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Eileen O’Sullivan: „Bürgerbeteiligung ist dazu da, sich Perspektiven einzuholen, die man nicht hat“

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Von: Timur Tinç

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Beim Demokratiekonvent wurden Bürgerinnen und Bürger repräsentativ angeschrieben, um ihre Ideen zum Thema Klimaschutz einzubringen.
Beim Demokratiekonvent wurden Bürgerinnen und Bürger repräsentativ angeschrieben, um ihre Ideen zum Thema Klimaschutz einzubringen. © Monika Müller

Stadträtin Eileen O’Sullivan über Formate und Ideen für die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in Frankfurt. Sie setzt große Hoffnung in den sogenannten Leitlinienprozess in ihrem Dezernat.

Frau O’Sullivan, kürzlich hat Ihre Stabsstelle für Europaangelegenheiten die Umfrageergebnisse für das Europafest vorgestellt. Wie repräsentativ sind Umfragen mit nur 338 Teilnehmenden?

Es gibt einen Unterschied zwischen einer systematischen Bürgerbeteiligung und einer Umfrage, mit der man versucht, kommunikativ einen Stein ins Rollen zu bringen. Es war nie so gedacht, dass die Umfrage ein repräsentatives Bild der Bedürfnisse der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger an ein Europafest darstellen soll. Dafür hätte man einen viel größeren Prozess mit externer Unterstützung aufmachen müssen. Wir wollten uns inspirieren lassen und hören, was die Menschen interessiert und was sie mit der EU assoziieren.

Etwas mehr finanzielle Mittel sind in die Umfrage zum „Haus der Demokratie“ geflossen. Da haben sich bis Mittwoch 1066 Menschen beteiligt, und 163 Vorschläge sind eingegangen. Ist das eine gute Zahl ?

Das „Haus der Demokratie“ ist vom Dezernat I angestoßen worden. Dazu wurde die Hälfte der Mittel aus unserem Leitlinienprozess rausgenommen, weil es unter dem damaligen Oberbürgermeister nicht anders verhandelbar war. Ich finde es wichtig, dass junge Leute eingebunden werden und ein Zeichen an die Zivilgesellschaft gesendet wird. Eine Aussage über Repräsentativität lässt sich aber nur dann treffen, wenn man weiß, wer die Personen sind und alle Personengruppen mitberücksichtigt hat. Der Prozess zum Haus der Demokratie hat einen guten Auftakt gemacht, weitaus mehr Menschen anzusprechen, als sich üblicherweise lokal einbringen, aber da muss sicher noch ziemlich viel passieren.

Was ist dann Bürgerbeteiligung für Sie auf kommunalpolitischer Ebene?

Für mich ist es Sinn und Zweck, erstens Vertrauen in die Institutionen wiederherzustellen, das ein Stück weit verlorengegangen ist. Zweitens einen Zugang zu öffnen für mehr Bürgerinnen und Bürger, die bei den politischen Entscheidungsprozessen durch das Raster fallen. Das sind verdammt viele Menschen, wie man alleine schon an der geringen Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl sieht. Gleichzeitig müssen wir als aktive Politikerinnen und Politiker zuhören, was für Bedürfnisse es gibt und wie Themen aus unterschiedlichen Lebensrealitäten diskutiert werden. Bürgerbeteiligung ist dazu da, sich Perspektiven einzuholen, die man nicht hat.

Wo klappt das bereits?

Bei der Umgestaltung eines Platzes können Leute aus der Nachbarschaft sehr gut Einfluss darauf nehmen, wie dieser Platz für ihren Alltag am besten aussehen könnte. In Kombination mit Expert:innen, die Szenarien fachlich erklären können, ist das ein unglaublich großes Potenzial. Oder welche Maßnahmen für den Klimaschutz getroffen werden können, wie es der Demokratiekonvent getan hat. Man schaut, wie die Gesellschaft in Frankfurt zusammengestellt ist, und schreibt dann, repräsentativ für die Bevölkerung, entsprechend ausgewählt Leute an. Und diese bringt man mit entsprechenden Fachleuten zusammen. Das gibt einen informativen Austausch mithilfe der unterschiedlichen Perspektiven. Bei jedem Format muss aber klar sein, was aus welchem Grund mit den Ergebnissen passiert.

