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Bonsai wird in Frankfurt ganz groß

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Von: Anja Laud

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Die knorrige Kiefer in dieser Aufnahme von Norbert Schoerner ist kein großer Baum, sondern ein Bonsai.
Die knorrige Kiefer in dieser Aufnahme von Norbert Schoerner ist kein großer Baum, sondern ein Bonsai. © Norbert Schoerner

Eine Ausstellung im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt befasst sich mit der Natur und Super-GAU von Fukushima. Der Fotograf Norbert Schoerner zeigt ungewöhnliche Fotografien.

Eine knorrige Kiefer erhebt sich vor einer kargen Berglandschaft. Die Fotografie des in London lebenden Fotografen und Filmemachers Norbert Schoerner, die bis 18. September in der gerade eröffneten Ausstellung „Die Natur der Natur. Fukushima Project“ im Museum Angewandte Kunst Frankfurt zu sehen ist, ist mehr als eine Landschaftsaufnahme. Sie ist eine raffinierte Konstruktion. Die Kiefer ist ein von Menschenhand geformter Bonsai, wie der Rand eines Pflanzgefäßes verrät, der erst bei genauem Betrachten des Bildes erkennbar ist. Und dieses Foto lässt sich nicht unabhängig von der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima interpretieren.

Wer im Museum Angewandte Kunst den ersten Raum der Ausstellung betritt und das Glück hat, dort allein zu sein, der kann die beeindruckenden Landschaftsaufnahmen Norbert Schoerners, die zur meditativen Kontemplation einladen, in Ruhe auf sich wirken lassen. Für sie ist der Fotograf auf den Vulkanberg Azuma-Kofuji gestiegen, der in der Nähe des havarierten Atomkraftwerks von Fukushima liegt. Von den Bildern, die entstanden, ließ er großformatige Abzüge anfertigen, die er zu der Familie Abe brachte. Die Abes leben in der Bergregion Azuma und sind in dritter Generation Bonsai-Meister. Der Fotograf stellte ihre Miniaturbäume so vor seine Aufnahmen, dass sie wie ausgewachsene, tief in der Erde verwurzelte Bäume aussehen.

Für das Fukushima-Projekt brauchte Norbert Schoerner Jahre, auch um das Vertrauen der Abes zu gewinnen. Inzwischen werde er fast wie ein Adoptivsohn angesehen, sagt er. Großvater Kurakichi, sein Sohn Kenichi und sein Enkelsohn Daiki ziehen ihre Bonsais ausschließlich aus Samen von Baumarten, die im Schatten des Vulkanberges zu finden sind. Nicht nur das unterscheidet sie von anderen Bonsai-Meistern. Sie formen die Bäumchen so, dass sie genauso aussehen wie die auf den windumtosten Berghängen. Durch die Konstruktion der Bilder Schoerners wirkt es, als seien die Bonsai im Einklang mit einer romantischen Naturbeziehung befreit an ihren Ursprungsort zurückgebracht.

Auf einen blick

Die Ausstellung „Die Natur der Natur. Fukushima Project“ ist von Samstag, 14. Mai, bis 18. September im Museum Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, in Frankfurt zu sehen.

Sie zeigt Arbeiten des Fotografen und Filmemachers Norbert Schoerner, die dieser in der Bergregion Azuma unweit von Fukushima gemacht hat.

Der Eintritt kostet zwölf Euro, ermäßigt sechs Euro. lad

www.museumangewandtekunst.de

An den Beginn der Ausstellung hat der Fotograf deshalb eine Fotografie des Bildes „Weidengebüsch bei tiefstehender Sonne“ gestellt, ein Gemälde von David Caspar Friedrich, das im Original im Romantik-Museum zu sehen ist. Gleichwohl lassen die Bilder im ersten Raum und die fotografischen Diptychen und Triptychen, die in den weiteren Ausstellungsräumen zu sehen sind, nicht die Auswirkungen des Super-GAUs im März 2011 vergessen, auch wenn sie in diesen Fotografien nicht ausdrücklich thematisiert werden.

Parallele zu Jules Verne

Das tut der ebenfalls in der Ausstellung zu sehende Kurzfilm „Occursion“, den Schoerner vor zwei Jahren auf einem verlassenen Bauernhof, 15 Kilometer von dem beschädigten Kernkraftwerk entfernt, in der ehemaligen Sperrzone gedreht hat. Das Grün seiner Nachsichtkamera verwendet er dabei, um die nicht sichtbare Strahlung darzustellen. Matthias Wagner K., Museumsdirektor und Kurator der Ausstellung, zieht eine Parallele zu Jules Vernes Roman „Der Grüne Strahl“, der erscheint, wenn die Sonne im Meer versinkt. Das Grün in Fukushima sei, so Wagner, aber eben nicht das von Verne beschriebene paradiesische und auch nicht das Grün der Hoffnung.

Im Grün einer Nachtsichtkamera: verwilderte Hunde in einer ehemaligen Sperrzone.
Im Grün einer Nachtsichtkamera: verwilderte Hunde in einer ehemaligen Sperrzone. © Norbert Schoerner

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