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Die Frankfurter Verkehrsleitzentrale gehört zu den modernsten in Europa

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Von: George Grodensky

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Guido Lehmann ist Operator in der Verkehrsleitzentrale. Er hat fast die gesamte Stadt im Blick und auf dem Telefon.
Guido Lehmann ist Operator in der Verkehrsleitzentrale. Er hat fast die gesamte Stadt im Blick und auf dem Telefon. © Renate Hoyer

Wo alle Ampeln gemeinsam leuchten: Dort steuern Operatoren den aktuellen Verkehr und planen die Routen der Zukunft.

Die Frankfurter Verkehrsleitzentrale liegt im „Hochsicherheitstrakt“ der Stadtverwaltung. Den Begriff nutzen die Mitarbeiter:innen – und es ist nur ein halber Scherz. Tatsächlich sind wenige städtische Institutionen so gut geschützt wie dieser Teil des Straßenverkehrsamts. Das liegt daran, dass er im Neubau an der Zanderstraße zusammen mit dem Amt für Informations- und Kommunikationstechnik sowie der Stabsstelle Digitalisierung zu finden ist. Zumindest Server und IT-Infrastruktur sind bestens abgeschirmt.

Wer möchte, darf jetzt kurz innehalten und sich ausmalen, wie russische Hackerinnen und Hacker beim Versuch, die Frankfurter Ampeln zu stören, in diversen Firewalls schmoren. Wem das zu albern ist, der trete einfach durch die Sicherheitsschleuse und folge ins Herzstück der Frankfurter IGLZ, der integrierten Verkehrsleitzentrale.

Hier fällt als erstes die riesige Videowand auf. 21 Monitore an der Wand, sogenannte Cubes, zeigen ein Who-is-who der Frankfurter Straßen und Kreuzungen. 98 Kameras zur Verkehrsbeobachtung hängen in der Stadt, dokumentieren den alltäglichen Kampf mit dem Stau. Oder auch mal einen Fanmarsch oder einen Ironman.

Da wären das Waldstadion, die Hanauer Landstraße, der Alleenring, auf dem sich ein roter LKW gerade von Ampel zu Ampel, von Monitor zu Monitor vorarbeitet. Warum es ausgerechnet diese 21 sind? Erfahrungswerte, sagt der Operator. Für den Pressebesuch ist es heute mal Joachim Bielefeld, Abteilungsleiter Verkehrsmanagement im Straßenverkehrsamt.

„Wir sind daran interessiert, unsere Arbeit vorzustellen“, erläutert Bielefeld, warum er den Besuch hereingelassen hat. Die Menschen sähen oft nur die drei Felder der Ampel, rot, gelb und grün. Und nicht, was alles an Planung und Mühen dahinterstecke, bis die Farben stadtweit in sinnvoller Reihenfolge leuchten. Um das zu verdeutlichen, hat Bielefeld ein Datenblatt mitgebracht.

839 Ampeln, oder Lichtsignalanlagen, wie die Fachleute sagen, stehen in der Stadt, 22 davon alleine am Flughafen. 188 Anlagen sind nachts aus. 598 Anlagen gewähren dem öffentlichen Nahverkehr ein Vorrecht, U-Bahnen, Trams, auch Bussen. 459 Ampeln senden Informationen an die Server im Keller der Zanderstraßem unterstützt von 2187 magnetischen Zählschleifen.

Am zentralen Terminal sitzt heute Axel Heine, der Sachgebietsleiter der Verkehrsleitzentrale, und ist kein bisschen überfordert mit dem Wust an Daten, die da sekündlich hereinströmen. Ganz im Gegensatz zum Besucher von der Zeitung, der lieber den Blick durch den Raum schweifen lässt, die alten Ampelanlagen bewundert, die zur Deko da stehen, das satte Grün der Topfpflanzen.

