Cohn-Bendit wirbt in Frankreich für Bewegung „En Marche“ von Macron

Daniel Cohn-Bendit ist sein Leben lang in zwei Nationalstaaten zu Hause: In Deutschland und Frankreich. Vor der Europawahl wirbt er in Frankreich für die Bewegung „En Marche“ von Macron.
Er erscheint pünktlich und unser Gespräch kommt wie stets sofort in Gang. Man muss Daniel Cohn-Bendit ohnehin nicht lange bitten, über Europa zu reden. Der 74-jährige ist Europäer par excellence. Geboren 1945 im südfranzösischen Montalban als Sohn deutscher jüdischer Emigranten, die in vielen Verstecken die nationalsozialistische Gewaltherrschaft überlebt hatten. Gezeugt im Juni 1944, als die alliierten Truppen in der Normandie landeten und zur Befreiung Frankreichs ansetzten.
Der Frankfurter Cohn-Bendit ist sein Leben lang in zwei Nationalstaaten zu Hause, in Deutschland und Frankreich. Zwanzig Jahre, von 1994 bis 2014, hat er im Europäischen Parlament für Fortschritte auf dem Weg zu einer Europäischen Republik gekämpft. „Es ist mein sechster Europa-Wahlkampf“, sagt er stolz. Und er legt sich noch einmal für Europa ins Zeug, das er von Rechtspopulisten bedroht sieht.
An diesem Abend diskutiert er mit vier jungen Menschen auf einem Podium in der Naxos-Halle im Frankfurter Ostend unter dem Motto „Europa über die Generationen hinweg“. Bevor der frühere Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten sich da wortgewaltig wie immer ins Getümmel wirft, spricht er mit mir über sein Engagement für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Denn in Frankreich wirbt Cohn-Bendit keineswegs für seine Partei, die Grünen (Europe Ecologie-Les Verts), sondern für die Bewegung „En Marche“ von Macron.
Daniel Cohn-Bendit will Weber nicht an Spitze der Kommission
Das hat ihm ganz schön viel Ärger eingebracht, doch er reagiert nur mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Macron ist der einzige Staatschef, der eine Vorstellung von Europa hat“, sagt er. Man müsse ihn deshalb stützen. In Frankreich liegt Macron in den Meinungsumfragen knapp hinter dem Front National von Marine Le Pen.
Cohn-Bendit setzt darauf, dass Macrons Bewegung nach der Wahl das Europäische Parlament aufmischt. „Die Sozialdemokraten, die Liberalen und die Grünen müssen Manfred Weber als Präsident der Europäischen Kommission verhindern“, das ist seine Perspektive. Statt des deutschen CSU-Mannes soll in den Augen Cohn-Bendits der Franzose Michel Barnier an die Spitze der EU rücken, der zur Zeit noch Chefunterhändler für den Brexit ist.
Was sagen eigentlich die Grünen zu seinen Vorstellungen? Cohn-Bendit lacht. „Der Chef der Grünen in Frankreich ist ein guter Freund von mir“, sagt er, das müsse genügen. Und in Deutschland habe er einen Briefwechsel mit dem Parteivorsitzenden Robert Habeck gehabt: „Der sieht einiges so ähnlich wie ich.“
Auf dem Podium legt sich Cohn-Bendit sofort ins Zeug. Widerspricht der Ansicht von Theater-Intendant Willy Praml, die europäischen Institutionen seien nicht demokratisch legitimiert: „Das ist barer Unsinn!“, ruft er.
Daniel Cohn-Bendit bleibt optimistisch
In der Diskussion verkehren sich die erwarteten Fronten. Die jungen Leute sind die großen Skeptiker, was die europäische Gegenwart anbelangt. „Meine Jüdische Schule war rund um die Uhr von Polizisten bewacht, das kann man doch nicht durch eine rosarote Brille sehen“, sagt die Studentin Tamara Ikaev. Europa sei doch nur damit beschäftigt, eine Festung gegen Geflüchtete aufzubauen, kritisiert die Soziologin Sanna Hübsch. Verrate es so nicht die europäischen Ideale? Immer wieder habe man es auf europäischer Ebene „mit korrupten Parteien zu tun“.
Auch der Student Aaron Edelmann hält Cohn-Bendit vor: „Die Realität sieht anders aus als Ihre Ideale.“ Doch der alte Europäer bleibt ungebrochen optimistisch. „Geschichte ist ein Kampf“, sagt er. Die Europäische Einigung werde „noch mal 50 Jahre dauern“.
Man dürfe nicht nachlassen, Europa beharrlich zu erklären, urteilt auch der Schauspieler Michael Quast. Doch Sanna Hübsch ist das zu wenig: „Utopien sollten erreichbar sein“, fordert sie.
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Claus-Jürgen Göpfert hat viele Gespräche mit Daniel Cohn-Bendit geführt. Jetzt hat er mit ihm erstmals über eine unpolitische Leidenschaft geredet: Fußball. „Ich kann mir das Leben ohne Politik und Fußball nicht vorstellen“, sagt Cohn-Bendit. Ein Gespräch über Sponti-Fußball mit Joschka Fischer, die Eintracht - und sein neues Buch.