Einer ungewissen Zukunft entgegen

Der Club Voltaire startet am 1. September in die neue Saison. Die Zukunft der Institution des Frankfurter Gegenmainstreams ist aber ungewiss, weil die Stadt ab 2015 ihre jährliche kulturelle Förderung endgültig streicht.
Verbürgte Zitate zum Club Voltaire gibt es haufenweise. „Enklave inmitten des Konsumzentrums“ nannte der Frankfurter SPD-Vorsitzende Mike Josef die Kneipe einmal. „Gräte im Schlund der Innenstadt“ lautet der Titel, den der ehemalige hessische Justizminister Rupert von Plottnitz dem Club verpasste. Die Wahl-Frankfurterin Eva Demski nennt die Kneipe schlicht „mein Wohnzimmer“. Und Bernward Vesper schrieb in seinem Buch Die Reise: „Daniel Cohn-Bendit schüttet den Inhalt seines Weinglases an meinem Gesicht vorbei gegen die Wand des Club Voltaire“.
Den Wänden des Gastraums nach zu urteilen, haben sich solche Szenen oft in den zurückliegenden 52 Jahren ereignet. Die Eigendarstellung wirkt vor diesem Hintergrund fast schon kleinspurig. Auf der clubeigenen Homepage nennt sich der Club Voltaire einen „der langlebigsten politisch-alternativen Kulturorte der Republik“. Das kann sich hören lassen.
Da gerät beinahe in Vergessenheit, dass dieser Kulturort im vergangenen Jahr kurz vor dem Aus zu stehen schien. Der Magistrat der Stadt Frankfurt wollte dem Club das jährliche kulturelle Fördergeld von 7000 Euro streichen. Der Aufschrei war groß, der Widerspruch im Kulturausschuss auch, die Debatten hart und lang. Schließlich einigte man sich darauf die Förderung auf 5000 Euro zu kürzen. Aber auch so ist es knapp. „Wir sind auf Spenden angewiesen“, sagt Fisch. Wohl aus Solidarität verlieh die Frankfurter SPD ihren Kulturpreis im letzten Frühjahr an den Club. Die Rücknahme der Kürzungen bewirkte das jedoch nicht. Im Gegenteil: In Zukunft wird es noch enger. „In 2015 werden wir keine Pauschalförderung mehr bekommen, sondern müssen – wie andere Initiativen auch – eine Projektförderung für einzelne Veranstaltungen beantragen“, berichtet Fisch. Das habe sie bei einem Gespräch kürzlich im Kulturamt erfahren.
„Wenn wir in Zukunft Geld bekommen wollen, wird das dann natürlich ein größerer Verwaltungsaufwand.“ Sie sei aber dankbar, wenn der Verein überhaupt was bekomme. „Wir sind auf jeden Fall mehr denn je auf Spenden und die Unterstützung unserer Freund angewiesen.“ Zwar sind die Eigentümer des Hauses in der Kleinen Hochstraße dem Verein nach wie vor gewogen. Ganz verzichten wollen sie auf ihre Miete allerdings auch nicht. Der Club blickt also ungewissen Zeiten entgegen.
Dass es den Club überhaupt solange schon gibt – länger als ein halbes Jahrhundert – ist ein Anachronismus. Mitten in der Frankfurter Innenstadt, in einer Seitenstraße der Fressgass zwischen Alter Oper und Hauptwache, gelegen, ist der Club ein Gegenort. 1962 hat der Frankfurter Linke, Heiner Halberstadt mit einigen anderen die Institution an der Kleinen Hochstraße gegründet.
Treffpunkt für alle
Seit vergangenem März ist Doris Fisch die Vorsitzende des Vereins, der den Club führt. Etwa 50 Mitglieder hat der. Das Programm gestaltet eine neunköpfige Gruppe. „Der Verein wirkt auf das Programm nicht ein“, sagt Fisch. Das sei einzig und allein Sache der Programmgruppe. Diese Struktur führt zu einer großen Pluralität, die sich in dem bunten Programm widerspiegelt. „Wir wollen vor allem ein offenes Forum sein“, formuliert Fisch den durch die Jahre getragenen Anspruch des Club Voltaires. „Wir wollen die Gelegenheit bieten, sich eine eigene Meinung zu bilden.“ Aber natürlich dürfe sich nicht jeder hier treffen und seine Meinung kund tun. „Wir dulden keine neonazistischen Äußerungen“, formuliert Fisch eine maßgebliche programmatische Einschränkung. Wer sich auch ansonsten nicht rassistisch, sexistisch oder sonst wie diskriminierend äußert, wie Linke gern mahnend aufzählen, dem steht der Club als Veranstaltungsort offen. Und so ist der Club Voltaire ein Treffpunkt für alle. Hier diskutieren 30- Jährige mit 60-Jährigen über die Kapitalismuskrise und die Eintracht.
70 Gruppen treffen sich regelmäßig in der Kneipe und in den sogenannten Clubräumen im ersten und zweiten Stockwerk. Jusos, Grüne Jugend und die Piraten sind unter ihnen. Zahlreiche Exilgruppen, zum Beispiel chilenische und iranische, kommen hinzu.
Das wird auch im kommenden Herbst so sein: Als ob er den neu aufgetauchten Geldproblemen trotzen wollte, eröffnet der Club am 1. September seine neue Saison. Den monatlichen Improvisationsabend wird es weiterhin geben. Den erfolgreichen „Rap-Abend“, den es seit etwa zehn Jahren an jedem zweiten Samstag im Monat gibt, ebenfalls. Regelmäßig werden auch die Satiriker wieder kommen. Die Titanicleute treffen sich häufig im Club Voltaire.
Der ebenfalls monatlich, an jedem dritten Freitag, ausgetragene Improvisationsabend für Musiker, richtet sich an ein junges Publikum. Die Musiker begreifen das als Chance, einen Bühnenauftritt zu proben, für die Gäste ist der Eintritt frei, der Laden ist oft rappelvoll. Der Club Voltaire hat den Generationswechsel erfolgreich vollzogen. Bereits mehrfach. Jetzt muss es nur noch mit dem Geld klappen.