„Der Mangel an Personal ist groß“

VdK-Referentin Silke Asmußen über die Missstände in der Pflege und die richtige Wahl des Heims.
Silke Asmußen, Referentin beim Sozialverband VdK, weiß, dass in vielen Pflegeheimen täglich sehr gute Arbeit geleistet wird. Doch immer wieder werden auch skandalöse Zustände aufgedeckt. Asmußen und der VdK fordern deshalb unter anderem ein unabhängiges Frühwarnsystem und bessere Arbeitsbedingungen.
Frau Asmußen, worauf ist bei der Wahl des Heims zu achten?
Wichtig ist zunächst, möglichst frühzeitig Vorkehrungen – dazu gehören auch eine Betreuungs- und eine Patientenverfügung – zu treffen und zu klären, welche Unterstützung in welchem Umfang benötigt wird. Die Kriterien für die Wahl der Einrichtung sind zahlreich, zum Beispiel Lage des Heims, Größe und Ausstattung der Zimmer, Verpflegung, Tagesablauf, Personalausstattung, ärztliche Versorgung, Besuchszeiten, Kosten, Transparenz. Barrierefreiheit ist ein wichtiger Faktor.
Was ist noch relevant?
Gibt es spezielle Angebote für demenzkranke Menschen? Ist alles durchgetaktet oder werden persönliche Gewohnheiten berücksichtigt? Können Angehörige bei der Pflegeplanung mitbestimmen? Es empfiehlt sich, eine von Expertinnen erstellte Checkliste – zum Beispiel die „Weiße Liste“ der Bertelsmann Stiftung – zu nutzen, sich Zeit für die Entscheidung zu nehmen und wenn möglich ein Probewohnen zu vereinbaren. Es gibt außerdem nützliche Internetportale wie www.weisse-liste.de oder www.pflegelotse.de, wo man Einrichtungen nach bestimmten Kriterien suchen kann und Hinweise auf passende Angebote bekommt.
Wo kann man sich noch informieren und beraten lassen?
Pflegebedürftigkeit kann ganz plötzlich eintreten. Dann sind die Pflegestützpunkte, die es in Hessen mittlerweile flächendeckend in allen Landkreisen und kreisfreien Städten gibt, sehr gute Anlaufstellen. Sie bieten kompakte, unabhängige Informationen, etwa zu Pflegegrad, Einrichtungen und finanziellen Fragen.
Zur Person
Silke Asmußen ist Referentin und stellvertretende Leiterin der Abteilung für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit beim Sozialverband VdK Hessen-Thüringen. Die Abkürzung VdK leitet sich vom Gründungsnamen „Verband der Körperbehinderten, Arbeitsinvaliden und Hinterbliebenen“ ab.
Der Verband vertritt sozialpolitische Interessen und bietet seinen Mitgliedern unter anderem sozialrechtliche Beratung an. Neben rund 130 Hauptamtlichen sind vor allem Ehrenamtliche in zehn Bezirks-, 57 Kreis- und rund 1200 Ortsverbänden für den VdK Hessen-Thüringen aktiv. gha/Bild: Privat
Immer wieder kommen Missstände ans Licht. Welche strukturellen Ursachen begünstigen sie?
Die Bezahlung von Pflegekräften ist nach wie vor schlecht, der Mangel an Personal groß. Dies trägt wesentlich dazu bei, dass Mitarbeiterinnen durch die starke Belastung unter Zeitdruck geraten und die Qualität der Pflege leiden kann.
Was sollten Betroffene und Angehörige bei Missständen tun?
Sie müssen die Probleme in einer Art Protokoll genau dokumentieren: Welche Mängel sind wann aufgetreten? Welche Folgen hatten sie? Fotos und Zeug:innen, um dies zu belegen, sind ebenfalls hilfreich. Zunächst sollte man sich ans Personal wenden und kann dabei Einsicht in die Pflegedokumentation verlangen. Der Heimbeirat kann auch eingebunden werden.
Was tun, wenn sich nichts ändert?
Dann sollte die Heimleitung kontaktiert und über die konkreten Anliegen informiert werden. Gut ist, gleich einen Folgetermin zu vereinbaren, an dem geprüft wird, ob die Probleme gelöst wurden. Wenn nicht, ist die Heimaufsicht die nächste Anlaufstelle, in Hessen fällt das in die Zuständigkeit der Ämter für Versorgung und Soziales. Falls eine Klage notwendig erscheint, kann man sich etwa von der Verbraucherzentrale beraten lassen.
Tut die Politik aus Sicht des VdK genug, um für gute Bedingungen zu sorgen? Woran mangelt es?
Es gibt Schritte in die richtige Richtung. So sollen Versorgungsverträge nur noch mit Einrichtungen geschlossen werden, die nach Tarif oder vergleichbar bezahlen. Doch es ist noch viel zu tun: Wichtig wären beispielsweise feste Vorgaben für eine adäquate Personalbesetzung am Tag und in der Nacht. Darüber hinaus wäre aus Sicht des VdK ein bundesweit einheitliches Vorgehen der Aufsichtsbehörden wünschenswert, das Maßnahmen vorsieht, wenn bei Kontrollen Missstände festgestellt und diese nicht beseitigt wurden. Ebenso sollte ein unabhängiges Frühwarnsystem eingeführt werden, an das sich Betroffene, Angehörige und Pflegekräfte wenden können.
Interview: Gregor Haschnik