Wie die Frankfurter Unibibliothek Bücher bewahren will

Mit Fördermitteln versuchen Bibliothekare, alte Bücher vor dem Zerfall zu retten. Für manche kommt jede Hilfe zu spät.
Mehrere Regalreihen mit grauen Boxen in unterschiedlichen Größen stehen im Magazin der Universitätsbibliothek Frankfurt. Die Temperatur im Raum ist mit 19 Grad Celsius recht kühl, die Luftfeuchte liegt bei 60 Prozent – das Klima ist auf die hier gelagerten Kostbarkeiten eingestellt. Der Raum ist mit einer extra Alarmanlage gesichert. Die grauen Kartons in diesem Archiv enthalten Bücher. Angefangen von Inkunabeln aus dem 15. Jahrhundert über Werke des 16. und 17. Jahrhunderts bis hin zur Privatbibliothek von Arthur Schopenhauer mit vielen handschriftlichen Notizen des Philosophen. Gut 30 000 Bücher befinden sich momentan im Magazin, und es ist noch Platz für weitere.
Der Charme der vielen verschiedenen Buchrücken und toll gestalteten Buchcover geht durch die Boxen zwar verloren, doch der Schutz der Bücher hat oberste Priorität. Dafür muss Mathias Jehn sorgen. Der 48-Jährige ist Leiter der Abteilung Bestandserhaltung und Digitalisierung sowie des Archivzentrums und der Sammlung Frankfurt und Seltene Drucke an der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg. Mittlerweile umfasst das Repertoire der Bibliothek rund zehn Millionen Medientypen. Während die neuen Werke noch keinen Schutz benötigen, sind es gerade die wertvollen alten Bücher, die Jehn im Blick hat.

„Dabei geht es nicht mehr primär um Einzelrestaurierungen, sondern um Massenverfahren“, sagt der 48-Jährige. Die Aufbereitung einzelner Werke sei aufwendig und für ein einzelnes Buch teuer. Man könne bei einigen Büchern durchaus mit einem Preis von 10 000 Euro rechnen. „Im Massenverfahren können wir mit derselben Summe viel mehr erreichen.“ Und für diese Massenverfahren gibt es eben auch Fördermittel von Bund und Land. Mit diesen und mit Spenden von Frankfurter Stiftungen sowie Eigenmitteln konnte die Bibliothek 2018 insgesamt 150 000 Euro in die Erhaltung von Büchern stecken.
Zum einen wurden damit die grauen Verpackungen angeschafft. Zum anderen wurden Bestandswerke gesäubert und entsäuert. „Bei den Verpackungen kommt ein Dienstleister zu uns ins Haus und vermisst jedes einzelne Buch“, berichtet Jehn. Auf Basis dieser Werte werden dann die Kartons angefertigt. Anschließend kommt die Firma wieder in die Bibliothek und verpackt jedes Buch. Die maßgeschneiderten Boxen schützen die Bücher vor äußeren Einflüssen und stabilisieren sie auch beim Transport.
Im Fall der Entsäuerung werden die Werke zu einem Dienstleister gegeben. Dort wird mit Chemikalien der pH-Wert des Papiers in den alkalischen Bereich gebracht, um der Zersetzung entgegenzuwirken. „Eine Entsäuerung gewinnt Zeit und verlangsamt den Zerfall. Ganz aufhalten kann sie ihn aber nicht.“ Im Grunde dränge man das Problem einige Jahre nach hinten mit der Hoffnung, dass in der Zukunft der Verfall vielleicht komplett gestoppt werden kann. Die Methode kommt vorrangig bei Papier ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zur Anwendung. Die Universitätsbibliothek hat damit beispielsweise die historischen Ausgaben der bis 1943 erschienenen „Frankfurter Zeitung“ gegen den drohenden säurebedingten Papierzerfall behandeln lassen.

Seit 2017 nutzt die Frankfurter Einrichtung Fördergelder aus den Sondermitteln des Bundes für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts. 2018 kam noch eine Summe aus dem erstmals aufgelegten Landesprogramm zum Erhalt des schriftlichen Kulturgutes in Hessen hinzu. „Der politische Wille ist da“, kommentiert Jehn die Förderprogramme. Wie lange das so bleibe, könne aber niemand genau sagen. Bis 2020 werden die Bundesmittel garantiert. Danach sei alles offen. „Wir schöpfen die Mittel bis dahin so weit wie möglich aus.“
Trotz der vielen Maßnahmen bleibt Mathias Jehn realistisch: „Wir werden bestimmte Dinge nicht retten können.“ Das Geld reiche nicht, um alle Bücher vor dem Zerfall zu bewahren. Am Ende müssen er und sein Team entscheiden, welche Werke konserviert werden und welche in der Prioritätenliste ganz hinten kommen.
Für 2019 hat die Bibliothek bereits wieder Fördermittel beantragt. Dann sollen die Kolonialbibliothek, die historische „Freimann-Sammlung“ im Bereich der Judaica und Hebraica und der Frankfurter Teil der „Sammlung Deutscher Drucke“ von 1800 bis 1870 bearbeitet werden.