Heine zeigt derweil, wie er die Ampeln einzeln ansteuern kann und was sie an Infos übermitteln. Die Daten rauschen ja nicht einfach vorbei. Die Leitzentrale wertet sie aus, nutzt sie zur Planung des Verkehrsflusses, der Grünphasen, analysiert auch mal Unfälle. Das fordern Polizei und Gerichte an, „gutachterliche Aussagen“. Wenn sie den Zeitpunkt und den Ort des Crashs weiß, kann die Zentrale genau sagen, wer gerade rot und wer grün hatte.

Auch Bielefeld zoomt nun mit ins Geschehen, dokumentiert Reisezeiten im Jahresvergleich, zeigt, wie sich Baustellen auf den Verkehr auswirken, wo die Autos im Zweifel entlangkurven, wenn ein Weg dicht ist, wie die Coronapandemie sich auf der Straße bemerkbar macht, wie die Sperrung des Mainkais. Ja, gute Frage. Der Besuch schreckt aus seinen Gedanken auf. Wie hat sich die Mainkaisperrung eigentlich konkret ausgewirkt? Bielefeld hält sich bedeckt. Das sei Thema einer parlamentarischen Anfrage und zurzeit in Auswertung. „Da halten wir uns vornehm zurück.“

Ans Ziel kommen

Mainziel Frankfurt ist das multimodale Webportal des Straßenverkehrsamtes mit aktuellen Daten und Informationen rund um die Themen Verkehr und Mobilität in Frankfurt.

Auf einer Karte stehen Informationen zu verschiedenen Verkehrsmitteln, zu aktuellen Baustellen; zu sehen sind allgemeine Info und aktuelle Verkehrslage, Bewohnerparkzonen, Frankfurter Parkhäuser, Info zum Stadion, die Umweltzone, sogar aktuelle Aufnahmen der Verkehrskameras.

Spezielle Informationen für Radfahrende, ein Routingservice und Abstell- sowie Leihradmöglichkeiten ergänzen das Angebot. Dazu gibt’s noch die aktuelle Wetter- und Umweltlage, ein Regenradar und Auskunft, ob Aufzüge und Rolltreppen funktionieren. sky

www.mainziel.de

Beim Thema „Verkehrsmodelle entwickeln“ nicht. Seit Anfang Juni läuft das Projekt „Mit Daten zu mehr Planungssicherheit“. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr hat Fördergeld freigegeben, sagt Nadja Lich, Sachgebietsleiterin Planung, Konzeption und Modellierung im Straßenverkehrsamt. Über dieses Projekt will die Stadt verlässliche Aussagen bereits im Vorfeld treffen, wie sich Eingriffe in den Verkehr auf das Gesamtsystem auswirken.

Digitalisierung ist dafür kein Allheilmittel, das wissen die Menschen der Leitzentrale. Dass zu viele Autos auf den Straßen unterwegs sind, kann auch die Datenautobahn nicht ändern. Aber dass Informationen schneller fließen, ist ein Anfang. Oder, andersherum: Ohne Digitalisierung gäbe es wohl mehr Engpässe.

Die Verkehrsdaten stellt die Stadt allen Bürgerinnen und Bürgern über die Plattform www.mainziel.de zur Verfügung. Sie gehen auch über viele Navis raus. Und bei aller Begeisterung über die Technik: In Heines Büro hängt auch ein großer Papierkalender an der Wand. Der dient zur groben Planung.

Farbige Einträge markieren die Frankfurter Großereignisse, von denen Auswirkungen auf den Verkehr zu erwarten sind. Gelb sind die Messen, rot ist Fußball, bei dem Planerin Lich übrigens ganz handfest mit im Kontrollzentrum Stadion sitzt und mit ihrem Team den Verkehr regelt. Grün steht für Konzerte oder Feste. „Blau ist die beste Farbe“, sagt Heine. „Mein Urlaub.“ Dann eilt er davon, in Nieder-Erlenbach hat ein Auto soeben eine Lichtsignalanlage touchiert.

Wenn Ampeln eine Störung melden, greifen die Operatoren der Leitzentrale helfend ein, können erste Diagnosen stellen, Reparaturen einleiten, Schutzpolizisten entsenden. „Es braucht ein bisschen technisches Verständnis für die Arbeit“, sagt Guido Lehmann, der heute im Einsatz ist, um Probleme lokalisieren zu können.

