Das Haustier: Gefährte oder Nahrung?

Die Ausstellung „Humanimal – Das Tier und wir“ zeigt nicht nur Schönes im Frankfurter Museum für Kommunikation – sie regt zum Nachdenken an.
Tierisch was los im Museum für Kommunikation. Verzeihung, der musste jetzt sein. Und es stimmt ja auch, es wuselt und wimmelt überall im Haus, während Museumsdirektor Helmut Gold die Gäste begrüßt. Aber draußen, im Haus, wuseln vor allem die Kinder, während drinnen, in der Sonderausstellung „Humanimal – Das Tier und wir“ die Tiere wimmeln. Und wir.
Da sind beispielsweise Brieftauben zu sehen. Pferde auch, denn „Pferde haben wir ohne Ende gefunden“, sagt Tine Nowak, die die Schau für das Museum kuratiert hat, das ja früher mal Postmuseum war. Bei der Postbeförderung spielten Tauben und Pferde einst eine Rolle – obwohl, die einen mehr, die anderen weniger, wie wir gleich erfahren werden.
Zunächst: Tiere im Kommunikationsmuseum? Aber ja, sagt Museumsdirektor Gold, die Mensch-Tier-Beziehung beruhe schließlich auch auf Kommunikation. Die skurrile Schafherde aus Telefonschnüren von einst im Museumsfoyer zeuge davon.
Ursprünglich stammt die Ausstellung vom Badischen Landesmuseum in Karlsruhe. Da arbeiteten vor drei Jahren zwölf Volontärinnen – welch ein reicher Ausbildungsplatzsegen im Badischen! – an der Schau, berichtet Koordinator Lars Petersen. „Das kam sehr gut an. Dann kam Corona.“ Schlecht fürs Publikum, aber eigentlich ja auch recht passend für eine Schau namens „Das Tier und wir“: ein Virus, das vom Tier auf den Menschen übersprang.
Nun gibt es Gelegenheit, in Frankfurt weitere Besucherinnen und Besucher für die Schau zu begeistern. Sie finden dort beispielsweise die berühmte Winkekatze vor, die im Original Maneki-neko heißt und ihre linke Pfote (batteriebetrieben) auf und ab bewegt, anzutreffen in vielen asiatischen Restaurants. Im Museum ist zu erfahren, dass diese Katze die Wiedergeburt der androgynen Gottheit der Gnade und Mildtätigkeit darstellt: Kannon heißt die Gottheit. Leider ist der Umgang mit dem konkreten Tier weniger gnädig und mild: „Hinter der Katze steckt Qualzucht“, sagt Silke Hockmann, einst eine der zwölf Volontärinnen. Der Rasse namens Kazuko-neko sei statt des langen Schweifs ein Stummelschwanz angezüchtet worden. Katzen brauchen ihren Schwanz aber, um das Gleichgewicht zu halten. Ein gutes Beispiel, um über das Ausstellungsstück hinaus weiterzudenken. „Der Mensch ist doch auch ein Tier“, sagt Silke Hockmann. „Wie kommt es, dass er sich selbst als solch eine erhabene Spezies versteht?“
Beispiele dafür gibt es reichlich. Ein Wildschweinkopf ziert die Ausstellung, und ein Hamburger, also das Brötchen mit Fleisch dazwischen. Der Mensch jagt für seine Ernährung und für seine Erbauung. Und für seine Bekleidung: An einer Station lässt sich testweise fühlen, ob man den Unterschied zwischen Tier- und Kunstpelz erkennt. An einer anderen Station zeigt ein 140 Jahre alter „Visions-Automat“ aus der Schweiz, wie ein Mann einen angeketteten Bären im Kreis tanzen lässt, dazu Musik. Durch Münzeinwurf zu aktivieren. Eine furchtbare Szene.
