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Der beste Musikmix. Aber nicht im Radio.

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Von: George Grodensky

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Hier noch auf der Galerie, künftig stehen die Hörstationen in Rotunde und Lesesaal.
Hier noch auf der Galerie, künftig stehen die Hörstationen in Rotunde und Lesesaal. Michael Schick © Michael Schick

Von Metal, über Gangster-Rap bis Jazz und Mundart. DJ „Deutsches Musikarchiv“ präsentiert 200 Liedwünsche in Hörstationen in der Nationalbibliothek an der Adickesallee / Von George Grodensky

Die Aufgabe scheint schwer, dabei ist es völlig klar, wie Frankfurt klingt: ganz unterschiedlich halt. Das Deutsche Musikarchiv hat unter der Prämisse „Wie klingt Frankfurt?“ um Lieder gebeten. Drei Monate hat Leiter Ruprecht Langer gesammelt. 300 Vorschläge hat er erhalten. Nun präsentiert er den fertigen Mix im Lesesaal und der Rotunde der Nationalbibliothek an der Adickesallee. Viel Gangster Rap ist zu hören, viel Mundart. Dazu Jazz, Rock, Indie. Manche Lieder sind selbsterklärend, andere haben nur für eine Person Bezug zur Stadt. Alle haben sie ihre Berechtigung findet Langer.

Wichtig ist ihm lediglich, dass eine Begründung hinzugefügt ist. Das Musikarchiv gehöre an beide Standorte der Nationalbibliothek, Leipzig und Frankfurt. Um das zu unterstreichen, habe er die Aktion ins Leben gerufen. Und vielleicht, um ein bisschen anzugeben. Immerhin hat er mehr als zwei Millionen Musikstücke im Fundus.

„Die Vielfalt der Lieder spiegelt eben die Vielfalt der Stadt“, freut sich Besucherin Irmtraut Friedrich bei der Eröffnung der sogenannten Hörstationen am Montag. 160 Nationen seien in der Stadt zu Hause. „Das finde ich sehr bereichernd.“ Sie brauche gar nicht in die Welt hinaus zu fahren, wenn sie etwas erleben möchte. „Die Welt ist bei uns.“

Vielbesungene Eintracht

Und hat ihre Musik mitgebracht. Klaus Söhnel etwa, hat sich Motorbiene von Benny Quick gewünscht, ein flottes Rock’n’Roll-Stück. Seine Begründung: „Das wurde immer auf dem Oeder-Weg-Fest gespielt.“ Aber weil Söhnel Plattensammler ist und außerdem in der Jazz Initiative Konzerte organisiert, hat er gleich mehrere Titel eingesandt. Was von Albert Mangelsdorff, dem großen Frankfurter Posaunisten und außerdem „Kaufhaus“ von der Gruppe Flatsch.

Bruno Sisko hat sich der Einfachheit halber ein Lied seiner eigenen Band gewünscht. Sisko heißt die und hatte für einen der Songsampler der Frankfurter Eintracht den Titel „Hey Diva!“ beigesteuert. „Für mich hätte kein Song besser gepasst“, sagt Sisko und lacht. Die Eintracht sei ein riesiger Teil Frankfurts. Ein bisschen schade findet er allerdings, mit seinen 49 Jahren einer der jüngsten Besucherinnen und Besucher des Abends zu sein.

So ist zum Beispiel kaum jemand zu sehen, der all die Stücke von Moses Pelham, dem Rapper Vega oder auch von Haftbefehl (Begründung: Credibility mit Herz) gewählt haben würde. Auch ob es Siskos „Diva“ tatsächlich auf die Playlist geschafft hat, kann er noch nicht feststellen. Zu groß ist der Ansturm auf die vier Hörstationen.

Tatsächlich haben es ein paar Wünsche nicht in den Mix geschafft, erklärt Ruprecht Langer. 200 von den 300 Anregungen hat er genommen. Manche Vorschläge waren schlicht doppelt, andere waren nicht als Tonträger im Archiv verfügbar. Zum Beispiel der Hinweis, Langer möge einmal an der und der Stelle in die Stadt gehen und dem Lärm lauschen. So klinge Frankfurt nämlich. Langer fand den Vorschlag charmant, aber nicht auf einem Tonträger in seinem Archiv. Dafür hat er einen anderen Wunsch zugelassen: Robert Gernhardts „Schlafpantomime“. Kein Lied, aber „guter Schlaf sei wichtig in der Metropole“, wie es in der Begründung heißt.

Der Gassenhauer „Im Herzen von Europa“, der immer im Stadion vor den Eintracht-Spielen erklingt, ist gar 30 Mal nominiert worden. „Ein bisschen stolz“ macht das Fritz Rosenthal schon. Er gehöre dem Polizeichor Frankfurt im kommenden Jahr seit 50 Jahren an. Er ist 1974 auch mit im Studio gewesen, als die Gruppe das Schunkelstück eingesungen hat. Einst eine Ode an die Stadt, dann zur Eloge auf den Fußballclub umgedichtet. Wehmütig ist Rosenthal aber auch. „1974 waren wir 91 oder 92 Sänger“, sagt er. Heute sind es knapp 30.

Um dem Abend noch mehr Feierlichkeit zu verleihen, hat Langer zudem zu einer Art Zeitreise eingeladen. Claus Peter Gallenmiller von der Gesellschaft für historische Tonträger zeigt, wie man in den 1930er Jahren Schallplatten aufgenommen hat. Dafür singt eigens das Vokalensemble Anima aus Frankfurt und Wiesbaden. Manches Lied muss es sogar mehrmals singen, bis Tonmeister Gallenmiller zufrieden ist. Anders als sonst aufstellen, muss es sich ohnehin. Der dominante Sopran etwas weiter weg vom Mirko stehen, der sanfte Bass rückt nach vorne.

Das Publikum hat dennoch Spaß, auch wenn viermal „Wochenend und Sonnenschein“ an einem Montag ein ganz gemeiner Ohrwurm ist. Schließlich entstehene drei Livemittschnitte. Einen erhält die Musikgruppe, zwei die Musikarchive. In Leipzig und in Frankfurt.

So klingt Frankfurt, nachzuhören auf Hörstationen in Rotunde und Lesesaal der Deutschen Nationalbibliothek, Adickesallee 1. Geöffnet Mo. bis Fr. 9–22 Uhr, Sa. 10–18 Uhr. www.dnb.de

Claus Peter Gallenmiller (vorne rechts) zeigt das Schneiden einer Decelith-Schallplatte mit originalem Equipment der 30er und 40er Jahre und nimmt den Gesang das Vokalensembles Anima live auf..
Claus Peter Gallenmiller (vorne rechts) zeigt das Schneiden einer Decelith-Schallplatte mit originalem Equipment der 30er und 40er Jahre und nimmt den Gesang das Vokalensembles Anima live auf.. © Michael Schick

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