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Das erste "Rock gegen rechts

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Von: Claus-Jürgen Göpfert

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So sah es im Juni 1979 auf dem Rebstockgelände in Frankfurt aus: Etwa 30 000 Leute protestierten gegen die NPD.
So sah es im Juni 1979 auf dem Rebstockgelände in Frankfurt aus: Etwa 30 000 Leute protestierten gegen die NPD. © Roland Witschel/dpa

1979 gab es in Frankfurt das erste "Rock gegen rechts". Die rechtsradikale NPD hatte ein "Deutschlandtreffen" in der Stadt angekündigt.

Was 1979 in Frankfurt geschah, wirkt heute recht vertraut. Damals ist es die rechtsradikale NPD, die ein „Deutschlandtreffen“ in der Stadt ankündigt. Bestürzung bei der Linken. Im „Club Voltaire“ treffen sich unter anderen Bernd Messinger und Jürgen Engel, später Mitglieder der ersten Grünen-Fraktion im Hessischen Landtag. Mit dabei ist der Intendant des Theaters am Turm (TAT), Hermann Treusch. Ihre Idee: Sie wollen mit Kultur die Menschen mobilisieren. Genauer: mit Rockmusik. Das Motto wird geboren: Rock gegen rechts.

„Das Schwierigste war die Finanzierung“, erinnert sich Messinger heute. Und: „Der Club Voltaire war das logistische Zentrum des Widerstands.“ Die Organisatoren, darunter der AStA der Goethe-Universität, bringen gerade mal 5000 Mark zusammen. Aber ihr Aufruf zum „Sternmarsch“ gegen rechts am 16. Juni ist dennoch ein großer Erfolg. 

Nach und nach versammeln sich etwa 40 000 Menschen in der Frankfurter Innenstadt. „Wir wollten den Paulsplatz und den Römerberg besetzen“, so der Grüne Messinger, der heute Büroleiter von Umweltdezernentin Rosemarie Heilig ist. Genau diese Plätze aber möchte der damalige Oberbürgermeister Walter Wallmann (CDU) freihalten. Es gibt Verhandlungen. Am Ende dürfen die Demonstranten aber zumindest auf den Paulsplatz. 

Am Nachmittag beginnt auf einer großen Bühne am Rebstock das Konzert. Es spielen die „Bots“ aus den Niederlanden, die „Schmetterlinge“ aus Wien, das „Sogenannte Linksradikale Blasorchester“ um Heiner Goebbels und Alfred Harth aus Frankfurt, die „Gebrüder Engel“ mit ihrem Lied über die „Bild“-Zeitung („Lies und Kotz“) und viele andere mehr. 

 Am Abend bekommen die Organisatoren einen Anruf: „Hallo, hier ist Udo, habt Ihr Lust, dass ich noch komme?“ Es dauert eine Weile, bis sie kapieren, wer da am Apparat ist: Udo Lindenberg, der damals gerade mit seinem „Panikorchester“ in aller Munde war. Natürlich stimmen die Frankfurter zu. Und am zweiten Tag des Konzerts rollt ein verbeulter Ford Transit auf das Rebstockgelände – und heraus klettern Udo und seine Band. 

Lindenberg ist es auch, der am Ende das riesige Finanzproblem der Organisatoren löst. Am Mikrofon auf der Bühne ruft er zu Spenden auf. Messinger lässt einen alten Mayonnaise-Eimer im Publikum kreisen. Bald sind fünf Eimer unterwegs. Es kommen 5000 Mark zusammen, vor allem Münzgeld, mit Mayonnaise verklebt. In der Badewanne werden die Münzen gereinigt. 

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