Das „jüdische“ Frankfurt wird „arisch“

Frankfurt im Nationalsozialismus: Eine Innungskette erzählt von den Ambitionen des NS-Oberbürgermeisters Friedrich Krebs.
Gleich drei Ausstellungen befassen sich im Historischen Museum mit der Zeit des Nationalsozialismus in Frankfurt. Die FR stellt in einer Serie einige Exponate vor, die dort zu sehen sind. Heute: eine Kette, die an die „Arisierung“ Frankfurts erinnert.
Adolf Hitler mochte Frankfurt nicht. Die Metropole, die von allen deutschen Großstädten mit Ludwig Landmann den ersten jüdischen Oberbürgermeister gehabt hatte, war dem Diktator zu jüdisch, zu modern, zu liberal. Friedrich Krebs, der 1933 das Amt übernahm, nachdem Landmann auf Druck der Nationalsozialisten zurückgetreten war, versuchte, den Ruf Frankfurts als „Stadt der Juden und Demokraten“ zu tilgen und sie „arisch“ zu machen. Die Innungskette mit Hitler-Konterfei und Reichsadler, die im Historischen Museum in der Ausstellung „Eine Stadt macht mit“ zu sehen ist, zeugt von seinen Ambitionen.
Frankfurt wurde auf das Betreiben des NS-Oberbürgermeisters und mit Zustimmung des Führers im Juni 1935 offiziell zur „Stadt des deutschen Handwerks“ erklärt. Diesen Beinamen behielt sie bis Juli 1945. Die Idee dazu könnte Krebs beim Rhein-Mainischen Handwerkertag gekommen sein, der 1933 in Frankfurt abgehalten wurde.
Ausstellungen
Im Historischen Museum , Saalhof 1, sind zum Thema „Frankfurt und der NS“ drei Ausstellungen zu sehener.
Die zeitgeschichtliche Ausstellung „Eine Stadt macht mit – Frankfurt und der NS“ (bis 11. September 2022) führt an 19 typische Orte städtischen Lebens und verdeutlicht, wie der Nationalsozialismus die Stadt prägte.
Die Ausstellung „Auf Spurensuche im Heute“ (bis 11. September 2022) ist im Stadtlabor des Historischen Museums entstanden. Frankfurter:innen haben dafür in Frankfurt Orte, Dinge oder Ereignisse untersucht, die sie persönlich an die NS-Zeit erinnern.
Das Junge Museum des Historischen Museums gibt mit der interaktiven Ausstellung „Nachgefragt: Frankfurt und der NS“ Einblick in das Alltags- und Familienleben junger Frankfurterinnen und Frankfurter im Nationalsozialismus. Sie ist für Kinder ab zehn Jahren geeignet und wird bis zum 23. April 2023 zu sehen sein..
Das Begleitprogramm zu der Ausstellungstrias bietet neben Führungen und Vorträgen auch Kunstperformances und Stadtgänge an. Ein Überblick findet sich auf der Webseite des Historischen Museums. Diese wird fortlaufend aktualisiert. lad www.frankfurt-und-der-ns.de/de
„Die Kette wurde nach dem Krieg fälschlicherweise zunächst für eine OB-Kette gehalten“, sagt Anne Gemeinhardt, eine der Kurator:innen der kunsthistorischen Ausstellung. Tatsächlich war es eine von wohl mehreren Innungsketten, die auf dem Rhein-Mainischen Handwerkertag „Innungsführern“ in der Paulskirche überreicht wurden.
Das ausgestellte Exemplar gehörte einem Darmstädter. 2016 gelangte es in die Sammlung des Historischen Museums, erzählt die Kuratorin.
Alle Menschen, so der Wunsch des NS-Oberbürgermeisters, sollten bei einem Besuch Frankfurts sofort erkennen können, was für eine Bedeutung die Stadt hat. Er forderte ein Wahrzeichen. Der Berliner Bildhauer Max Esser, den die Nationalsozialisten 1944 auf die „Gottbegnadeten-Liste“ der wichtigsten Bildenden Künstler des Dritten Reichs setzten, entwarf einen Handwerkerbrunnen, einen als Gitterwerk gestalteten, zwölf Meter hohen Zylinder, auf dem 126 Innungsembleme platziert werden sollten. Esser wollte, dass er auf dem Römerberg steht. Doch die Stadt entschied sich für den Opernplatz als Standort. Dieser war ein Treffpunkt der jüdischen Gesellschaft gewesen. Einmal im Jahr nutzten ihn Handwerker und Handwerkerinnen für ihre Kundgebungen. Weder der Brunnen noch ein ebenfalls geplantes „Haus des deutschen Handwerks“, das am Mainufer entstehen sollte, konnten wegen des Krieges realisiert werden.
Ludwig Landmann, der von den Nazis geschasste Frankfurter OB, verhungerte 1945 in seinem Versteck im niederländischen Voorburg. Seinem Nachfolger Friedrich Krebs gelang es nach dem Krieg, sich von aller Schuld reinzuwaschen. Er wurde in einem Entnazifizierungsverfahren von einer Spruchkammer zunächst als „Minderbelasteter“ eingeordnet, 1949 sogar nur noch als „Mitläufer“. Der Jurist, der 1929 in die NSDAP eingetreten war, erstritt sich für seine Dienste als Oberbürgermeister sogar eine Pension.