1. Startseite
  2. Frankfurt

Die deutschen Expressionisten besser zur Geltung bringen

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Florian Leclerc

Kommentare

Hat nicht nur ein Herz für Expressionisten: Kurator Alexander Eiling mit Werken von Auguste Renoir.
Hat nicht nur ein Herz für Expressionisten: Kurator Alexander Eiling mit Werken von Auguste Renoir. © Peter Juelich

Alexander Eiling ist neuer Städel-Kurator und Sammlungsleiter für die Zeit von 1800 bis 1945. Beim Rundgang sagt er, was er im Museum vorhat.

Alexander Eiling ist wieder angekommen in seiner Heimatstadt Frankfurt, nach zehn Jahre Pendelei. „Ich kenne mittlerweile jede Durchsage in der Bahn“, sagt der 43-Jährige beim Rundgang durchs Städel. Vor wenigen Tagen hat er seine Arbeit als neuer Kurator aufgenommen. Er ist Sammlungsleiter für die Zeit von 1800 bis 1945 - ein Traumjob für Kunsthistoriker.

Alexander Eiling ist der Nachfolger von Felix Krämer, der zum Direktor des Museum Kunstpalast in Düsseldorf aufgestiegen ist. In den zurückliegenden Jahren pendelte Eiling zwischen seiner Wohnung in Frankfurt und Karlsruhe, wo er an der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe als Kurator beschäftigt war. Seine letzte Ausstellung in Karlsruhe, „Cézanne. Metamorphosen“, war ein Publikumserfolg. „120 000 Besucher kamen, das ist für Karlsruhe ein Rekord.“

An solche Erfolge will der promovierte Kunsthistoriker in Frankfurt anknüpfen. Den Besucherrekord im Städel hält momentan die „Monet“-Ausstellung. 430 000 Menschen sahen „Monet und die Geburt des Impressionismus“ im Jahr 2015.

Das Städel-Museum kennt Eiling gut. Fünf Jahre arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Graphischen Sammlung. 2008 wechselte er ans Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen, zwei Jahre später nach Karlsruhe. Promoviert wurde Eiling an der Goethe-Universität, mit einer Arbeit über „Die Sammlung Deutsche Bank zwischen zeitgenössischer Kunst und deutschem Expressionismus“.

Mit Kunst kam er schon früh in Berührung, als Schüler der Schillerschule in Sachsenhausen, „das Städel war ja gleich um die Ecke“. Dort hat er nun ein Büro, in dem sich die Bücher stapeln, genau wie in seiner Frankfurter Wohnung. „Die Regale mit Ausstellungskatalogen reichen mittlerweile bis an die Decke.“

Beim Rundgang durchs Städel bleibt der Experte für französische Kunst aus dem 19. Jahrhundert vor einem Gemälde von Edgar Degas stehen, „Die Orchestermusiker“ von 1872.

„Schauen Sie mal, wie Degas die Köpfe auf dem Bild anschneidet, den Blick des Betrachters lenkt, wie er das künstliche Licht einsetzt.“ Ganz anders als die Impressionisten, „die wir heute als geschlossene Gruppe wahrnehmen, dabei waren sie sehr heterogen“, sagt er. Zu Degas hat er in Karlsruhe eine große Ausstellung kuratiert, „Degas. Klassik und Experiment“.

Werke mit Leihgaben ergänzen

Für die anstehenden Ausstellungen im Städel will er immer auf Werke aus der Sammlung zurückgreifen, und sie mit Leihgaben ergänzen. Die Ausstellung zu Lotte Laserstein ab September wird die erste sein, die er mit kuratiert.

Lotte Laserstein sei eine der großen Wiederentdeckungen der vergangenen Jahre, sagt er. Die Malerin mit jüdischem Hintergrund, die vor allem Porträts malte, wurde unter den Nazis vom Kunstbetrieb ausgeschlossen, später von der Kunstszene nicht mehr so richtig wahrgenommen. Zwei bedeutende Werke von Lotte Laserstein habe das Städel zuletzt erworben. Sie sind der Kern der Ausstellung, um den sich die Leihgaben gruppieren werden. Solche Leihgaben überhaupt zu bekommen, sei eine der wichtigsten Aufgaben eines Kurators. „Das Netzwerken gehört immer dazu.“

Besonders schwierig sei es, Meisterwerke ausgeliehen zu bekommen, etwa für seine nächste große Ausstellung, „Van Gogh und Deutschland“, die ab Oktober 2019 im Städel zu sehen sein wird.

Dafür versuche er, das berühmte „Porträt des Dr. Gachet“ von Vincent van Gogh für die Dauer der Ausstellung nach Frankfurt zu holen. Das Gemälde hat eine bewegte Vergangenheit. 1912 von Städel-Direktor Georg Swarzenski gekauft , wurde das Kunstwerk 1937 unter den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert.

Die Nazigröße Hermann Göring riss es sich unter der Nagel, verkaufte er es weiter, das Gemälde wechselte die Besitzer, 1990 wurde es für 82,5 Millionen Dollar bei Christie’s versteigert. Käufer war der japanische Unternehmer Saito Ryoei, der gesagt haben soll. „Legt das Bild in meinen Sarg, wenn ich sterbe.“

Derzeit lagere es in einem Zollfreihafen in der Schweiz, in dem „größten Museum der Welt, das leider für die Öffentlichkeit völlig unzugänglich ist“, sagt Eiling. Mit etwas Glück werde es in Frankfurt erstmals wieder öffentlich zu sehen sein.

Das einzige Gemälde von van Gogh in Frankfurt, „Bauernhaus in Nuenen“ von 1885, wird ebenfalls in die Ausstellung integriert. In der Schau will Eiling die Rezeptionsgeschichte des holländisch des Künstlers in Deutschland aufgreifen. Nirgends sei van Gogh so früh als Vorreiter der modernen Malerei wahrgenommen worden, wie hier. Neben van Goghs Hauptwerken werden bekannte deutsche Avantgardisten zu sehen sein: Ernst Ludwig Kirchner, Max Beckmann, Paula Modersohn-Becker, Karl Schmidt-Rottluff. „Die deutschen Expressionisten sind ein Pfund, mit dem das Städel wuchern kann“, sagt Eiling.

Die Expressionisten im Städel will er künftig besser zur Geltung bringen. „Aus der Ausstellungspräsentation lässt sich noch etwas herauskitzeln“, sagt er. Die bislang grauen Räume solle „ein neues Farbkonzept“ bekommen. Die Kunstwerke sollen anders gehängt werden, um neue Blickbeziehungen zu ermöglichen.

So könnten die Besucher die insgesamt rund 3100 Gemälde und 660 Skulpturen sowie Zeichnungen und Fotografien fassende Sammlung im Städel bald wieder neu entdecken.

Auch interessant

Kommentare