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Die Poesie-Beauftragte

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Von: Andreas Hartmann

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Seit 2006 organisiert Sonja Vandenrath für das Frankfurter Kulturamt regelmäßig Literatur- und Lyrik-Festivals.
Seit 2006 organisiert Sonja Vandenrath für das Frankfurter Kulturamt regelmäßig Literatur- und Lyrik-Festivals. © Monika Müller

Gedichte haben auch heute noch eine ganze Menge zu sagen – davon ist Organisatorin Sonja Vandenrath überzeugt. Vom 23. bis 26. Mai macht sie Frankfurt ein Stück poetischer.

Vor einigen Tagen berichtete eine Bekannte, sie habe grade bei einem Seminar viel Spaß mit einem neuen dichtenden Computer-Programm gehabt. Das nutzt künstliche Intelligenz (KI) und spuckte klassische Oden auf banale Dinge aus. Und ja, das Ergebnis sei gar nicht mal so schlecht gewesen.

Braucht man heute noch Poesie? Was für eine Frage an eine promovierte Germanistin, die Goethe liebt und sich sozusagen hauptberuflich mit Poesie beschäftigt! Sonja Vandenrath vom Frankfurter Kulturamt zuckt nur mit den Schultern.

Sie hat die morgen beginnenden, seit 2007 alle zwei Jahre stattfindenden „Lyriktage Frankfurt“ organisiert und ist unter anderem auch für das Festival „Literaturm“ und das Lesefest „Open Books“ zuständig. Seit 2006 lebt die gebürtige Bonnerin, Jahrgang 1965, die ihre Kindheit in Mailand als Tochter des dortigen Leiters des Goethe-Instituts verbrachte, in Frankfurt. Sie zog der Arbeit, also der Literatur wegen, an den Main, lebt aber sehr gerne hier, wie sie betont. Die Stadt sei mit ihrer großen Dichte an Verlagen, der größten Buchmesse der Welt, dem Börsenverein des Buchhandels, den vielen Literaturpreisen und der Nationalbibliothek oder dem Goethehaus schon außergewöhnlich.

Vandenrath ist davon überzeugt, dass Dichterinnen und Dichter längst nicht so einfach durch KI ersetzbar sind wie manche glauben mögen. „Am Anfang ist künstliche Intelligenz schon erstaunlich, aber dann merkt man ziemlich schnell, dass das Programm doch nur alles collagiert. Lyrik zu schreiben, das ist dagegen ein ungeheuer dichter Prozess.“ Die aktuellen Lyriktage sind eine Gelegenheit, Poetinnen und Poeten mit ganz unterschiedlichen Ideen und Schwerpunkten kennenzulernen.

Die Organisatorin zieht einen ganz neuen Gedichtband des in Frankfurt lebenden Yevgeniy Breyger aus dem Regal, der seit seiner Kindheit in Deutschland lebt, auf Deutsch dichtet und Gast der Lyriktage Frankfurt ist. „Frieden ohne Krieg“ heißt das Buch, und es ist wirklich ganz aktuell. „Nach diesen Zeilen bricht der Krieg aus“ heißt es da gleich zu Beginn. „Unglaublich stark“ findet sie. „Das kann Lyrik ausdrücken. Oft ist sie viel mehr Zeugnis ihrer Zeit als etwa Romane.“

„Veranstalten heißt Fördern“, sagt Sonja Vandenrath. Auch das sei ganz wichtig bei der Organisation von Literaturfestivals wie dem aktuellen. „Lyrik ist ja nicht gerade eine Sparte, die es besonders leicht hat auf dem Buchmarkt.“ Poesie öffne den Horizont, schärfe die Wahrnehmung, es entstehe ein ganz neuer „Denk-raum“. „Es ist ein unbeschreibliches Erlebnis!“ Festivals wie die Lyriktage mit Diskussionen und Lesungen machten Dichter:innen und ihr Werk sichtbarer, böten ihnen gleichzeitig ein Honorar, also eine Lebensgrundlage, und seien sehr wichtig.

Sie hätten im Team, erzählt sie, spaßeshalber versucht, das aktuelle Programmheft für die Lyriktage vom Textroboter „ChatGPT“ verfassen zu lassen, „aber es kam nur Unsinn dabei raus“. Natürlich wird über künstliche Intelligenz grade viel diskutiert, und wer schreibt, wird sich kaum davor drücken können, sich mit dieser rasanten Entwicklung auseinanderzusetzen. So gibt es also auch bei den Literaturtagen Frankfurt eine eigene Veranstaltung, einen Nachmittag zu „ChatGPT als Dichter:in“. Es ist aber nur einer von zehn Programmpunkten an insgesamt vier Tagen.

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