Demo gegen Gewalt an Frauen und Mädchen in Frankfurt: „Es muss ganz schnell ganz anders werden“

200 Menschen tanzen in Frankfurt gegen Gewalt an Frauen und Mädchen
Die Choreo ist nicht unbedingt synchron, aber alle tanzen mit extrem viel Spaß und Leidenschaft zu den Beats von „Break the Chain“ – „Zerreißt die Ketten“. Es geht bei der Demo auch nicht um den perfekten Tanz. 200 Menschen sind laut Polizei am frühen Dienstagabend an die Frankfurter Hauptwache gekommen, um bei der Tanzdemo ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen, Mädchen, Transmenschen und allen, die sich eben als weiblich definieren, zu setzen. Es ist Valentinstag. Männer laufen zwischendrin durch die Menge mit „I love you this much“-Luftballons und Teddybärchen in Ballons verpackt.
„Der Valentinstag ist eben nicht nur ein Tag für glückliche Pärchen, sondern in viele Beziehungen gibt es leider auch viel Gewalt“, sagt eine Demonstrantin. Der weltweite „V-Day – One Billion rising“ wurde 2012 von der New Yorker Künstlerin und Feministin Eve Enseler initiiert. „One Billion Rising Day“ heißt übersetzt: „Eine Milliarde steht auf“. Diese Zahl bezieht sich auf eine Statistik der Vereinten Nationen, wonach jede dritte Frau auf der Welt im Lauf ihres Lebens sexuelle oder körperliche Gewalt erleidet. Ein Drittel aller Frauen weltweit sind eine Milliarde Frauen.
2014 gab es die erste Tanzdemo dann auch in Frankfurt. Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause ist diese nun wieder zurück.
Mittendrin ist auch eine 40-jährige Frankfurterin, die ihren Namen lieber nicht nennt, um sich und ihre kleine Tochter zu schützen. „Ich bin hier, weil ich selbst physische und psychische Gewalt in der Beziehung erlebt habe und anderen Frauen zeigen will: ‚Es gibt einen Weg raus. “
Angefangen habe alles ganz romantisch: „Nach drei Wochen sagte er; ‚Ich liebe dich‘ und zog bei mir ein.“ Eigentlich sei das schon ein Warnzeichen, wenn alles so schnell nach perfekter Hollywood-Romanze aussehe. „Aber ich hatte die rosa Brille auf, sehnte mich nach Liebe.“ Kurz nach der Geburt der Tochter begann die Gewalt, sie steckte in einer toxischen Beziehung „Er hat mich nicht nur geschlagen, sondern auch mit seinen Worten klein gemacht. Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich wieder mein Selbstbewusstsein erlangt habe und mich getrennt habe.“ Geholfen, „nein zur Gewalt zu sagen“, habe ihr dabei auch der„Verband alleinerziehender Mütter und Väter“ in Frankfurt.
Das „V“ am Aktionstag steht auch für „victory over violence“ („Sieg über die Gewalt“). Der Tanz sei ein „Rhythm of Resistance“, sagt Linda Kagerbauer vom Frauenreferat der Stadt. Von Chinesisch bis Farsi sagen Frauen auf der Bühne hintereinander den Satz: „Wir fordern ein gewaltfreies Leben für jeden und überall.“ Auch eine Gebärdendolmetscherin bringt der Menge den Satz bei.
Mit der Tanzdemo an der Hauptwache wollen das Frauendezernat und Frauenreferat mit einem breiten Aktionsbündnis nicht nur ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen, sondern auch gegen Sexismus, Rassismus, Homophobie und für körperliche Selbstbestimmung setzen. „Wieso ist eigentlich keiner der OB-Kandidaten heute hier und tanzt mit?“, fragt eine Demonstrantin immer wieder. Bereits am Nachmittag gab es auch eine Demo in Höchst vom Arbeitskreis gegen häusliche Gewalt Frankfurt.“
Eine 22-Jährige ist zufällig bei der Demo in der Innenstadt vorbeigekommen und findet die Aktion „mega“. „Ich selbst erlebe als schwarze Frau Sexismus gepaart mit Rassismus. Ich höre Sprüche wie: ‚Für eine Schwarze bist du schön‘“. Am schlimmsten sei es, wenn sie angegrabscht werde. Von Männer jeglichen Alters, aber die älteren seien besonders schlimm.
Unweit von ihr steht eine „Flinta“-Person (Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen), wie sie sich selbst definiert, „Schon als Kind wurde mir gesagt: ‚Du bist ein Mädchen, du bist zu schwach für bestimmte Dinge.‘ Als Teenie musste ich auf Partys in Habachtstellung sein und mich von fremden Typen als Schlampe bezeichnen lassen. Viele Leute sagen, dass sie nicht verstehen, warum wir so laut sein müssen. Es sei doch heutzutage alles ganz anders. Aber das ist es nicht. Es muss ganz schnell ganz anders werden.“
