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Cirque du Soleil Luzia kommt nach Frankfurt: Akrobatik unterm warmen Regen

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Von: Kathrin Rosendorff

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DerName Luzia setzt sich aus den spanischen Worten Licht (luz) und Regen (lluvia) zusammen.
Der Name Luzia setzt sich aus den spanischen Worten Licht (luz) und Regen (lluvia) zusammen. Foto. Matt Beard © Matt Beard Photography

Die „Cirque du Soleil“-Zirkusshow „Luzia“ gastiert bald auf dem Frankfurter Ratsweg. Dabei spielt Wasser unterm Zirkuszelt eine große Rolle. Die FR durfte vorab in Wien hinter die Kulissen schauen. Die Artistin Lea Toran Jenner erzählt wie sie es als Tochter von Informatik-Eltern in die Zirkuswelt geschafft hat.

Die Reise durch Mexiko ist knallbunt und fühlt sich an wie ein wilder Traum: Auf einem riesigen Laufband springen die Artist:innen in ihren Kolibri-Kostümen durch Reifen, machen Rückwärtssaltos. Es treten Kakteen, Kakerlaken und sogar ein Wrestling-Held auf. Eine Sängerin performt live. Zwei Artistinnen drehen sich im Cyr-Reifen über die Bühne, gleichzeitig schwebt eine Trapezkünstlerin an der Decke, macht dabei Spagat: All das während sie durchnässt werden vom Regen. Sie sehen aus wie Protagonistinnen für eine coole Duschgel-Werbung. Denn über eine Hängebrücke in 14 Metern Höhe stürzt der Regenvorhang durch 174 Düsen auf die Bühne. Dabei bilden sich in dem Moment keine tiefen Pfützen, denn was das Publikum nicht sieht: 94 657 Löcher sind im Bühnenboden. Die während der Show insgesamt 10 000 Liter Wasser werden in einem darunter liegenden Becken aufgefangen und zu einem Wassertank draußen vor dem Zelt geleitet. Das Wasser wird desinfiziert, gefiltert, aufbereitet und danach wieder verwendet.

Sprünge auf Laufbändern, durch Ringe. Es passiert viel gleichzeitig.
Sprünge auf Laufbändern, durch Ringe. Es passiert viel gleichzeitig. Foto: Anne Colliard © Anne Colliard

Willkommen bei der „Cirque du Soleil“- Show „Luzia“ im Zirkuszelt: Es riecht nach Popcorn, die 2500 Zuschauer:innen sitzen dicht an dicht in Wien und sind fasziniert und ein wenig überfordert, weil so viel gleichzeitig auf der Bühne passiert. Vom 13. Juni bis zum 23. Juli ist die Produktion des 1984 in Kanada gegründeten „Cirque du Soleil“ auch auf dem Ratsweg in Frankfurt zu erleben.

Eigentlich reicht es nicht, nur ein Mal Luzia zu sehen: „Selbst ich, die, die Show so oft gesehen hat, entdecke jedes Mal etwas Neues“, erzählt Charlie Wagner bei einer Backstageführung in Wien. Die Kanadierin ist Teil der PR-Abteilung und reist mit bei der Europa-Tour. Sie selbst ist seit Beginn von Luzia 2016 dabei, zwischendrin kam die Pandemie-Pause.

Wagner zeigt auf die vielen aufgestellten Container, in manchen sind Büros untergebracht, in einem anderen essen die Artist:innen gerade jamaikanische Speisen. Es läuft fröhliche Urlaubs-Musik: „Vier Köche reisen immer mit. Dazu kommen 10 bis 15 lokale Köche in jeder Stadt.“ Sie seien „ein Dorf auf Reisen“, so drückt es Wagner aus. Denn neben den 46 Artist:innen reist auch ein Team für Technik, IT und Klempnerei mit: „120 Menschen gehören zum festen Team. 150 Menschen werden zusätzlich lokal engagiert beispielsweise für den Kartenverkauf. Es reisen auch immer Menschen mit, die sich um Dinge kümmern wie Visa oder in welchen Apartments oder Hotels die Artist:innen untergebracht sind.“ Denn Luzia sei mit einer Crew aus 26 Nationen eben sehr international. 80 Lastwagen braucht es, um den Arbeitsplatz des Dorfs – 2000 Tonnen an Geräten und Ausrüstung – zu bewegen: „Alles muss transportiert werden: Vom Boden auf dem die Zuschauer:innen in der Pause stehen bis zum Wassertank.“ Um den Transport kümmere sich ein Logistikunternehmen. Drei Tage dauert der Abbau, sieben Tage bis alles wieder aufgebaut ist, auch dazu werden Leute zusätzlich engagiert. „Die Artist:innen reisen separat an. Sie haben während dieser zehn Tage frei“, so Wagner.

