früher ist man in wenigen Tagen beliefert worden, jetzt dauert es drei Monate“, berichtet Geiser. Schon immer gab es in Ballungsräumen hohe Grundstückspreise, sind Preise einzelner Baustoffe explodiert, „aber jetzt explodiert alles, bis hin zum Dieselkraftstoff für die Baumaschinen“.

Laut statistischem Bundesamt wurde Betonstahl binnen Jahresfrist bis März 2022 um 60 Prozent teurer, Bauholz um 44 Prozent, Styropor und andere erdölbasierte Dämmstoffe um 42 Prozent. Preisgleitklauseln könnten die Baufirmen absichern, aber das geht nur bei Industriebauten und öffentlichen Bauten. „Private Bauherren können das nicht machen, da spielt die Bank nicht mit. Es gibt eine große Unsicherheit, auf beiden Seiten. Sowohl die Firmen als auch die Auftraggeber wissen nicht, wie es weitergeht“, so Geiser.

Horst Jungmann, technischer Leiter bei Jöst-Bauunternehmen GmbH, sieht angesichts der Lieferprobleme nur eine Möglichkeit: frühzeitig bestellen und Lager bilden. „Das wird für viele Firmen ein Problem, wenn sie das Geld für das Material nicht haben oder es Platzprobleme gibt.“ Selbst für Groß und Partner, einen der Marktführer, ist die Lage angespannt. „Unser Projekt The Spin am Güterplatz liegt im Zeitplan“, versichert der Geschäftsführer José Martínez. Aber: „Auch wir müssen sehr viel mehr arbeiten, kreativ sein und unser spezifisches Bau-Know-how durch unsere Tochterunternehmen ausschöpfen.“ Die Vergaben der laufenden Projekte habe man vor dem Krieg in der Ukraine abgeschlossen.

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