Angst vor Verdrängung

Mieterinnen und Mieter in der Fechenheimer Straße 10 kritisieren den geplanten Hausverkauf der Frankfurter Pestalozzi-Stiftung. Die Stiftung kann sich die nötige Sanierung nicht leisten.
Die Bewohnerinnen und Bewohner der Fechenheimer Straße 10 sind in Sorge. Vor kurzem haben sie erfahren, dass die Eigentümerin des Mietshauses, die gemeinnützige Pestalozzi-Stiftung, einen Verkauf überlegt. Die zehn Mietparteien befürchten, dass sie aus dem Haus und angesichts mangelnder Wohnalternativen in Frankfurt letztlich aus der Stadt gedrängt werden.
Beunruhigt hat die Mieter:innen eine Immobilienanzeige, in der die Liegenschaft als „Solides Mehrfamilienhaus mit Rendite-Potenzial“ beworben wurde, sagt Harry Haarstark, der seit 40 Jahren in der Fechenheimer Straße lebt. Aufgrund der moderaten Mieten bestehe ein „deutliches Steigerungspotenzial“, hieß es weiter. Inzwischen ist die Annonce gelöscht. Erste Interessenten hätten das Haus aber besichtigt und dabei von möglichen Maisonette-Wohnungen gesprochen, berichtet eine Mieterin, die namentlich nicht genannt werden will.
Die Bewohner:innen kritisieren, dass die Stiftung das Haus seit Jahren habe verkommen lassen. „Der Keller sowie die Wohnungen sind in einem maroden Zustand“, sagt die Mieterin. Vor kurzem sei es zu Zwischenfällen mit veralteten Strom- und Gasleitungen gekommen. Man hätte einen Teil der Mieteinnahmen in den Erhalt des Hauses investieren müssen, „stattdessen wird nun ein Verkauf in Betracht gezogen, um größere Kosten zu vermeiden“. Dabei bedauert sie, dass die Stiftung nicht das Gespräch mit ihnen sucht. Selbst auf das Angebot eines Bewohners, die Miete zu erhöhen, habe es keine Reaktion gegeben. „Bislang sind wir nur vertröstet worden, sagt Haarstark.
Werner Wiegand, der Geschäftsführer der Pestalozzi-Stiftung, die im Jahr etwa 20 Stipendien für die Ausbildung junger Menschen in Frankfurt vergibt, kann die Bedenken nachvollziehen. Die Anzeige sei „ungeschickt formuliert“ gewesen, weshalb sie mittlerweile gelöscht sei.
Es stehe aber noch gar nicht fest, dass das Haus verkauft werde, worüber die Bewohner:innen auch informiert worden seien. Mit einer Entscheidung sei frühestens im April zu rechnen. Deswegen sei er auch mit der Genossenschaftlichen Immobilienagentur Frankfurt (Gima) im Gespräch.
Zudem befinde sich die Immobilie in Milieuschutzgebiet, sagt Wiegand. Werde sie verkauft, könne der Mietvertrag für sieben Jahre nicht gekündigt werden, eine Luxussanierung sei nicht möglich. „Es bestehen keine Risiken für die Mieter.“ Das Gebäude müsse jedoch saniert werden. Zwar seien 2001 das Dach erneuert und in den Folgejahren Fenster und Trinkwasserleitung ausgetauscht sowie das Treppenhaus renoviert worden. Dennoch gebe es einen großen Sanierungsbedarf. Der Geschäftsführer schätzt die Kosten auf 300 000 bis 500 000 Euro. Ein Betrag, den die Stiftung nicht aufbringen könne, „sonst könnten wir keine Stipendien mehr vergeben“ – wodurch die Gefahr bestehe, dass sie ihre Gemeinnützigkeit verliere. Deshalb habe man überlegt, das Haus zu verkaufen, um aus dem Erlös Stipendien zu ermöglichen.
Wiegand weist darauf hin, dass die Pestalozzi-Stiftung eine sehr kleine sei, die nur ihn als einzigen geringfügig beschäftigten Mitarbeiter habe. Der Vorstand sei ehrenamtlich tätig, und es gebe nur ein „niedriges Level an Stiftungsvermögen“. Dieses werde durch Zinsen und Mieteinnahmen von zwei Gebäuden generiert. Die Bewohner:innen in der Fechenheimer Straße zahlten derzeit allerdings nur zwischen 230 und 520 Euro Kaltmiete.
Hartwig will sich kümmern
Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD), die dem Vorstand der Stiftung angehört, antwortet den Mieter:innen auf deren Anfrage, dass sie sich mit Planungsdezernent Mike Josef (SPD) abstimme. Sie werde sich in der nächsten Vorstandssitzung der Stiftung dafür einsetzen, dass, falls es zu einem Verkauf kommen sollte, das Wohnhaus „nur unter sozialen Gesichtspunkten“ veräußert werde – und dies auch möglichst unter der Beteiligung der Gima.
Unter den Mitgliedern der Gima findet sich derzeit keine Genossenschaft, die die Immobilie kaufen könne, sagt deren Vorstand Robin-Felix Mohr. Der angesetzte Preis der Stiftung von zwei Millionen Euro sei zu hoch, als dass das Haus an einen sozialen Vermieter verkauft werden könne. Zusammen mit den Kosten einer Sanierung müsste ein Käufer bei einer Kreditfinanzierung allein für Zins und Tilgung mindestens 100 000 Euro jährlich erwirtschaften. Dafür müssten die Mieten „mindestens verdoppelt werden“, sagt Mohr.
Die Stiftung habe sich offen für einen Prozess gezeigt, bei dem die Beteiligten an einen Tisch kommen und die Optionen ausloten. So könnte das Haus etwa im Bestand der Stiftung bleiben und über einen langen Zeitraum Stück für Stück saniert werden. Denkbar sei auch ein Verkauf unter Auflagen zu einem reduzierten Kaufpreis.