Der Hilferuf der Frankfurter Gemüseheldinnen

Weil der Verein enorm gewachsen ist, braucht er Geld für feste Strukturen und für seine Visionen der essbaren Stadt – aber die Stadt sagt, sie hat keins.
Ein ganz normaler Vormittag im Stadtgarten der Gemüseheldinnen. Oben in Sachsenhausen, Richtung Mühlberg, wuseln gärtnernde Menschen, jagen die Hündinnen Elsi und Emma zwischen ihnen hin und her, sind alle damit beschäftigt, Gemüse zum Wachsen zu veranlassen. Klappt recht gut, das mit dem Wachsen. Nicht nur bei Möhren, Fenchel und Salat. Das ganze Projekt Gemüseheldinnen ist gewachsen, so rasant, dass es jetzt, um im Bild zu bleiben, dringend umgetopft werden müsste. Das Problem ist – wer will raten? Richtig: Geld.
Der Reihe nach. Wer sind die Gemüseheldinnen? 2019 waren das Laura Setzer und Juliane Ranck. Vier Vegetationsperioden später sind es 90 Vereinsmitglieder, etwa 350 Stadtgärtnerinnen und -gärtner und 18 Gemeinschaftsgärten in vier Frankfurter Stadtteilen. Es gibt Fernsehdokumentationen über das Phänomen Gemüseheldinnen. Zuletzt haben sie den Garten eines Pflegeheims in Fechenheim in eine ihrer „Permakulturinseln“ verwandelt, und längst bilden sie auch die nächste Generation darin aus, nicht nur Samen in die Erde zu stecken, sondern Verantwortung zu übernehmen: für die Vision der essbaren Stadt, für gesunde Ernährung an möglichst jeder Ecke.
„Wir haben keine Kapazitäten mehr“
Offenbar zieht das Projekt die Menschen an wie die Zucchiniblüte die Hummeln. „Wir bekommen so viele Anfragen“, sagt Juliane Ranck, „und wir sagen inzwischen immer nein – weil wir keine Kapazitäten mehr haben.“ Jemand muss sich um die Neuen kümmern, jemand muss auch für diejenigen da sein, die von den Gemüseheldinnen lernen wollen. Allein in diesem Jahr seien bisher 52 Anfragen eingegangen, sagt Anna Zollner aus dem Strategieteam des Vereins, die zusammen mit Chris Kircher die Ausbildung für angehende Stadtfarmerinnen und -farmer leitet. Kleingartenvereine, Schulen, Gruppen aus dem In- und Ausland wollen schauen und verstehen, was diese Leute machen. Das Goethe-Institut lud die Heldinnen dazu ein, in Frankreich einen Lehrgarten anzulegen. „Alle wollen sich mit uns vernetzen, aber wir haben keine Zeit dafür“, sagt Philina Schmidt, für Vision und Strategie in Vollzeit bei den Gemüseheldinnen aktiv – unbezahlt.
Genau da liegt der Hase in der Pfefferminze. Zwar gibt es seit diesem Jahr städtische Zuschüsse, die zwei Vollzeitstellen finanzieren: eine Stelle bis Jahresende für Konzeption und Start der bundesweit ersten Stadtfarmer- oder Stadtfarmerinnen-Ausbildung; die andere bis 2025 für Aufbau und Betreuung des Fechenheimer Pflegegärtchens. Die Stellen teilen sich je zwei Heldinnen.
Gemüseanbau auf den Dächern
Aber damit kämen sie bei weitem nicht aus, schildern die Organisatorinnen. „Vielen ist ja nicht klar, was wir alles machen“, sagt Juliane Ranck. „Wir machen Bildung, wir gestalten die Stadt auf allen Ebenen, und wir wollen noch mehr.“ Visionen für Frankfurt entwickeln, sagt Anna Zollner. Gemüseanbau auf den Dächern. Aus Brachflächen in kürzester Zeit ertragreiche Gärten machen, sagt Philina Schmidt. Frankfurt gemeinsam mit den Partnern, etwa dem Verein Bionales und dem Ernährungsrat, zur Modellstadt für Urban Farming weiterentwickeln. Aber es gehe alles zu langsam: „Leute gehen wegen Überlastung aus dem Organisationsteam raus.“
Fünf zusätzliche Personalstellen brauchen sie, haben die Gemüseheldinnen ausgerechnet. Im Stadtparlament gebe es dafür durchaus Fürsprache, auch Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) stehe mit dem Verein im freundschaftlichen Kontakt. Das sei richtig, sagt Heilig im Gespräch mit der FR, die Arbeit der Heldinnen sei ein großes Plus für die Stadt, deshalb finanziere sie ja bereits zwei Stellen für zusammen 80 000 Euro, zusätzlich setze sie sich für Spenden ein. Jetzt das Aber: „Wir haben nicht mehr Geld.“ Es fehle ja gerade an allen Ecken, mehr könne sich Frankfurt momentan nicht leisten, sagt Heilig, ohne den Haushaltsberatungen vorgreifen zu wollen. Ihr Rat: „Vielleicht hilft es, wenn die Gemüseheldinnen nicht immer noch mehr machen, sondern sich erst einmal konsolidieren?“
Das sind Grundsatzfragen, genau wie bei der Klimakrise. Was ist jetzt wichtig, wo muss die Gesellschaft sich finanziell engagieren? Und wenn die öffentliche Hand tatsächlich nicht mehr ausgeben kann – wäre „weniger“ tatsächlich ein Weg? Oder Beiträge von den Mitgliedern erheben, die die nötigen Personalkosten decken?
„Das Soziale ist uns wichtig“
„Wir wollen niedrigschwellig bleiben“, sagt Juliane Ranck. „Das Soziale ist uns wichtig – manche sagen uns: Ich habe hier eine Familie gefunden, ich stehe morgens wieder gerne auf.“ Es sei keine Pflicht, Mitglied zu werden, um bei den Gemüseheldinnen mitzumachen; das will der Verein auch beibehalten und nicht zum reinen Produktionsunternehmen mit Beitragspflicht werden.
Mit der Polytechnischen Gesellschaft seien sie im Gespräch, sagen die Frauen vom Strategieteam. Da könnte vielleicht eine Zusammenarbeit für weitere Stellen entstehen, für kompetente Leute, die sagen, sie würden gern bei den Gemüseheldinnen mitarbeiten aber sich nicht so gern ausbeuten lassen. Und wer weiß, noch sind nicht alle Haushaltsmittel der Stadt für die nächsten Jahre vergeben.