Demonstration in Frankfurt: „Nicht ohne meine Tagesmutter“

Tagesfamilien demonstrieren für eine bessere Bezahlung. In Frankfurt fehlt bislang eine Satzung. Der Stundenlohn sei deutlich schlechter als in anderen Städten und gerade mal so über dem Mindestlohn.
Mit Luftballons und Gurken demonstrieren am Paulsplatz Tagesmütter, Tagesväter, Eltern und ihre Kinder, die gerade ihre ersten Schritte laufen können. Auf einem Transparent steht: „Nicht ohne meine Tagesmutter“. Eine Demonstrantin hält am Donnerstagnachmittag ein Plakat hoch: „Wir verdienen mehr Respekt und angemessene Bezahlung.“ Eine Tagesmutter erzählt, dass sie etwas mehr als den Mindestlohn verdiene, obwohl sie fünfmal die Woche arbeite. Sie ist nicht die Einzige.
Aufgerufen zur Demonstration „Für den Fortbestand von Tagesfamilien“ hat die Interessengemeinschaft namens TaMaPaKi. Schon seit Jahren fordern die Tagesfamilien - sie betreuen ein oder mehrere Kinder zwischen 0 und drei Jahren - bereits mehr Förderleistungen von der Stadt, dazu brauche es aber vor allem eine Satzung, die es anders als in den meisten anderen hessischen Städten in Frankfurt eben noch nicht gebe. „Seit 2016 sprechen wir mit Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) darüber, seitdem ist nichts passiert. Immer nur Versprechungen“, sagt Angela Röhring, eine der Sprecherinnen der Interessengemeinschaft.
Am Vorabend der Demonstration hatte Weber verkündet, dass die Satzung Anfang 2024 Realität werden solle, und dass es einen Inflationsausgleich von einmalig 300 Euro für Tagesfamilien geben solle. Damit sei die dringendste Forderung der Kindertagespflege erfüllt, so Weber.
Das sehen die Demonstrierenden anders: „Damit können wir uns pro Woche zwei Gurken leisten. Das ist ein Witz“, sagt Röhring. Später will sie deshalb die Gurken symbolhaft verteilen. Die Stadtpolitik habe die Kindertagespflege in den vergangenen Jahren in eine existenzbedrohliche Lage getrieben. Die meisten Tagesväter und -mütter arbeiten auf freiberuflicher Basis.
Lisanne Bezler ist Tagesmutter und Sprecherin der Interessengemeinschaft. Sie zeigt eine Tabelle, was Tagespflegefamilien in Frankfurt verdienen. „Das ist sehr kompliziert. Aber je nachdem, wie viele Kinder man betreut und wie viele Stunden man in der Woche arbeitet, variiert der Stundenlohn zwischen 2,98 bis 4,18 Euro brutto pro Kind. Wir fordern 7,50 Euro, das ist auch, was der Bundesverband für Kindertagespflege fordert. In Ulm verdienen Tagesfamilien übrigens 9,50 Euro“, sagt Bezler. Sie wollen mehr Geld sofort und nicht erst 2024.
Angela Röhring, die fünf Kinder betreut, sagt, sie arbeite von 8 bis 17 Uhr, fünfmal die Woche und bekomme pro Kind 1051 Euro Brutto (inklusive der 300 Euro pro Kind als Betriebs- und Sachkostenpauschale). „Das hört sich erst mal toll an, aber ich bin wie fast alle Tagesmütter selbstständig, davon gehen noch monatlich die Ausgaben wie Essen, Miete für angemietete Räume, Spielsachen und Steuern ab.“ Hinzu käme die Inflation, sagt die 57-Jährige: „Wir sind keine erwachsenen Babysitter, die ein bisschen Geld dazu verdienen. Viele von uns haben ein Bundeszertifikat für Kindertagespflege gemacht. Und wir haben die gleichen Auflagen wie Kitas.“ Ohne den Verdienst ihres Mannes könnte sie nicht davon in Frankfurt leben.
Horst Münker (60) ist seit zehn Jahren Tagesvater im Nordend: „Ich mache den Job, weil er mir Freude macht, aber ich muss davon leben können.“ Weil er den Versprechen von Weber nicht traue, habe er für dieses Jahr lieber erst mal den Urlaub gestrichen. Weber sagt, dass sie die von den Tagesfamilien geforderten zwei Regenerationstage im Jahr umsetzen wolle. Zudem hat sie ankündigt, mit der Satzung ab 2024 dann auch die sogenannte „Degression“ abzuschaffen. Das bedeutet die gleiche Entlohnung der Tagespflegepersonen auch für die Betreuung des vierten und fünften Kindes, was bislang nicht der Fall gewesen sei. „Dies bedeutet eine Erhöhung der Einnahmen für die Tagespflegepersonen von bis zu 20 Prozent.“ Röhring sagt: „Das betrifft aber nur Tagesfamilien, die mindestens vier Kinder betreuen. Alle anderen bekommen keine Gehaltserhöhung.“ Laut Bildungsdezernat gibt es aktuell 400 Tagesfamilien, die in Frankfurt rund 1200 Kinder betreuen.
Mitten in der Demo ist eine Mutter mit ihrem 15 Monate alten Sohn. „Ohne meine Tagesmutter könnten mein Mann und ich nicht beide arbeiten gehen, denn einen Krippenplatz zu bekommen, ist unmöglich. Außerdem ist das eine persönlichere Betreuung als in einer Kita, weil es kleine Gruppen sind. Wenn ich meinen Kleinen abgebe, fällt er seiner Tagesmutter um den Hals. Ich kann mit einem guten Gewissen arbeiten gehen.“