„Die Grünen lassen die Pläne in der Schublade verschwinden“

Der frühere Frankfurter Planungsdezernent Olaf Cunitz spricht im FR-Interview über die Günthersburghöfe und klimaverträgliche Wohnungspolitik.
Entwickelt wurde das Projekt Günthersburghöfe in der Amtszeit von Planungsdezernent Olaf Cunitz. Der 52-Jährige, der weiterhin den Grünen angehört und mittlerweile als Quartiersentwickler für die Wohnungsgesellschaft GWH arbeitet, hält die Bebauung nach wie vor für sinnvoll.
Herr Cunitz, halten Sie die Besetzung der Günthersburghöfe für legitim?
Es ist grundsätzlich immer legitim, gegen ein bestimmtes Vorhaben zu protestieren. Welche Protestform gewählt wird, müssen die Einzelnen für sich entscheiden. Für mich ist die Grenze erreicht, wenn Gewalt angewendet wird. Das ist nicht zu tolerieren.
Die jungen Leute, die jetzt auf den Bäumen wohnen, demonstrieren gegen Pläne, die Sie politisch vorangetrieben haben. Wie würden Sie damit umgehen, wenn Sie jetzt noch in der politischen Verantwortung wären?
Vermutlich würde ich das tun, was ich auch damals getan habe. Ich habe mit allen Akteuren gesprochen und versucht, einen Interessensausgleich zu finden. Teils wurde mir offen und ehrlich gesagt: Egal, was an den Plänen noch verändert wird, wir lehnen sie ab und bekämpfen sie. Das musste ich akzeptieren. Dann habe ich mir politische Mehrheiten gesucht, und die gab es damals. Auch bei den Grünen. Ein Parteitag im Herbst 2015 hat eine Mehrheit für die Bebauung ergeben.
Fünf Jahre später wurde genau dieser Parteitagsbeschluss gekippt. Die Grünen fordern jetzt, dass nur die versiegelten Flächen bebaut werden. Wie bewerten Sie diesen Beschluss?
Er hat mich nicht überrascht. Nachdem es 2015 eine Mehrheit für die Bebauung gegeben hat, haben die innerparteilichen Gegner des Projekts klar gesagt: Wir akzeptieren das nicht, wir protestieren trotzdem weiter. Ich habe mit dem Parteivorstand das Gespräch gesucht und gesagt, dass ich ein Problem für die innerparteiliche Demokratie sehe, wenn Beschlüsse nicht respektiert werden. Den Vorstand hat das nicht gekümmert, und so wurde immer weiter Stimmung gegen das Innovationsquartier gemacht, wie es damals hieß. Dass sich dann irgendwann auch bei den Grünen eine andere Meinung bilden würde, war abzusehen. Man fragt sich nur, wie viel dieser Parteitagsbeschluss wert ist, wenn man sieht, wie mit der Entscheidung von 2015 umgegangen wurde.
Wird es jetzt noch eine politische Mehrheit für die Bebauung geben, wie sie ursprünglich geplant war?
Nein. Die Grünen sind bei der Kommunalwahl stärkste Kraft geworden. Sie haben jetzt die Möglichkeit, die Pläne in der Schublade verschwinden zu lassen, und das werden sie tun. Denn es geht hier um ein hochsymbolisches Projekt. Und da es seitens der Grünen in den vergangenen Jahren ohnehin keine besondere Aktivität in Sachen Stadtentwicklung gegeben hat, wird sich innerhalb der Partei auch niemand dagegen wehren.
Was bedeutet das dann für die Wohnungspolitik in Frankfurt?
Um es mit einem Augenzwinkern zu sagen: Das Nordend ist ja zum Glück nicht überall. Insofern ist der Streit um die Günthersburghöfe in dieser Intensität eher ein singuläres Phänomen. Klar wird es auch gegen andere Baugebiete Proteste geben. Aber Fakt ist, dass Wohnungen gebaut werden müssen. Die Mieten steigen, und die Stadt muss den Druck aus dem Wohnungsmarkt nehmen.
Die Besetzerinnen und Besetzer sagen: Hier sollen ohnehin überwiegend Luxuswohnungen entstehen, dafür kann man nicht so brutal in ein Gebiet eingreifen, das für das Stadtklima wichtig ist.
Es entstehen nicht überwiegend Luxuswohnungen, und die Eingriffe sind auch nicht brutal. Aber eines stimmt schon: Es gibt keine klimafreundliche Stadtentwicklung. Wohnungsbau ist immer mit Eingriffen verbunden. Man kann aber für Klimaverträglichkeit sorgen, darf dabei aber nicht zu klein denken, sondern muss auch in die Region schauen. Wenn sich die Leute da ansiedeln, weil sie in Frankfurt keine Wohnungen finden, wird oft ein Vielfaches mehr pro Kopf an Fläche versiegelt. Siedeln in urbanen Zusammenhängen bedeutet immer kürzere Wege, weniger Flächenbrauch, mehr Energieeffizienz, weniger Verkehr, mehr bezahlbarer Wohnraum.
Interview: Georg Leppert