Engagierte Kämpferin für den gesellschaftlichen Wandel

Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe ist die Preisträgerin des Friedensbuchpreises 2021.
Für Tsitsi Dangarembga war es ein Morgen wie jeder andere, an dem sie wie gewohnt ihr E-Mail-Postfach durchflog und plötzlich über einen Absender stolperte, den sie noch nie gesehen hatte. „‚Herzlichen Glückwunsch‘ stand da“, erzählt die simbabwische Autorin. „Sie wurden mit dem diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.“ Erst hat sie gar nicht gewusst, worum es ging. Dann erinnerte sie sich, dass ihr Verleger sie vor einer Weile um ein paar selbstbeschreibende Zeilen gebeten hatte, um sie für den Preis anzumelden.
Der Friedenspreis wird seit 1950 jährlich vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels vergeben und ist mit 25 000 Euro dotiert. Preisträger:innen sind Personen, durch ihr Werk zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen haben.
Die paar Zeilen, die Dangarembga über sich schrieb, seien aber nicht der Grund für ihre Auszeichnung, sagt Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Vielmehr habe ihr Werk überzeugt. „Dangarembga ist eine beeindruckende Autorin, die sowohl mit Bildern als auch mit Worten kommunizieren kann. Sie hat die Gabe, uns mit verschiedenen Mitteln aufzuwühlen und Empathie zu erzeugen.“
Tsitsi Dangarembga ist nicht nur Autorin, sondern auch Filmemacherin. Die beiden Arten, Geschichten zu erzählen, seien für sie grundsätzlich sehr verschieden. „Wenn ich Prosa schreibe, kann ich sehr viel intimer sein und detaillierter einen längeren Zeitraum beschreiben. Es gibt nicht viele Geschichten über unseren Teil der Welt. Deshalb ist es wichtig, lange Zeitspannen zu decken.“ Da sie aber auch seit Jahrzehnten Filme mache, tendiere sie dazu, visueller zu denken, und das fließe dann manchmal in ihre Prosa ein. Im September dieses Jahres erschien ihr Roman „Überleben“, der die Trilogie über Tambudzai, eine simbabwische Frau mittleren Alters, abschließt. Die Romanreihe ermöglicht den Lesenden einen Einblick in das Leben und die Hindernisse einer Schwarzen Frau mit höherer Schulbildung im postkolonialen Simbabwe.
Dangarembga hat in den Neunzigerjahren mehrere Jahre in Berlin gelebt, wo sie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Filmregie studierte. Sie habe sich während dieser Zeit aber nie als Migrantin begriffen, da sie immer das Ziel gehabt habe, nach Simbabwe zurückzukehren. „Es kommt immer darauf an, aus welcher Perspektive man die Thematik betrachtet. In der Hinsicht gibt es sehr viele verschiedene Arten von Migration.“
Die Autorin weist darauf hin, dass Simbabwe, wie viele andere postkoloniale Staaten, keine strukturellen Veränderungen durchlaufen habe, deshalb seien die rassistischen Systeme von damals noch immer intakt. „Wenn es Veränderungen gegeben hätten, gäbe es heute nicht so viele Menschen, die sich gezwungen sehen, ihre Heimat zu verlassen. Sie stehen unter so enormem Druck, dass sie dabei sogar das Risiko eingehen, im Meer zu ertrinken.“
In ihrem Heimatland Simbabwe engagiert sich Dangarembga gegen Korruption und steht deshalb vor Gericht. Das Land erlebe eine ökonomische, politische und soziale Krise, und die meisten Menschen seien dankbar, wenn sie eine gute Mahlzeit pro Tag bekämen.
„Ich sehe mich selber nicht als Menschenrechtsaktivistin, sondern als verantwortungsbewusste Bürgerin.“ Als solche müsse sie sich fragen, wie sie sich engagieren und ihre Stimme nutzen könne. „Ich tue das, indem ich das tue, was ich kann: Geschichten erzählen.“