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„Die Hütte brennt“ in Frankfurt

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Von: Katja Sturm

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Das spanische Residui Teatro mit dem Stück „Return to the Beginning“ auf der Winterwerft.
Das spanische Residui Teatro mit dem Stück „Return to the Beginning“ auf der Winterwerft. © rainer rüffer

Noch bis Mitte Februar lädt die Winterwerft zu Theater, Tanz, Musik und Workshops ein.

Der Duft von Weihrauch schwebt in der Luft. In der Mitte des Raums bedeckt Sand den Boden. Zwei Frauen und ein Mann bewegen sich darauf, ein anderer trommelt dazu. Mal militärisch rasselnd, mal bedrohlich dumpf. Die Rücken der Darsteller sind gebeugt unter querliegenden Stöcken, sie wirken geknechtet, wie an den Pranger gestellt.

Das Publikum sitzt drumherum bei dieser Aufführung des Residui Teatro aus Spanien, dicht gedrängt und überwiegend auf dünnen Kissen. Knapp 200 Personen dürfen die Macher der Winterwerft in Fechenheim gleichzeitig in ihre Räume lassen. An diesem Eröffnungsabend des als „wild, organisch und unzivilisiert“ beschriebenen Festivals auf dem Gelände des Vereins Protagon in der Orber Straße dürfte die Resonanz kaum Wünsche offen lassen.

Als einzigartig kreativ und kritisch loben treue Fans am Samstag die Mischung aus Theater, Tanz, Musik, aus Workshops, Konzerten, Vorstellungen. Das erste Stück, sagt ein junger Mann, habe er zwar nicht verstanden, das zweite fand er umso stärker. Unter dem Titel „Falling Elephant“ schiebt sich ein Pärchen, von Laub bedeckt, auf einer Couch hoch und runter, rollt auf den Boden und wälzt sich wieder hinauf. Es geht um verlorene Zukunft und Hoffnung und ob man diesem Zustand der Leere lieber mit Lethargie oder Aktionismus begegnet.

Einer der beiden Performer ist Max Büttner, der zu den Kuratoren der siebten Auflage der Winterwerft zählt. Ist das Festival laut Protagon-Vorstand Bernd Abraham schon immer dem Thema Nachhaltigkeit gewidmet, betont der Titel „House on Fire“ diesmal besonders, dass „die Hütte brennt“, wie Büttner erklärt. Im Sommer war das Mitglied des Aktionstheaters Antagon, das auf dem Protagon-Gelände eine Dauerresidenz besitzt, mit seiner Truppe nach Sardinien gereist und sah dort viele verbrannte Landschaften. Der Eindruck, dass in dieser Zeit des Klimawandels und des Krieges „nichts mehr ist wie früher“, dass die Welt, wie wir sie kennen, an den verschiedensten Orten implodiert und dass das Katastrophale, das früher fern war, mittlerweile auch hierzulande zu spüren ist, führte zu der Idee, sich damit zu beschäftigen, wie es so weit gekommen ist und in welcher Verantwortung Kulturschaffende in dieser Situation stehen. Auf internationaler Ebene wurden Gruppen gesucht, die etwas dazu beizutragen haben; andere konnten sich bei einer offenen Ausschreibung bewerben. Doch die Winterwerft ist nicht nur ein Kommen und Gehen von Künstlern, die sich zeigen wollen. Drei Wochen lang können und sollen sie auch miteinander arbeiten und kooperieren, ihre Auffassungen und Fertigkeiten teilen und in einer Art Wohngemeinschaft miteinander leben. Wohnungen, Zirkuswagen und Container stehen dafür auf dem früheren Speditionsareal in Fechenheim bereit und bieten bis zu 70 Leuten gleichzeitig Raum. Da nicht alle die ganze Zeit über bleiben, können sich bis zu 200 während der Festivaltage auf diesen Prozess einlassen. Ein Koch wurde eigens engagiert, der sie beköstigt. Zahlreiche Helfer leisten Unterstützung.

Alle sind eingeladen, an den Workshops in Theater-, Tanz- oder Atemtechniken teilzunehmen oder sich die Vorführungen an den Wochenenden anzusehen. Alles auf Spendenbasis; junge Frauen gehen mit leuchtenden Fangnetzen für Scheine und Münzen herum. Am Abschlusstag, dem 12. Februar, präsentieren die WG-Bewohner in einer finalen Show die Ergebnisse ihres Kollaboratoriums. Die Entstehungsprozesse sind schon früher zu sehen.

Es gluckert chillig

Das Haupthaus mit seinem rohen Charme, der aus dem alten Mauerwerk und den unverputzten Wänden resultiert, wartet neben dem Theaterraum mit einer Bar auf, in der es am Samstagabend bei der elektroakustischen Live-Performance „Vapor“ noch bis Mitternacht chillig gluckerte und gluckste. Neben der Jurte im Hof, die sich als Konzertzelt für kleinere Runden eignet, knisterte in einer großen Schale ein Feuer.

Die gemütliche Atmosphäre überdeckt die Sorgen, die die Protagonisten plagen. Mit der finanziellen Förderung des Festivals durch den Kulturfonds Rhein-Main, die Stadt und den Fonds für Darstellende Künste aus Berlin können zwar die Künstler bezahlt werden, das Geld darf aber nicht für die Infrastruktur verwendet werden. Dabei wäre laut Abraham nicht nur das Dach des Vereinshauses dringend reparaturbedürftig, wofür dem Kulturverein die Mittel fehlen, was weder die Zukunft der Winter- noch die der Sommerwerft selbstverständlich erscheinen lässt.

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