Einer der Artisten schminkt sich derweil, fünf Stunden vor Showbeginn, unweit der Toiletten und den vielen Waschmaschinen, in denen die Gymnastikanzüge der Akrobat:innen täglich gewaschen werden. „Jeder hat seinen eigenen Rhythmus. Manche machen sich eher früh fertig, da gibt es keine Vorgaben. Alle Artist:innen müssen aber lernen, sich selbst zu schminken. Denn das Schminken dauert für jeden Einzelnen 45 Minuten bis zu einer Stunde. Das würde bei 46 Menschen zu lange dauern, wenn das Visagist:innen machen müssten“, erzählt Wagner. Vier Menschen gehören zum Team, das für Kostüme und alles, was mit Schminke und Accessoires zu tun hat, zuständig ist. Alles ist ordentlich in Schubladen einsortiert: „Schnurrbärte, Wattestäbchen“ steht da, selbst die Schminksachen fliegen nicht wild umher, sondern sind nach Farben sortiert vom: „Cinderella Blue“ bis zum „Soleil Red“.

Sie „fliegen“ rückwärts bis zu zehn Meter hoch. Foto: Anne Colliard
Sie „fliegen“ rückwärts bis zu zehn Meter hoch. Foto: Anne Colliard © Anne Colliard

Das erste, das die Künstler:innen erledigen, wenn sie vor der Show ankommen, ist es, Fragen an einem Check-In-Monitor zu beantworten. Eine Frage lautet, wie es ihnen geht und ob sie fit genug sind, um aufzutreten. „Ein Ärzteteam reist nicht mit, aber zwei Physiotherapeuten“, sagt Wagner. Manche Akrobat:innen trainieren an dem Tag mit Gewichten, andere üben ihre Nummern auf hohen Matten. Alles ist top organisiert: Auf dem ausgehängten Plan ist zu lesen, wer wann auf den drei Trainingsplätzen unter den Zelt-Planen proben darf. In der Manege selbst sind die Akrobat:innen der „Russischen Schaukel“, „weil nur hier genug Platz für ihre Nummer ist“, so Wagner. Sie „fliegen“ von einer Art Schiffschaukel rückwärts bis zu zehn Meter hoch und landen auf der Schaukel gegenüber.

Im Zelt nebenan gibt derweil Lea Toran Jenner auf einem Sofa Interviews. Die 31-jährige Artistin ist in Ulm aufgewachsen, seit Anfang 2022 tourt sie mit Luzia und ist gleich in mehreren Szenen zu sehen: Meterhoch klettert sie die Poledance-Stange hoch, hängt kopfüber, macht später auch Kunststücke als Fußballerin. Ihre Hauptdisziplin ist aber das Cyr-Rad, eine Art Rhönrad aus einem Reifen. Es ist eine akrobatische Disziplin.

„Ich beschreibe das immer als einen großen Metallring: Es sieht aus wie eine Münze, die man auf dem Tisch anschnipst. Viele Akrobaten haben mir gesagt, dass ihnen das Cyr-Rad viel mehr Angst macht, als hoch in die Luft zu springen, weil die Bewegungsform sehr komisch ist. Es ist immer eine Hin- und Herbewegung, und das im Körper zu verstehen ist schwierig. Zudem dreht man sich sehr schnell. Anfangs ist einem schwindlig. Irgendwann wird es natürlich“, sagt Lea Toran Jenner. Sie betont: „Und was die Zuschauer oft vergessen: Das Rad dreht sich nicht von alleine. Ich muss es die ganze Zeit anstoßen. Deshalb ist es auch sehr anstrengend.“ Dass sie mit 1,73 Meter größer ist als die meisten anderen Artistinnen bei Luzia sei beim Cyr-Rad kein Nachteil.

Tickets und Showzeiten

Die Zeltshow des Cirque du Soleil, Luzia, gastiert ab dem 13. Juni in Frankfurt, Bereits jetzt vor dem Start im weißen Grand-Chapiteau-Zelt, das auf dem Ratsweg errichtet wird, sind bereits 50 000 Tickets für das Gastspiel, das bis zum 23. Juli in der Stadt ist, verkauft. rose

Aufgrund der starken Nachfrage wurde die Show verlängert und fünf Zusatzvorstellungen zwischen dem 21. und 23. Juli angesetzt. Tickets (ab 46 Euro) und alle Showdaten gibt es unter www.cirquedusoleil.com

Der Artistin Lea Toran Jenner zeigt auf Instagram und Tiktok ihre Kunst und ihr Leben als Künsterin.