Es gibt griechische Terrakotta-Schweinchen aus dem fünften Jahrhundert vor Christus zu sehen. Dazu die Information, dass damals Ferkel „stellvertretend für Jungfrauen“ geopfert wurden, um die Fruchtbarkeitsgöttin Demeter gnädig zu stimmen. Dazu keine Stimmen und Meinungen von Ferkeln. Eine „Käfer-Menagerie“, in die Käfer eingesperrt wurden, diente Anfang des 20. Jahrhunderts dazu, dem Nachwuchs Verantwortungsgefühl beizubringen, hier: für Käfer. Ende des 20. Jahrhunderts gab es dafür kleine Spielkonsolen: Tamagotchis.
DIE AUSSTELLUNG
„Humanimal – Das Tier und wir“ ist bis zum 15. Oktober im Museum für Kommunikation am Frankfurter Museumsufer zu sehen.
Es gibt reichlich Rahmenprogramm und Führungen. „Die ganzen Sommerferien lang wird Frankfurt tierisch entdeckt“, verspricht Kuratorin Tine Nowak.
Jeden Mittwoch (von April an) sind Gespräche mit Fachleuten auf Radio X geplant, die anschließend als Podcast-Episoden auf der Website des Museums abzurufen sind. Dort gibt es auch Einzelheiten zum Programm: www.mfk-frankfurt.de/humanimal
Wie die Technik die Tiere ersetzte, verdeutlicht Kuratorin Nowak auch am Beispiel der Pferde. Ihre Rolle übernahm das Auto, etwa bei der Postzustellung. Apropos: Das Bild von der Brieftaube sei „eine romantische Vorstellung“, sagt Tine Nowak: „Die kann nie das Gewicht eines Briefes tragen.“ Jedenfalls nicht von Romeo in Frankfurt bis zu Julia in Neapel oder zu Giuseppe in Mailand.
Wie die Krokodilledertasche von Hermés hergestellt worden ist, die die Schau zeigt, wollen Sie lieber nicht wissen, liebe Leserinnen und Leser. Auch nicht, wie der Muff aus Affenfell entstand, ein Handwärmer aus dem erloschenen Leben eines Guereza-Primaten.
Vielleicht möchten Sie lieber erfahren, welche echten Tiere im Museum für Kommunikation leben, ohne dass sie Teil einer Ausstellung sind? „Im Keller hoffentlich keine“, sagt Pressereferentin Regina Hock und lacht. Aber die freundliche Blühwiese draußen vor dem Haus, die das Museumsteam im Vorfeld der sehr gut besuchten Ausstellung „Klima_X“ angelegt hat, beherbergt sommers reichlich neue Freunde, darunter viele Vögel und noch mehr Insekten. Und natürlich das Eichhörnchen, mit dem sich der Gärtner angefreundet hat. Zwei Stockwerke tiefer gäbe es (statt Mäusen) noch ein Hummertelefon von Salvador Dalí. Da sage noch jemand, Kommunikation und Tiere hätten nichts gemein.
Zurück zur Ausstellung. Die etwa 40 Exponate machen teils Spaß, teils nachdenklich, manchmal auch traurig, aber sie sind einen Besuch wert. Beispielsweise für alle, die sich für Furbys interessieren (eine Art Kuscheltiere mit riesigen Augen und Eigenleben), für 100 Jahre alte Tierschutzkalender oder für die Frage, ob der Mensch vom Affen abstammt, worüber sich ein Mensch und ein Orang-Utan von Angesicht zu Angesicht austauschen: als karikierende Tonfiguren mit fast 200 Jahren auf dem Buckel.
Auch die Haustiere sind natürlich Thema der Schau: Zwei von fünf Menschen in Deutschland haben ein Tier an ihrer Seite. Ob es jeweils ein Gefährte sei „oder Nahrung“, das bestimmten kulturelle und emotionale Faktoren, heißt es im Museum: „Kann ein Tier zugleich Spielgefährte und Sonntagsbraten sein?“
Eine Frage, die sich irgendwann auch die Tiere stellen werden. Interessant, dass passend zur Ausstellung demnächst im ZDF die Fernsehserie „Der Schwarm“ anläuft, jetzt schon in der Mediathek zu sehen. Da haben manche Tiere die Frage wohl schon für sich beantwortet.