Welche Formate sind von Seiten der Stadt in Entwicklung, die Sie etablieren wollen, um mehr Menschen zu erreichen?

Zur Person

Eileen O’Sullivan ist seit September 2021 Dezernentin für Digitalisierung, Bürger:innenservice, Teilhabe und EU-Angelegenheiten. Sie ist Mitglied der 2017 gegründeten paneuropäischen Partei Volt und hat Politikwissenschaften und Vergleichende Religionswissenschaften studiert. Tim/FOTO: OESER

Wir haben den Leitlinienprozess, den unsere Stabsstelle Bürger:innenbeteiligung umsetzt. Darin werden Standards für die Bürgerbeteiligung der Stadt Frankfurt festgelegt. Es werden bestimmte Formate eruiert, die dann ausprobiert werden. Wenn wir Bürgerbeteiligung in der Verwaltung umsetzen, haben wir mit der Stabsstelle ein Team, das über die Expertise verfügt, das die Abläufe und die Organisation dahinter kennt und damit gut beraten und für die unterschiedlichen Themen auch die richtigen Beteiligungsinstrumente heraussuchen oder Themen in zum Beispiel Räten platzieren kann. Durch die Entwicklung von Leitlinien erhalten wir einen Werkzeugkoffer mit dem wir – also die gesamte Stadtverwaltung – dann loslegen können.

In Frankfurt gab es mal den sogenannten Bürgerhaushalt, der mangels Beteiligung eingestellt und durch die Ideenplattform „Frankfurt fragt mich“ ersetzt wurde. Allerdings braucht es 200 Unterstützerinnen und Unterstützer, damit eine Idee den Weg ins Dezernat findet. Ist das nicht eine zu hohe Hürde?

Ich finde das eine ganz gute Anzahl bei einem Monat Zeit. Ich habe mir letztens eine Plattform von einer Stadt angeschaut, die deutlich kleiner als Frankfurt ist, und bei der man sogar 2000 Unterschriften braucht. Es hat sich erst in jüngster Zeit so viel getan in der Bürgerbeteiligung, dass man Neuanläufe ausprobieren kann, ohne sich historisch abschrecken zu lassen. Wir wissen, dass wir bei einem Thema wie dem Bürgerhaushalt zur Partizipation aufrufen und es in alle Stadtteile bringen und erklären müssen.

Welche weiteren Formate würden Sie gerne in den kommenden Jahren etablieren?

Ich würde gerne den Demokratiekonvent stärken. Das ist das beste Beispiel dafür, dass Bürgerinnen und Bürger sich selber organisieren und einbringen und mehr Menschen eine Stimme geben. Der Rest wird sich durch den Leitlinienprozess ergeben. Ich denke, dass wir uns digital noch einmal neu aufstellen werden. Die Onlineplattform „Frankfurt fragt mich“ wird sicher nicht die nächsten vier Jahre so bleiben wie sie ist. Was mir wichtig wäre ist, dass wir es schaffen, eine Vorhabenliste für Bürgerbeteiligungsprozesse zu schaffen.

Wie soll das aussehen?

Wenn man zum Beispiel weiß, dass es noch sechs Wochen braucht, bis die urbane Datenplattform der Stadt geschaffen ist, und die sechs Wochen auch genannt werden, dann wird man von der Frage, wann und ob überhaupt eine urbane Datenplattform entstehen soll, wohl absehen und Klarheit über Projekte erlangen, die Bürger:innen erwarten können. Diese Transparenz gilt es zu etablieren.

Interview: Timur Tinç

Ein Plakat zur Mitmachaktion „Haus der Demokratie“
Ein Plakat zur Mitmachaktion „Haus der Demokratie“ © christoph boeckheler*
Stadträtin Eileen O’Sullivan.
Stadträtin Eileen O’Sullivan. © Rolf Oeser

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