Sie betont, dass sie den „modernen Zirkus“, der ohne Tiere auskommt, dafür eben mehr Show ist, repräsentieren und so bekannter machen möchte. Ihre Kunst und ihr Leben als Artistin zeigt sie so auch auf ihrem Instagram- und Tiktok-Account. Ihr Vater ist Spanier, die Mutter Deutsche. Schon mit fünf Jahren, nach einer „Cirque du Soleil“-Show, ist ihr klar, dass sie Zirkusartistin werden will. Aber zunächst glaubte Lea Toran Jenner, dass sie sich von dem Traum verabschieden muss.

„Ich komme nicht aus der Zirkuswelt. Meine Eltern sind beide Informatiker, beide Hochschulprofessoren. Sie glaubten wie viele andere Leute um mich herum: ‚Wenn du nicht in die Zirkuswelt reingeboren wirst, hast du keine Chance reinzukommen.‘“ Also beginnt sie zunächst mit Turnen, wechselt zur Sportaerobic, vertritt später sogar Deutschland weltweit als Teil der deutschen Nationalmannschaft. Aber der Traum vom Zirkus lässt sie nicht los. Mit 15 besucht sie eine Zirkusschule in Montreal, zunächst ein Summercamp. Ihre Eltern bestehen auf einem guten Abitur, danach unterstützen sie sie dabei, dort ihre Ausbildung zu machen.

Es folgt in Paris ein Engagement im Moulin Rouge. Während der Zeit studiert sie zudem Digital Film Production. „Das ist mir gerade super nützlich. Denn ich mache eben viel auf Social Media.“ Sie möchte auch ein Vorbild sein. „Man muss nicht in den Zirkus reingeboren werden, um Zirkusartist zu werden. Überhaupt will ich Kindern und Jugendlichen Mut machen, sich zu trauen, einen ungewöhnlichen Weg im Leben zu gehen. Es muss nicht jeder Zirkusartist werden, aber man muss eben auch nicht unbedingt BWL studieren.“ Nach den Shows trifft sie auch öfter Fan-Mädchen, die ihr auf Social Media folgen.

Lea Toran Jenner im Cyr-Rad.. Als Kind wollte sie schon zum Zirkus, dachte aber sie hat keine Chance.
Lea Toran Jenner im Cyr-Rad.. Als Kind wollte sie schon zum Zirkus, dachte aber sie hat keine Chance. Foto: Al West © Al West

Ist die Regenszene mit dem Cyr-Rad auf der Bühne eigentlich so cool wie es aussieht? „Als Artist die Möglichkeit zu haben, unter Wasser aufzutreten, ist sehr selten und deshalb etwas sehr Besonderes. 39 Grad ist das Wasser warm, das ist also angenehm.“ Was macht sie, damit sie nicht wegrutscht? „Das Rad wird mit einer Art Fahrradreifen überzogen, damit habe ich mehr Resistenz auf dem Boden. Aber gleichzeitig muss ich nochmal stärker gegen das Rad drücken, um mich schneller zu drehen. Und es ist halt doch rutschig: Wir sind barfuß und dann sind auch die Füße nass.“ Sie lacht.

Frankfurt wird Lea Toran Jenners Abschluss bei Luzia sein. Danach verlässt die Show Europa. „Hier ist es wunderschön, aber ich habe jetzt um die 400 Shows gespielt. Ich möchte mich als Artistin weiterentwickeln.“ Sie will zu ihrem „Herzensprojekt“ dem „Duo Unity“ zurückkehren. „Es ist eine sehr romantische Nummer. Es gibt wenige Leute, die zu zweit im Cyr-Rad sind.“ Hat sie Angst vor dem Älterwerden in der Show-Welt, wo neben Fitness eben auch das gute Aussehen eine wichtige Rolle spielt?

„Mein großer Traum ist, noch bis zum Rentenalter, auf der Bühne zu stehen. Ich könnte mir vorstellen, in Richtung Moderation zu gehen. Aber genauso kann ich mir vorstellen, eine Cyr-Rad-Nummer zu machen, die nicht ganz so körperlich ist, aber trotzdem noch sehr schön ist. Ältere Frauen auf der Bühne sind bislang wenig repräsentiert. Aber als ältere Frau kann man auch sexy sein. Nur eben anders.“

Transparenzhinweis Die Reise für diesen Text wurde finanziell unterstützt von „Live Nation“.

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