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Corona: Notaufnahmen in Hessen stehen vor dem Kollaps

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Von: Steven Micksch

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Die Arbeit auf den Intensivstationen ist für die Pflegekräfte sehr belastend.
Die Arbeit auf den Intensivstationen ist für die Pflegekräfte sehr belastend. © dpa

Der Krankenhausbetrieb in Hessen kann derzeit nicht immer aufrechterhalten werden. Frankfurts Uniklinikchef spricht sich für die Impfpflicht und Kontaktbeschränkungen aus.

Hessen - Jürgen Graf, Leiter des Planstabs stationäre Versorgung des hessischen Sozialministers und Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Frankfurt, hält die klinische Versorgungssituation in Hessen für äußerst gefährdet. „Wir versuchen in Hessen derzeit den Krankenhausbetrieb aufrechtzuerhalten, aber das gelingt nicht immer und nicht überall.“

Die steigenden Neuinfektionszahlen bereiten Graf Sorgen: „Wenn die Lage sich weiter verschlechtert, kann die akute Notaufnahme ihre Arbeit nicht mehr adäquat leisten.“

Corona: Uniklinikchef spricht sich für Impfpflicht aus

Der Vorstandsvorsitzende des Frankfurter Universitätsklinikums sieht eine Verbesserung der Situation nur durch steigende Impfzahlen und die Einführung und Umsetzung konkreter Maßnahmen. Um den Anteil der geimpften Menschen in Deutschland zu erhöhen, müsse auch die Impfpflicht kommen. „Es braucht eine allgemeine Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 für alle. Wenn es Druck braucht, damit Menschen sich impfen lassen, dann sollte der Staat in einer solchen Lage legitimiert sein, diesen Druck auszuüben. Bei der Masernimpfung tut er das ja auch.“

Sich auf individuelle Freiheiten zu berufen, funktioniere nicht, da diese nur über die Freiheit der Gesellschaft kommen könne. Diese sei aktuell aber nicht gegeben.

Corona-Impfung nicht das Allheilmittel

Das Impfen sei in diesem Winter aber nicht das Allheilmittel. Es brauche jetzt Kontaktbeschränkungen und das strikte Einhalten der Hygieneregeln. „Die Aufrechterhaltung eines gesellschaftlichen Lebens wird mit dieser Zahl von Neuinfektionen nicht machbar sein.“ Nach Grafs Einschätzung müssten Weihnachtsmarkte abgesagt werden. Auf Restaurant-, Kneipen- oder auch Stadionbesuche müsste verzichtet werden. „Es braucht keinen Lockdown, wenn sich jeder einzelne vernünftig und angemessen benimmt.“ Graf empfiehlt, zu Hause zu bleiben beziehungsweise Maske zu tragen, wenn man rausgehe.

Das Arbeitsleben werde durch solche Maßnahmen nicht behindert. Hygienekonzepte, Abstandsregeln und das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung – was bisher funktioniert habe, wirke auch weiterhin. Das Gros an Infektionen habe es im außerbetrieblichen Bereich gegeben.

Corona: In Krankenhäusern stehen alle Bereiche unter Druck

Die prekäre Situation in den Krankenhäusern betreffe nicht nur Corona-Patientinnen und -Patienten, sondern die allgemeine Versorgung. Alle Bereiche stünden unter Druck, aber vor allem die Notfallmedizin leide unter erheblichen Einschränkungen. Die passende Notaufnahme zu finden, dauere schon jetzt länger als üblicherweise, in manchen Fällen könnte in Hessen auch keine Klinik gefunden werden, um bestimmte Patient:innen aufzunehmen. Verlegungen in weniger belastete Regionen seien an der Tagesordnung. Kleinere Krankenhäuser müssten jetzt auch die Betreuung der Menschen übernehmen, damit die Notaufnahmen im Land aufnahmefähig blieben.

Graf sagte, dass man in der Vergangenheit etwas am System hätte ändern können, um die Lage zu verbessern. Nun sei es zu spät. Die Dauerbelastung des Personals und die Pflegeuntergrenze hätten die Zahl der Intensivbetten, die man betreuen könne, merklich reduziert. Die kommenden Monate würden, wenn die Entwicklung wie bisher bleibe, die Lage in den Krankenhäusern endgültig ans Limit bringen. Erfahrungen für ein Vorgehen in solchen Situationen gebe es nicht. (Steven Micksch)

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