Die Engel bleiben in Frankfurt

Das Liebieghaus gibt zwei wunderbare in der NS-Zeit geraubte Figuren zurück – und kauft sie von den Erben erneut. Doch diesmal ganz legal.
Die Frankfurter Provenienzforscherin Iris Schmeisser beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Kunstwerken, die heute dem Städel oder dem Liebieghaus gehören und die in der NS-Zeit möglicherweise geraubt oder enteignet worden sind. Auch fast 80 Jahre nach Ende des Regimes stößt sie dabei immer wieder auf erschütternde Geschichten. Und weil viele Erinnerungen verblassen, Unterlagen verloren gehen und die meisten Zeitzeugen längst verstorben sind, ist sie dabei manchmal auch auf Hilfe angewiesen.
Jetzt hat ein eigenartiger Zufall tatsächlich dabei geholfen, das Schicksal von zwei schönen barocken Engeln, wohl um 1700 in der Werkstatt des österreichischen Bildhauers Meinrad Guggenbichler entstanden, aufzuklären. Beide fast lebensgroße Figuren gehörten seit den späten 1930er Jahren der Skulpturensammlung im Liebieghaus – dass sie in der NS-Zeit erworben wurden, ließ zwar Übles fürchten, Schmeisser konnte aber nichts genaues zu der exakten Herkunft, der Provenienz, nachweisen. Angeblich, so schien es, hatte der Frankfurter Arzt und bedeutende jüdische Kunstsammler David Rothschild (nicht verwandt mit der gleichnamigen Bankiersfamilie) beide Figuren 1932 bei einer Auktion verkaufen lassen.
Allerdings meldete sich vor einiger Zeit der Sporthistoriker Markwart Herzog bei Schmeisser. Er forschte zu Rothschild, der eben nicht nur ein bekannter Facharzt und Sammler, sondern in den 1920er Jahren auch ein wichtiger Sportfunktionär im Frankfurter Fußball war.
Herzog war auf den Auktionskatalog aufmerksam geworden und hatte Kontakt zu Rothschilds in Montreal lebendem Enkelsohn gleichen Namens und zum Museum aufgenommen. Offenbar hatte das Auktionshaus die beiden Engel, die in ihrer Zeit ziemlich bekannt waren und sogar vom damaligen Städel-Direktor Georg Swarzenski in den 1920er Jahren in einer Publikation beschriebenen wurden, nicht verkaufen können und an die Besitzer zurückgegeben.
David und Stephanie Rothschild kamen nach der Machtübernahme 1933 in immer größere finanzielle Schwierigkeiten, er starb 1936 bei einem Besuch in Schweden, seine Frau konnte 1938 fliehen, musste aber zuvor gewaltige Abgaben leisten, mutmaßlich waren auch die beiden Engelsfiguren darunter. Versuche, nach 1945 eine Entschädigung zu erhalten, scheiterten. Verkäufe wie dieser seien legal gewesen, hieß es damals stets.
In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Rechtslage allerdings geändert, und so hat Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig die beiden Lindenholzfiguren jetzt an die Familie zurückgegeben. Die hat sich, vertreten durch David Rothschild Junior, daraufhin zu einer großen Geste entschieden: Die Stadt Frankfurt konnte die beiden hoch bedeutenden Kunstwerke zurückkaufen.
Über die Summe wurde Verschwiegenheit vereinbart, sie sei aber sehr fair gewesen, wie Museumsdirektor Philipp Demandt gestern im Liebieghaus betonte. Gleichzeitig spendet David Rothschild Junior eine erhebliche Summe für die Restaurierung. Am Sockel der beiden Engel wird künftig eine Beschreibung an seine Großeltern erinnern.