Damigra diskutiert über doppelte Diskriminierung von migrantischen Frauen
Die Corona-Pandemie hat die Ungleichbehandlung von Care-Arbeiterinnen verschärft, sagt Ewa Palenga-Möllenbeck von der Goethe Uni. Sie fordert eine Regulierung der Branche.
Seit Jahren beobachtet der Dachverband der Migrantinnen*organisationen Damigra, wie Frauen mit Flucht- und Migrationsgeschichte auf dem Arbeitsmarkt zweifach diskriminiert werden: aufgrund ihres Geschlechts und aufgrund ihres migrantischen Hintergrunds. Am Donnerstag hat der Damigra zu einem digitalen Runden Tisch zum Thema „Migration und Gender Pay Gap. Frauen* mit Migrations- und Fluchtgeschichte in der Corona-Pandemie“ geladen, um mit Vertreterinnen aus Wissenschaft, Politik und Praxis zu diskutieren. Denn die Corona-Pandemie habe die Ungleichheit weiter verschärft, weil sie dafür gesorgt habe, dass Frauen wieder vermehrt in eine traditionelle Geschlechterrolle zurückgedrängt wurden.
Die Lohnlücke zwischen herkunftsdeutschen Frauen und Migrantinnen liege bei etwa 20 Prozent. „Prognosen sagen, dass mindestens 100 Jahre vergehen werden, bis Frauen und Männer gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen“, sagte Kook-Nam Cho-Ruwwe, Vorsitzende von Damigra. Für Migrantinnen dauere es dementsprechend noch länger.
Ewa Palenga-Möllenbeck von der Goethe-Universität Frankfurt forscht zu Diversity und Care-Arbeit und sagt: „Systemrelevant, aber unterbewertet: Die Corona-Pandemie verstärkt die Ungleichbehandlung von Care-Arbeiter:innen.“ In der Corona-Pandemie sind Jobs aus dem Niedriglohnsektor und der Sorgearbeit, die mehrheitlich von Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte ausgeführt werden, als systemrelevant eingestuft worden. Das sei ein Paradox für die Frauen: Auf der einen Seite gelten sie als systemrelevant, auf der anderen Seite leiden sie unter schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen.
Der größte Anteil der Frauen, die in der 24-Stunden-Pflegebetreuung arbeiten, komme aus Polen und verdiene zwischen 1000 und 1600 Euro im Monat, so Palenga-Möllenbeck. Trotz der prekären Arbeitsbedingungen werde dieses Modell in Deutschland als Gewinn für beide Seiten gesehen. Das erklärt die Wissenschaftlerin durch das sogenannte Othering. Dabei wird einer Gruppe, in diesem Fall polnischen Migrantinnen, eine Andersartigkeit und ein niedrigerer Status aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Herkunft zugeschrieben.
„Damit werden prekäre Arbeitsverhältnisse legitimiert. 24-Stunden-Arbeit gilt als zumutbar für Migrantinnen aus dysfunktionalen Familien.“ Wie fragil das System sei, habe sich während der Pandemie gezeigt, als die Arbeitskräfte aufgrund geschlossener Grenzen und Quarantänebestimmungen nicht wie gewohnt zur Verfügung standen. Aber Palenga-Möllenbeck betont auch: „Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.“ So seien die Belange der Arbeitskräfte im öffentlich-politischen Diskurs komplett ausgeklammert worden. Die Wissenschaftlerin fordert eine stärkere Regulierung der Branche und eine allgemeine Aufwertung von Care-Arbeit.