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Die Kunst des freien Spiels

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Von: Meike Kolodziejczyk

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Der Bassklarinettist Ziv Taubenfeld kommt mit seinem Full Sun Orchestra nach Frankfurt. Jura Tros
Der Bassklarinettist Ziv Taubenfeld kommt mit seinem Full Sun Orchestra nach Frankfurt. Jura Tros © Jura Tros

Das Frankfurter Forum Improvisierter Musik initiiert Konzerte jenseits des Mainstreams, die spontan aus der Inspiration heraus entstehen – mit namhaften Solist:innen und Ensembles

Die einen haben schon Musik miteinander gemacht, in Ensembles, Bands, Projekten. Die anderen stehen zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne. Sie kennen und schätzen sich, wie man sich eben kennt und schätzt in der Szene. Sie kommen zusammen, teils aus unterschiedlichen Genres, mit ihren Instrumenten und Ideen, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Aber ohne Plan und Vorgabe, was daraus werden soll.

Immer ein Experiment

„Wir laden sie ein und legen vor dem Auftritt fest, in welchen Formationen sie zusammenspielen“, sagt Christof Krause, neben Jürgen Werner einer der beiden Initiatoren des Frankfurter Forums Improvisierter Musik, kurz F.I.M. Selbiges kümmert sich darum, dass sich Musikschaffende von nah und fern treffen, um Konzerte zu gestalten, die keiner Partitur und keiner Setlist folgen, sondern der spontanen Inspiration.

„F.I.M. Formationen +“ nennt sich das Format, in dem namhafte Profis nacheinander in wechselnden Besetzungen improvisieren, jeweils eine Viertel- bis halbe Stunde lang, erläutern Krause und Werner im Gespräch. Am Ende des Abends gesellen sich meist weitere Mitwirkende dazu, es hat immer etwas Experimentelles. „Und es kann auch scheitern.“ Doch auch das gehört zur Kunst der Improvisation.

Das nächste Konzert steht am kommenden Mittwoch an: In der ehemaligen Seilerei Reutlinger werden der Bassklarinettist und Komponist Ziv Taubenfeld und sein international besetztes Full Sun Orchestra erwartet. Das fünfköpfige Ensemble aus der Amsterdamer Jazz- und Free-Jazz-Szene begegnet dort vier renommierten Musikern aus der Region: dem Gitarristen Max Clouth etwa oder dem Klarinettisten und Saxofonisten Lömsch Lehmann.

Die Geschichte der improviserten Musik in Frankfurt ist eng verknüpft mit der reichen Tradition des Jazz in der Stadt. Gegründet wurde das F.I.M. 1993 von Alfred Harth und Christof Korn. Die von 30 bis 40 Musiker:innen getragene Initiative war mit regelmäßigen Sessions, Festivals und einem eigenen Impro-Orchester bis etwa 1998 aktiv. Um die Jahrtausendwende hatte sich die Szene schließlich weitgehend zerstreut.

2014 reanimierten Jürgen Werner, selbst aktiver Musiker, und Christof Krause, „aktiver Zuhörer“, das F.I.M., „was so eigentlich gar nicht unsere Absicht war“. Doch eine als einmalig gedachte Session im unlängst geschlossenen „Horst“ im Gallusviertel brachte den Stein ins Rollen. Auch Improvisation will organisiert werden, was die beiden seither neben ihren Berufen privat und mit Passion erledigen.

Heute ermöglicht das F.I.M. etwa ein halbes Dutzend Veranstaltungen im Jahr, in Locations wie dem Club Voltaire, dem Yachtclub, der Milchsackfabrik, dem Gallus-Theater oder draußen im öffentlichen Raum. Es gibt offene Bühnen und Aktionen, bei denen Musiker:innen mit Tänzer:innen interagieren.

Dass das F.I.M. mittlerweile einem größeren Publikum jenseits der eingeschworenen Fangemeinde ein Begriff ist, ist vor allem den „Raumbespielungen“ zu verdanken, für die Musiker:innen im Sommer an öffentlichen Orten improvisieren. In Kirchen und Klöstern zum Beispiel, wie 2022. Unter Mainbrücken, wie 2021. Oder an „Unorten“, wie 2020. Premiere hatte die „Raumbespielung“ zwar schon vor Corona, doch während der Pandemie war sie so etwas wie das Format der Zeit. Inzwischen erhält das F.I.M. dafür städtische Unterstützung.

Jazz und Neue Musik

„Wir haben uns gut etabliert als Initiative, man schätzt uns nicht nur in Frankfurt und Deutschland, sondern auch international“, resümiert Jürgen Werner. „Improvisierte Musik ist heute freier als in den 90ern.“ Neben dem Jazz und Free Jazz, wo die Wurzeln liegen, kämen zunehmend Einflüsse aus anderen Richtungen, vor allem aus der Neuen Musik, die „viel reduzierter“ sei. „Im Großen und Ganzen sind wir für fast alles offen.“

Die F.I.M.-Initiatoren Christof Krause und Jürgen Werner. F.I.M.
Die F.I.M.-Initiatoren Christof Krause und Jürgen Werner. F.I.M. © Forum Improvisierter Musik

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