„Einheimischer muss man nicht sein“, sagt er und gluckst. „Wenn man eine Weile hier gearbeitet hat“, sagt er und deutet auf die Monitorwand, „kennt man sich aus in der Stadt.“ Er selbst ist Frankfurter. Allerdings mit merkwürdigem Akzent. Auf Nachfrage klärt er auf: aus Frankfurt an der Oder. An den Main ist er von Berufs wegen gekommen. Der Luftverkehrskaufmann hat lange am Flughafen „im operativen Geschäft“ gearbeitet.

Er hat also Erfahrung mit Tätigkeiten in einer Leitstelle. Welche Voraussetzungen man noch benötigt? „Angst vorm Telefonieren sollte man nicht haben“, sagt er und hebt ab. Sein Telefon klingelt recht oft. Diesmal ist es die VGF. Ihre Busse und Bahnen bleiben an einer bestimmten Ampel hängen. Das bringe den Fahrplan in Bedrängnis, der Nahverkehr sollte doch Vorrang haben. Lehmann stellt fest: Die Fußgängeranforderung, mit der sich Passant:innen an der Ampel melden und um grün bitten, ist auf Dauerbetrieb. Vielleicht ein Defekt, vielleicht nur ein freches Stück Klebeband. Lehmann entsendet einen Techniker.

Zurück zur Monitorwand. Der rote LKW ist fort. So sehr sich die Kameras auch schwenken lassen, das Gefährt ist nicht mehr zu sehen. Dafür entdeckt Heine eine komische Färbung auf einer der Straßen. Allzu nah kann er nicht zoomen, die Details bleiben verschwommen. „Der Datenschutz hat natürlich ein Wort mitzureden“, sagt Abteilungsleiter Bielefeld. Die Leitzentrale darf nur mit niedriger Auflösung filmen, auch, damit die Leitung nicht anfängt zu ruckeln. Hohe Auflösung bringt große Datenmengen mit sich. Bielefeld erkennt auch so, woher die Färbung kommt. An den Klemmfixen hat sich Material abgelagert, das der Regen angespült hat. Klemmfixe sind Aufsätze auf der Straße, mit denen etwa Radwege markiert werden. Er gibt die Info an die Straßenreinigung weiter.

Ein anderes Problem lässt sich nicht so elegant lösen. Neben allem Hightech ruhen im Keller des Gebäudes auch die Rechner des alten Frankfurter Parkleitsystems. „Hardwareschrott“, raunt man auf den Fluren hinter vorgehaltener Hand. Heißt: funktioniert nicht mehr, soll nicht repariert werden. Beim Parkleitsystem steht ein Paradigmenwechsel an. Das alte hat die Menschen durch die Stadt zum Parkhaus gelotst. Wenn das voll war, kam die Info nicht mehr auf der Tafel an. Dann standen eben alle davor und warteten. Im Stau, womöglich noch mit laufendem Motor.

Das neue System soll die Autos dynamisch zu allen Parkplätzen leiten, nicht mehr nur zu den Parkhäusern. Die Informationen sollen auf Main-Ziel-Tafeln stehen, wie sie zum Beispiel an der Messe bereits im Einsatz sind. Sie sollen ein Potpourri an Wissenswertem bieten, nicht nur Parkplätze zeigen, auch Umweltdaten, Wetterlage, Reisezeiten, Hinweise wie: „Fahren Sie nicht mit dem Auto in die Innenstadt, wenn Ironman ist.“

60 solcher Tafeln soll es geben, bis sie tatsächlichstehen, wird es wohl noch dauern. Jetzt geht es zunächst darum, Planungsmittel zu erhalten.

Führen durch die Verkehrsleitzentrale: Nadja Lich, Joachim Bielefeld und Axel Heine (v. l.).
Führen durch die Verkehrsleitzentrale: Nadja Lich, Joachim Bielefeld und Axel Heine (v. l.). © Renate Hoyer

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